DREAM THEATER - Parasomnia
Mehr über Dream Theater
- Genre:
- Progressive Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- InsideOut (Sony)
- Release:
- 07.02.2025
- In The Arms Of Morpheus
- Night Terror
- A Broken Man
- Dead Asleep
- Midnight Messiah
- Are We Dreaming
- Bend The Clock
- The Shadow Man Incident
"Dream Theater" müsste dieses Album heißen.
Wir schreiben den 25. Oktober 2023. Für die meisten Menschen ein gewöhnlicher Mittwoch. Für alle Musikfans, die das Wort "Prog" schon einmal gehört haben, ist das der Tag, an dem die Rückkehr von Mike Portnoy zu DREAM THEATER bekannt gegeben wurde. Auch wenn die Anzeichen sich in den letzten Jahren verdichtet hatten (Portnoy spielt Petruccis Soloalbum ein, tourt mit ihm etc.), donnerte die Ankündigung wie ein Paukenschlag durch meine musikalische Welt. Ein weiteres Jahr hat es gedauert, bis wir DREAM THEATER auf der Jubiläumstour zum 40-Jährigen auch endlich wieder in der ikonischen Besetzung erleben konnten. Plötzlich sind es nur noch wenige Wochen bis "Parasomnia" zum Lackmustest antritt. 'Night Terror' und 'A Broken Man' wurden bereits als Singles ausgekoppelt (darf man das ohne physische Singles eigentlich noch so nennen?), um die Streamingdienste auf die bevorstehende Notenflut vorzubereiten. Meine Ohren durften die 71 intensive Minuten schon viele Wochen lang immer wieder erleben, was die Besprechung des 16. Albums der Band aber nicht wirklich leichter macht. Der Grund: Das Gute an "Parasomnia" ist, dass es ein Best-Of-Album ist. Das Schlechte an "Parasomnia" ist, dass es ein Best-Of-Album ist.
Im Gespräch mit Mike Portnoy kann man gar nicht anders, als die Herangehensweise der Band mit ganz viel Sympathie abzunicken: Fünf alte Freunde kommen nach etlichen Jahren wieder zusammen, spüren die Chemie und machen genau das, worauf sie Lust haben und was sie können. 'Night Terror' dürfte jeder, der diesen Text liest, schon einmal gehört haben, und dieser Song ist ein Paradebeispiel für das metallisch-cineastische Songwriting, welches die Band mit "Metropolis Pt. 2: Scenes From A Memory" begann und seither nur in wenigen Fällen zur Seite gelegt hat. Als Stellvertreter für ein ganzes Album zeigt die Nummer alle Trademarks, die man mit Petrucci, Portnoy und Co verbindet: Riffs und Leads, die sofort im Gehörgang kleben bleiben, Taktwechsel ohne den musikalischen Fluss zu stören, Soli zum Niederknien und das wohl einflussreichste Schlagzeugspiel seit der Erfindung der Gattung Prog Metal. Dass die Band es schafft, mit ihrem formelhaften Songwriting immer wieder bärenstarkes Material zu veröffentlichen, nötigt dem einen Respekt ab, der andere gähnt aufgrund fehlender Innovationsfreude. Auch daraus macht Portnoy keinen Hehl: Ihm ist (inzwischen) der Drive, die Musikalität wichtiger als absolutes Nerdtum in Sachen Makrotiming. In dieser Hinsicht hatte die Mangini-Ära tatsächlich einiges zu bieten.
"Parasomnia" wurde für die Bühne geschrieben, darum macht die Band auch keinen Hehl und der Kompositionsansatz ist auch nicht neu. Gleiches hatte James LaBrie auch schon über "Dream Theater" gesagt und wer so ausgiebig und ausdauernd tourt, hat auch ein gutes Gespür dafür, was live gut funktioniert. Kein Wunder also, dass 'Night Terror' bei den Shows so gut ankam wie viele altgediente Hits der Truppe. Auch beim groovigen Brecher 'Dead Asleep' oder der Powerballade 'Bend The Clock' kann ich mir sehr gut vorstellen, dass sie bei Konzerten gebührend abgefeiert werden. Neben der Livetauglichkeit und dem "klassischen" Songwriting gibt es noch eine dritte Dimension, die "Parasomnia" für mich wie ein Best-Of-Album klingen lässt: Diese Scheibe ist voller Selbstzitate. mal subtil in Form einer Akkordfolge, wie wir sie von den Musical-Anmutungen auf "The Astonishing" kennen, mal in Form von Melodien oder gar Textzitaten. 'The Shadow Man Incident' ist ein Füllhorn an "Scenes From A Memory"-Easter-Eggs und auch 'Midnight Messiah' hat einige Textpassagen für findige Ohren parat.
Was will man eigentlich mehr als ein cineastisches Over-The-Top-Prog-Metal-Album, das hervorragend produziert daherkommt und so ziemlich jedes Erfolgskalkül der letzten 25 Jahre der Bandgeschichte am Start hat? Ich mag "Parasomnia". Wenn ich es höre, halte ich es für die Perfektion des Stils, den das ikonische Quintett selbst erfunden hat. Es deckt die gesamte Bandbreite an Emotionen ab, es gibt ein Instrumental (das eröffnende 'In The Arms Of Morpheus' fungiert beinahe wie eine Opernouvertüre) und einen Longtrack ('The Shadow Man Incident' ist besser als alle Longtracks der Mangini-Ära mit Ausnahme des Titeltracks zu "A View From The Top Of The World"). Jetzt kommt das "aber": In meinen selbst auferlegten Hörpausen habe ich das Album nicht vermisst. Es gab nämlich nichts auf "Parasomnia", das ich mir erarbeiten musste. Das bedeutet nicht, dass es keine großen Momente gibt. Die finden sich zuhauf in beinahe jedem Song, aber diese Familienzusammenführung klingt so harmonisch, dass man sie als beinharter DREAM THEATER-Fan im Nu verinnerlicht hat.
Zusammenfassend kann ich nicht behaupten, enttäuscht zu sein. Aber nachhaltige Begeisterung sieht auch anders aus (und beginnt für mich bei meiner Lieblingsband bei genau 10/10 Punkten). Wenn dieses Album der Preis dafür ist, noch weitere unvergessliche Konzerte sehen zu können, wie jüngst in Köln und Frankfurt, bin ich aufgrund der natürlich vorhandenen Klasse gerne bereit, ihn zu bezahlen. Vielleicht verlässt die Band ihre Komfortzone nach diesem Album-Tour-Zyklus wieder, etwas beweisen muss sie schließlich lange schon nicht mehr.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Nils Macher