EINHERJER - North Star
Auch im Soundcheck: Soundcheck 02/2021
Mehr über Einherjer
- Genre:
- Viking Metal / Black Metal
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Napalm Records / Universal Music
- Release:
- 26.02.2021
- The Blood And The Iron
- Stars
- West Coast Grove
- Ascension
- Higher Fire
- Echoes In Blood
- Listen To The Graves
- Chasing The Serpent
Der Soundchecksieger kommt verdientermaßen aus Haugesund an der norwegischen Westküste.
Wurde das Quartett aus Haugesund zu Anfang seiner Karriere ob eines sehr raubeinigen und bisweilen derb wirkenden Musikansatzes gerne mal skeptisch beäugt oder gar belächelt, so haben Grimar, Ulvar & Co. durch beharrliche Arbeit und unbeirrtes Festhalten an ihren ureigenen Markenzeichen ihre Band EINHERJER nicht nur etabliert, sondern zu einem der eigenwilligsten und respektiertesten Standards im Viking Metal gemacht. Das zeigt sich durchaus auch daran, wie das Schaffen der Band bei uns im Magazin angekommen ist. War die Resonanz 2011 noch recht durchwachsen, so näherte sich die Band immer mehr an die Stockerlplätze an, und nun - ihr ahnt es - ist es passiert: Das achte reguläre Studioalbum "North Star" schafft es nicht nur aufs Treppchen, sondern kommt als Soundchecksieger im Februar 2021 ins Ziel.
Ehre, wem Ehre gebührt, mag man an dieser Stelle sagen, denn "North Star" ist wirklich ein ganz fantastisches Album geworden, das letztlich die Trademarks der Band hervorragend repräsentiert, ja sogar perfektioniert, und nahezu alle Ansatzpunkte für Kritik ausmerzt, die manch Nörgler in der Vergangenheit noch gefunden haben will. Wenn ich von den Trademarks der Band rede, dann meine ich damit vor allem ihren mörderischen Groove, die nackenbrechende Rhythmusarbeit, den erbarmungslos nach vorne marschierenden Drive und die hölzerne Attitüde. Hölzern, mögt ihr fragen? Ist das nicht unfair zu behaupten? Nein, denn obgleich dieses Attribut semantisch eher negativ besetzt sein mag, so ist es doch genau das, was in meiner Wahrnehmung EINHERJER im positiven Sinne treffend beschreibt. Einerseits präsentiert sich die Band zu jeder Zeit bodenständig, tief in ihrer Heimat Rogaland und in ihrer nordischen Kultur verwurzelt, unverrückbar, stoisch und geduldig wie ein Jahrhunderte alter Baum, andererseits pflegt sie ihre Kunst wie ein Holzbildhauer, der sein Werkstück sowohl grob mit dem Beil behauen als mit feinem Werkzeug glätten und verzieren mag.
So ist "North Star" ein sehr trocken und erdig produziertes Werk, wie wir es von EINHERJER gewohnt sind, auch die dunkel grollende Stimme von Frode "Grimar" Glesnes tut ein Übriges, um diese natürliche Erdigkeit zu verstärken. Zwar fällt auf, dass er dieses Mal überraschender Weise sämtliche Texte in englischer Sprache dargibt, was ich als riesiger Fan der norwegischen Sprache ein wenig schade finde, doch ich muss ehrlich zugeben, dass diese Entscheidung weder den Fluss des Albums noch dessen Ausstrahlung negativ beeinträchtigt. Auch auf Englisch ist EINHERJER noch durch und durch Viking Metal, durch und durch Haugesund.
Das Album enthält insgesamt acht neue Songs, die sich auf die Spielzeit einer knappen Dreiviertelstunde erstrecken, und schon der Opener 'The Blood And The Iron' macht klar, dass EINHERJER genau dort weiter machen möchte, wo die Band mit "Norrøne Spor" aufgehört hat. Es findet sich nach wie vor jede Menge traditioneller Heavy Metal in ihrem eigenwilligen Sound, doch auch die aus der eigenen Frühzeit entsprungenen Wurzeln aus Black Metal und einer dezenten Folkigkeit bleiben erhalten. Der Opener verbindet diese Elemente vollendet: Nach einem drückenden, atmosphärischen Einstieg schwarzmetallischer, flirrender Prägung, geht das Stück ansatzlos in einen Nacken knackenden Groove über, der Vers ist hämmernd, fast industrialartig, mit einem auf den Amboss schlagenden Hammer, der Refrain erhaben, episch; dazu gibt es ein sich toll einfügendes traditionelles Heavy-Metal-Solo von Ole Sønstabø. Besser hätte die Eröffnung nicht gelingen können.
