DRUDKH - They Often See Dreams About The Spring
Auch im Soundcheck: Soundcheck 03/2018
Mehr über Drudkh
- Genre:
- Black Metal
- ∅-Note:
- 8.00
- Label:
- Season of Mist Underground Activists
- Release:
- 09.03.2018
- Nakryta Neba Burym Dakhom
- U Dakhiv Irzhavim Kolossyu
- Vechirniy Smerk Okutuye Kimnaty
- Za Zoreyu Scho Striloyu Syaye
- Bilyavyi Den’ Vtomyvsya I Prytykh
Ein ambitioniertes Konzept wird sehr eindringlich und mitfühlbar eingefangen.
Die sich gerne mit einem Hauch der folkloristischen Mystik umgebenden Ukrainer DRUDKH sind nun auch schon seit vielen Jahren eine feste Größe der schwarzmetallischen Zunft, und mit "They Often See Dreams About The Spring" schicken sie sich dazu an, ihren Anhängern zum elften Mal auf Albumlänge heimzuleuchten. Dass ihnen das gelingen wird, machen bereits die ersten paar Takte des Openers 'Nakryta Neba Burym Dakhom' klar, denn auch wenn DRUDKH niemals eine stagnierende Band war, die Experimente gescheut hätte, so verschieben die vier geheimnisvollen Recken aus Kharkiv die Parameter ihres Schaffens doch eher subtil und zaghaft. So sind es auch direkt der Klang der Gitarren und deren Art der Melodieführung, die gleich laut und vernehmlich "DRUDKH!" schreien. Flirrend, flächig, sphärisch und durchaus höhenlastig produziert, spricht das Klangbild ohne Umwände den Anhänger des atmosphärischen Black Metals an. Die gute alte BURZUM-Schule begleitet die Band seit Anbeginn, und so ganz wird sie sich hiervon nie lösen, doch das muss sie auch nicht, denn durch die stärkere Betonung folkloristischer Melodiefragmente, eine weitaus progressivere Spielweise und eine längst nicht so perseverative Abstraktion gerät die Band niemals in den Verdacht zu nahe an möglichen Vorbildern zu kleben.
Das Album über die Frühlingsträume zieht seine lyrischen und imaginativen Einflüsse, so wie dies bereits früher der Fall war, aus dem lyrischen Schaffen ukrainischer Dichter des zwanzigsten Jahrhunderts wie insbesondere dem 1937 mit nur 28 Jahren verstorbenen Bohdan Ihor Antonych, den im selben Jahr vom NKVD hingerichteten Majk Johansen, sowie Vasyl Bobynskyi und Pawlo Fylypowych; allesamt Vertreter der ukrainischen Literaturepoche der "Erschossenen Wiedergeburt", womit die Band an in den 1930er-Jahren während des so genannten "Großen Terrors" vom sowjetischen Geheimdienst ermordete oder in Gulags umgekommene Schriftsteller, Publizisten und Künstler der ukrainischen kulturellen Renaissance der 1920er Jahre erinnert. Entsprechend klingen die fünf Stücke, die alle eine Spielzeit von knapp sieben bis knapp zehn Minuten haben auch reflektiert, hintergründig, sehnsuchtsvoll und dramatisch, denn letztlich sind sie nicht nur von den Dichtern inspirierte Werke, sondern tatsächlich Vertonungen von deren Gedichten aus den Jahren 1917 bis 1936, mit welchen die damaligen ukrainischen Kulturschaffenden gegen die Unterdrückung und Gleichschaltung der Intelligenzia durch das kommunistische Regime aufbegehrten oder jene zumindest anprangerten. Vor diesem Hintergrund mag man verstehen, wie angemessen es sein kann, wenn etwa 'U Dakhiv Irzhavim Kolossyu' hart, aggressiv und anklagend aus den Boxen schreit, denn es bezieht sich auf ein Johansen-Gedicht mit dem Titel "Ich weiß: Ich werde sterben.".
Das schnelle Flirren und Klirren von "Vechirniy Smerk Okutuye Kimnaty", das dennoch vornehmlich schwebende Anmut und Sehnsucht versprüht, doch auf der anderen Seite auch Hoffnungslosigkeit und Angst, lehnt sich an Vasyl Bobynskis "Abendmelodie" an und auch hier wird die Stimmung treffend eingefangen. In dieser Weise ergehen sich auch die übrigen beiden Stücke emotional sehr tiefgründig und packend in einem Wechselbad der Stimmungen zwischen Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit bis hin zu Trotz und Beharrlichkeit. Dabei ist die neue Scheibe auf jeden Fall atmosphärischer und weniger dunkel als ihr direkter Vorgänger, aber auch nicht von einer schwebenden, psychedelischen Leichtigkeit wie etwa das 2010er-Werk "Handful Of Stars". "They Often See Dreams About The Spring" ist ein Werk, das sich sehr nahtlos in das Schaffen der Band einfügt und alle Markenzeichen in deren Sound aufweist; hier geht es ein paar Schritte zurück in Richtung des nordischen Rasens der frühen Werke, an anderen Stellen jedoch tangiert es auch die progressiven Elemente späterer Phasen, ohne sich allzu sehr auf eine der Facetten des DRUDKH-Universums festzulegen. Insgesamt ist es hierbei jedoch eher konservativ als fortschrittlich, denn es geht von den progressivsten Momenten des Bandgeschichte eher zurück in wurzelnahe Bereiche als dass es DRUDKH weiter von selbigen weg führen würde. Letztlich gelingt es der Scheibe jedoch genau damit, das lyrische Konzept auch musikalisch widerzuspiegeln. Aus einem Zustand der Hoffnungslosigkeit heraus, blickt es sehnsuchtsvoll auf jene, die von der doch irgendwie unerreichbaren Hoffnung träumen. Ein ambitioniertes Unterfangen wird hier von DRUDKH sehr eindringlich und mitfühlbar eingefangen.
- Note:
- 8.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle