DREDG - El Cielo
Mehr über Dredg
- Genre:
- Progressive Rock
- Label:
- Interscope/Universal
- Brushstroke: DCBTFOABAAPOSBA
- Same Ol' Road
- Sanzen
- Brushstroke: New Heart Shadow
- Triangle
- Sorry But It's Over
- Convalescent
- Brushstroke: Walk In The Park
- 18 People Live In Harmony
- Scissor Look
- Brushstroke: Reprise
- Of the Room
- An Elephant In The Delta Waves
- It Only Took A Day
- Whoa Is Me
- The Canyon Behind Her
Oh ... ihr seid schon da? Äh, lasst mich wenigstens noch 'ne Hose anziehen und ... nein, das hatte keinen speziellen Grund. Ich weiß auch wirklich nicht, wie mir das passieren konnte. Also, ok ... ich hab' vielleicht die Zeit, meine Umgebung und das Universum für ein paaaaar Minuten ein wenig vergessen, doch hatte das einen guten Grund und der drehte sich nicht um Blondinen in Hot Pants. Ich glaube, ich habe vorhin auch Gott gesehen. Er schwebte einfach so durch's Fenster und verkaufte Popcorn und Afri-Cola. Ein sehr feiner Genosse, muss ich sagen, doch sollte er dringend mal zum Friseur gehen. Ich schweife wieder ab. Ihr wolltet sicher etwas über DREDG und deren Album "El Cielo" hören, eine ellenlange Rezension lesen und anschließend die CD beim Musikfachhändler eurer Wahl kaufen. Doch irgendwie bin ich seit dem Genuss eben dieser Scheibe aus dem Konzept. Gestern habe ich den Kaffee in den Trockner getan und anschließend das Wasser meiner Katze aus dem Napf getrunken. Wie ging das noch einmal mit so'ner Einleitung?
Dali, Salvador. Der zeitgenössische Spitzbart, welcher 1989 unsere profane Welt verließ, um sich die Radieschen von unten einmal genauer anzusehen (womöglich zu Studienzwecken), hinterließ in den 85 Jahren, in welchen er unter uns weilte, eine Vielzahl an Werken. Inspiriert von Sigmund Freuds Erkenntnissen bzw. Theorien auf dem Gebiet der Psychoanalyse und im Speziellen der Traumdeutung, zauberte Dali technisch virtuose Bilder, welche durch ihre abstrakt-assoziative Darstellung gelegentlich von Kunstbanausen auch einfach mit "Quatsch mit Soße" oder kurz und prägnant "Scheiße" betitelt werden. Dass der große bunte Klecks auf der Textilwand einen Sinn ergibt, wenn auch einen, den es zu erarbeiten, erfahren, erfassen gilt, daran denkt wahrscheinlich niemand, der seine Bierdosen auf einem dekorativen Helm mit sich spazieren trägt. Während die gesamte Menschheit solche Helden bejubelt, haben sich die vier Herren von DREDG bei einem gemütlichen Glas Rotwein (andere beflügelnde Dinge seien hier aufgrund des durchaus pädagogischen Wertes dieses Artikels nicht genannt) der Sache angenommen und bei Gott, sie haben ihre Sache phantastisch gemacht.