Zum folgenden 'Stars' hat die Band einen ansprechenden Videoclip gedreht, den ihr im Anschluss an dieses Review finden könnt. Ein von ambienten Sphärenklängen eingeleites Rhythmusmonster, bei dem Gerhard "Ulvar" Storesund uns eindrucksvoll seinen Punch, seine Dynamik und seine interessanten Fills präsentiert; das aber dennoch auch auch mit großen Melodien der Herren Sønstabø und Enge an den Klampfen, sowie perfekt sitzenden Breaks und Stimmungswechseln und monströsen Hooks des Refrains überzeugen kann. Wäre es möglich, dann würde ich sagen, dass 'West Coast Groove' dem noch eins draufsetzt, doch das ist auf dem vorgelegten Niveau einerseits schwierig, und andererseits würde es der Tatsache nicht gerecht, dass dieser Song einen gänzlich anderen kompositorischen Ansatz verfolgt als der Vorgänger. Das Stück ist quasi EINHERJERs lokalpatriotische Hymne an sich selbst: Sie sind der Groove von der norwegischen Westküste, und das demonstrieren sie mit einem eindringlichen Rocker, der den Rogaland-Lemmy Grimar an Bass und Mikro voll in den Fokus rückt und einen unwiderstehlichen Drive entwickelt, wie es sonst nur MOTÖRHEAD-Klassiker wie 'Orgasmatron' oder 'Deaf Forever' vermögen.
Erneut von traditionellen Metal-Einflüssen geprägt muten die Gitarren auch bei 'Ascension' an, das Sønstabø viel Raum für seine Lead- und Soloarbeit lässt, aber auch die Riffs von Tom Enge wirken lässt. Grimar lässt seine Stimme hintergründig und finster grollen wie es Abbath nicht besser hinbekommen könnte, und wie auf den Schrei "Firestorm!" direkt ein flächiger Sound den Boden für geniale Drum-Rolls und einen beeindruckenden Rhythmuswechsel von Storesund bereitet, ist richtig großes Ohrenkino. Etwas konventioneller scheint dann zunächst das stampfende 'Higher Fire' aus den Boxen zu grooven, doch auch hier flackert immer wieder besondere Liebe zum Detail auf; seien es einige unscheinbare und doch wirkungsvolle Bass-Licks von Grimar, oder ein paar Rolls und Fills von Ulvar, die ein ultra-tightes und doch verspieltes Grundgerüst für eine ganz traditionelle Heavy-Metal-Hymne schaffen, die samt ausgedehntem Gitarrensolo auch eine coole US-Metal-Nummer abgegeben hätte, wäre da nicht Grimars Stimme, die eben unverkennbar EINHERJER ist.
Damit nähern wir uns dem letzten Drittel des Albums, das schon bis hierhin stark in Richtung "Volltreffer" tendiert, doch wenig überraschend hält die Band dieses Qualitätslevel recht mühelos bis zum Ende durch. 'Echoes In Blood' ist dabei noch am ehesten an die etwas folkiger und schwarzmetallischer ausgerichtete Frühphase des Quartetts angelehnt, doch auch hier gelingt der Band das Herausarbeiten ihrer gleichzeitig erdig-basischen wie verspielt-progressiven Noten, etwa wenn sich die Jungs bis fast in eine Generalpause einreduzieren, um dann langsam wie Phoenix aus der Asche in einem wilden Spiel aus Rhythmus und Leadgitarre aufzuerstehen. Was für ein Song! Was für ein Text! Was für Hooks!
Getragener, epischer, dunkler und im Einstieg auch deutlich doomiger geht es dann bei 'Listen To The Graves' zu, neben 'West Coast Groove' das am stärksten von Glesnes' Bass geprägte Stück, der durch seine teils etwas beschwörendere Gesangsdarbietung auch dem lyrischen Inhalt gerecht wird, aber auf diesem Album ganz allgemein seinen im technischen Sinne sicherlich limitierten Gesang unglaublich vielseitig, eindringlich und, ja, auch melodisch in dem Sinne einsetzt, dass er wirklich markante und prägnante Hooks liefert. Weiterer Glanzpunkt des Stücks ist das perfekte Soloduell zwischen Frode Glesnes am Bass und Ole Sønstabø an der Leadgitarre, das so ähnlich auch zwischen den Herren Friedman und DeMaio in den frühen Achtzigern hätte stattfinden können.
Dass ich ein wenig ins Schwärmen geraten bin, ist euch aufgefallen? Ja? Gut. Danke, dass ihr so lange dabei geblieben seid. Einer kommt noch, und wie ihr euch denken könnt, hat sich die Band für den Schluss keinen schwächeren Song aufgehoben: 'Chasing The Serpent' steigt mit einem Riff ein, wie wir es auch bei DIO zu Zeiten von "Holy Diver" hätten finden können, und auch im weiteren Verlauf zeigt das Stück eine sehr epische Seite von EINHERJER mit der sich die Haugesund-Squad ein wenig an ihre nördlichen Nachbarn von HELHEIM und ENSLAVED aus Bergen annähert, ohne dabei auch nur einen Hauch des typischen EINHERJER-Stils zu verleugnen. Diese Assoziation verstärken auch einige Synth-Parts. Ein etwas außergewöhnliches Stück, aber dennoch, oder gerade deswegen ein sehr spannender und gelungener Abschluss für "North Star".
So bleibt ein nahezu perfektes Album, mit dem jeder EINHERJER-Fan sehr glücklich werden sollte, und das von mir nur deshalb einen halben Punkt abgezogen bekommt, weil ich dann doch gerne wenigstens einen Song auf Norwegisch gehabt hätte. Der Soundchecksieg ist aus meiner Sicht also völlig verdient, und ich hoffe, dass ihr so viel Freude mit "North Star" haben werdet, wie ich sie schon habe.
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle