D'ESPAIRSRAY - [Coll:Set]
Mehr über D'espairsRay
- Genre:
- Visual Rock
- Label:
- Gan-Shin Records / Universal
- Release:
- 13.01.2006
- Infection
- Dears
- In Vain
- Grudge
- Tsuki No Kilku -Fallen-
- Garnet
- Abel To Cain
- [Fuyuu Shity Risou]
- Forbidden
- Hai To Ame
- Tainted World
- [The World In A Cage]
- Marry Of The Blood (Bloody Minded Mix)
- Born (White Stream Mix)
Im Osten geht die Sonne auf. Alles Lüge! Dort ist die Welt teilweise dunkler als in Norwegen. Grund dafür ist der kometenhafte Erfolg von D'ESPAIRS RAY, die, in Tokio gegründet, nunmehr die ganze japanische Insel beherrschen. Wofür dort schon Festivals wie das "Stylisch Wave" aus dem Boden sprießen, ist im Abendland bisher noch nicht viel Platz geblieben. Lediglich die völlig kranken, musikalisch allerdings dürftigen DIR EN GREY schafften es bisher, in unseren Gefilden von sich Reden zu machen. Allerdings ging es hierbei kaum um das Wirken als Musiker als vielmehr um extrovertierte Bühnendarstellungen. Etwas Qualität wäre also nicht schlecht, die nun D'ESPAIRS RAY liefern.
Dass man es auf unpopulärem Sprachsektor schwer hat, sich in etablierten Genres zu behaupten, liegt auf der Hand. Wer heutzutage Gothic Rock aus dem Hut zaubert, muss sich schon ganz schön was einfallen lassen, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Wenn man dann noch gewissermaßen das Handicap hat, dies in einer Sprache zu tun, die die gesamte westliche Welt nicht mal ansatzweise beherrscht, dann scheint ein Durchbruch schon sehr ungewiss. Somit hat man es mit einer Zwickmühle zu tun: Komplett englische Texte wären reine Selbstverleumdung, rein japanische Texte zu anti-international. Der bilinguale Zwischenweg ist ratsam und wird auf dem Album auch bestens umgesetzt. Um nämlich nicht gleich jeden, der nicht Japanisch kann, in die Flucht zu schlagen, legt man als Opener einen rein englischen Titel vor.
Die ruhigen Rhythmen, die das Album eröffnen, werden jäh durch einen monstermäßigen Ausbruch an musikalischer Gewalt abgelöst. Vertrackter Gesang wird durch stimmgewaltige, schreiende Wut abgelöst. Das Lied bricht aus und greift mit bissigen Gitarrenmelodien nach der Seele der Hörers! Dass eben dieser Track 'Infection' heißt, kann also durchaus als Warnung verstanden werden, denn selten habe ich zuletzt ein Eröffnungslied gehört, das Skepsis so weggefegt. Plötzlich geht es nicht mehr um zögerliches Vorstellen, sondern eine Selbstpräsentation, die es in sich hat!
Somit kann man es nun auch wagen, mit 'Dears' die ersten heimatsprachigen Lyrics in den Raum zu kreischen. Viel ändern tut sich dadurch nichts. 'Dears' hält musikalisch das hohe Niveau vom Beginn, nur dass man eben nichts versteht. Dann der nächste Donnerschlag: 'In Vain' kommt mit tonnenschweren Gitarrenriffs, Speed und melodiösen Refrain daher! Wer bis dato nicht von der Musik übermannt wurde, bei dem wird auch der Rest des Albums nicht ziehen. Aber viele, sehr sehr viele werden in diesem Moment bereits der Mystik von "[Coll:Set]" erlegen sein, sodass die verbleibende Spielzeit nur noch Formsache ist. Natürlich gibt man sich dabei keine Blöße, sondern pendelt das musikalische Schaffen auf nicht ganz so durchschlagendem, wie bei den ersten Tracks, aber sehr gutem Niveau ein.
Bemerkenswert ist, dass D'ESPAIRS RAY kaum Neues in ihrem Genre erschaffen. Sie setzen lediglich Bekanntes frisch und gekonnt um. In dem bereits erwähnten 'In Vain' erinnern einige Gesangsteile etwas an die "Antichrist Superstar"-Zeit vom MARILYN MANSON. Im Großen und Ganzen standen bei dem Album aber eher Industrial-Giganten wie MINISTRY Pate. Zumindest weit mehr, als das Genre EBM, an dem man sich zwar gern für einige Liedintros bedient hat, deren verletzliche Klänge aber bereits nach kurzer Zeit von schweren Gitarrenriffs abgelöst werden. Im Allgemeinen sorgen jedoch bewusst eingesetzte Soundsamples für eine düstere Zukunftsatmosphäre, wie man sie so gern bei FEAR FACTORY antrifft.
Über Sänger Hizumi kann man geteilter Meinung sein. Speziell die cleanen Gesänge sind nicht auf höchstem Niveau und können unter Umständen störend wirken. Singt er allerdings mit dunkler Stimme, klingt er im Einvernehmen mit seiner Band am ehesten wie Edsel Dope von DOPE. Die Schreigesänge halten die Band gesichtslos, sind dafür aber extrem geil.
Die große Stärke der Band ist ihre Art, auf den Punkt gebrachten Gothic Rock zu kreieren, düstere Stimmung zu sähen und mithilfe von einfallsreichen Melodien ihrer Musik trotz Eingängigkeit viele Ecken und Kanten zu verleihen. Dass man über eine Gesamtlaufzeit von 14 Liedern nicht mit jedem Titel ein Beben hervorrufen kann, sollte klar sein. Im Laufe der Platte werden D'ESPAIRS RAY wieder Mensch und können beim Hörer das eine oder andere Déjà-vu innerhalb der Platte nicht vermeiden. Dennoch bietet "[Coll:Set]" jede Menge Unterhaltung und wird auch bei häufigem Genuss nicht langweilig.
Ob sich ein ähnlicher Siegeszug wie im Heimatland Japan einstellen wird, vermag ich nicht vorauszusagen. Wenn ich aber für mich spreche, dann kann ich nur sagen: "Schön, dass es immer noch geht: Klasse durch Substanz!" Die Japaner schaffen es, sich ausgesprochen weit vom elendigen Durchschnitts-J-Pop/Rock zu lösen und einen respektablen Schlüssel für das Schattenreich von Europa abzuliefern.
Und wie heißt es so schön bei "Butterfly Effect": Der Flügelschlag eines Schmetterlings kann auf der anderen Seite der Welt einen Sturm auslösen. Gut möglich, dass uns der Flügelschlag des Schmetterlings auf dem Cover von "[Coll:Set]" ebenso mächtig trifft. Die Ambitionen dazu sind zumindest vorhanden.
Anspieltipps: Infection, Dears, In Vain, Tsuki No Kilku -Fallen-
- Redakteur:
- Michael Langlotz