So, genug um das eigentliche Thema herumgekurvt: DREDG sind in persona Gavin Hayes, Gitarrist Mark Engles, Drew Roulette (b) und Dino Campanella (dr). Das Quartett formierte sich 1993 und alle Mitglieder kennen sich von der High-School, was normalerweise keine Qualitätsgarantie in musikalischer Hinsicht ist. Nicht so bei DREDG. Dass sich die Band nach ihrem ersten Demotape und der Euphorie, welche um sie in lokalem Rahmen herrschte (die Kaffzeitung nannte sie "Rockband des Jahres"), an die Arbeit zu ihrem Debütalbum "Leitmotif" machte, welches sich als ausgewachsenes Konzeptalbum herausstellte, war nur richtig und wichtig. Doch, was zum damaligen Zeitpunkt schon klar wurde: die Band hat einen eigenen charakteristischen Sound entwickelt, welcher sich zwischen progressivem Rock, Jazz und einer Prise Stoner-Qualitäten schlängelt, aber nie zum Plagiat ausufert. "El Cielo" wagt sich in ähnliche Richtung und bietet zudem eine wirklich gute Produktion, in der Drew Roulettes aufbauendes Bassspiel als auch die Gitarrenwände eines Mr. Engles ihre Beachtung finden. An und für sich kann man das Arrangement als außerordentlich zu bezeichnen wagen. Krumme Takte finden ihre Beachtung, sind jedoch nicht Selbstzweck für egozentrische Drummer. Die Stimmung wechselt sich von plätschernd-jazzig (versprengte Saxophone wurden gesichtet) zu watschelnd-rockig in Sekunden ('Whoa Is Me', mit tollen Drum'n'Bass-Einlagen), Ausnahmen sind die alle mit 'Brushstroke' betitelten Instrumentals sowie das ebenfalls ohne Gesang auskommende, südostasiatisch anmutende 'An Elephant In The Delta Waves'. Demjenigen, der sich hierbei an eine vor langer Zeit gelaufene Fernsehwerbung einer Fluglinie erinnert, wird die Musiklizenz entzogen, auf dass er seinen Lebtag lang seine Zeit mit Nö-Metal verbringen muss. Alles in allem steht das Traumhafte im Vordergrund, zu welchem Gavin Hayes mit seinem würdevollen Gesang sein Quentchen beizutragen weiß ('Sorry But It's Over', 'Scissor Look'). Dino Campanella reiht sich in den "weniger-ist-mehr-Reigen" ein und trommelt sich frank und frei in mein Herz, dass es nur so schmalzt.
Schön, schön, schön, denkt sich da der geneigte Leser und träumt schon von neuer leichter, musikalischer Untermalung für's abendliche Spaghettischälen, aber da habt ihr euch prächtig geschnitten. "El Cielo" ist nichts für einfache Geister und die sprachliche Darstellung der Band ist auf einem selten hohen Niveau. Und an diesem Punkt klärt sich auch auf, warum ich zu Anfang Herrn Dali um seinen Gastauftritt bemühte. Inspiration für das vorliegende Album ist, fachkundigen Quellen nach zu urteilen, nämlich Dalis Werk "Dream Caused By The Flight Of A Bee Around A Pomegranate One Second Before Awakening". Thematisch werden unter anderem Dinge wie "luzide Träume", der Moment des Aufwachens und andere Dinge behandelt, einige auf eher esoterischem Niveau, was sich jedoch nicht negativ oder kitschig auf das Gesamtwerk auswirkt. Dies erweist sich als wahrer Augenöffner für Menschen, die sich bewusst und zweifelnd mit allem befassen, was wir als gegeben und fest annehmen. Was sind Träume und wie stellen wir uns in ihnen dar? Was bleibt in ihnen zurück, wenn wir erwachen? Sind Träume eine andere Welt, unbeeinflusst der Realität? Fragen über Fragen. Was sage ich dazu? Booklet, hören, selber machen.
Fazit: "El Cielo" gibt sich als recht harter sturer Brocken Kunst zu erkennen, der erst einmal geknackt werden will, bevor er seinen süßen Nektar preisgibt (nein, das war keine sexuelle Anspielung). Die Idee hinter dem Album ist einzigartig und allein dies ist schon den Kauf wert. Die Verquickung von Malerei und Musik - daran sind schon einige, bekanntere Künstler gescheitert. DREDG liefern doch einen Beweis dafür, dass die Welt gut ist, dass das Hoffen eines unbedarften Rezensenten irgendwann erhört und von höheren Mächten wahrgenommen wird. Lasst euch erleuchten, lasst euch verzaubern und trinkt ein Glas Traubensaft auf die Herrschaften, auf dass sie lang leben und uns zukünftig mit weiteren solchen Glanzstücken erfreuen. Prost, Nasdarowje, Cheers!
Anspieltipps: Scissor Look, Of The Room, An Elephant In The Delta Waves, Whoa Is Me
- Redakteur:
- Lasse Rosenberger