EKTOMORF - Destroy
Mehr über Ektomorf
- Genre:
- Thrash Metal
- Label:
- Nuclear Blast
- Release:
- 08.03.2004
- I Know Them
- Destroy
- Gypsy
- No Compromise
- Everything
- From Far Away
- Painful But True
- Only God
- You Are My Shelter
- A.E.A.
- From My Heart
- Tear Apart
EKTOMORF sind augenblicklich für die Metalwelt das, was die BEATSTEAKS für die deutsche Rockszene sind. Die Band der Stunde! An ihnen kommt man im Moment einfach nicht vorbei. Dabei liegt es im Falle von EKTOMORF wahrscheinlich mehr an der brachialen Live-Präsenz. Und doch kann die Basis dafür nur ein starkes Album sein. Und dieses hört auf den Namen "Destroy". Nomen est omen, möchte man meinen, denn selten hat man eine solch fette Produktion gehört. Doch haben die vier Ungarn mit allerhand Vorurteilen zu kämpfen. Mangelnde Eigenständigkeit, kaum Wiedererkennungswert, und alles immer wieder im Zusammenhang mit den altbekannten Vergleichen der großen Vorbilder SEPULTURA und SOULFLY. Und trotzdem ist EKTOMORF "the next big thing". Die Band gibt es nämlich nicht erst seit gestern, sondern kann bereits auf vier Alben vor(!) dem Major-Debüt zurückblicken, und hat in dieser Zeit schon einige Stiländerungen durchgemacht. Doch der Wechsel zu Nuclear Blast hat wirklich Wunder gewirkt, denn man macht speziell vom vorletzten Album "I Scream Up To The Sky" hin zum aktuellen Sägeblatt "Destroy" große Sprünge nach vorn.
Bevor man aber über diese Band urteilen kann, sollte man sich bewusst machen, womit man es zu tun hat. Die Vergleiche mit SEPULTURA sind schon so ausgelutscht und ausdiskutiert, dass man sie kaum noch erwähnen muss. Viel zu offensichtlich, als dass man darüber noch großartig Worte verlieren sollte. Ignorieren kann man es nicht, aber wer mit dem Kopie-Denken an die Platte herangeht, wird scheitern, und ganz sicher nicht wirklich verstehen, was er hört. Seine gesamte Stärke offenbart dieses Album nämlich erst losgelöst von den ständigen Vergleichen.
Der Opener 'I Know T(h)em' ist auch gleichzeitig die Single und kann gerechtfertigterweise als eines der stärksten Lieder des Albums genannt werden. Dieser sowie der Titeltrack 'Destroy' und das dritte Lied 'Gypsy' nehmen sich so gut wie nichts und sind ungemein starke, kompakte Tracks. Besonders 'I Know Them' und 'Destroy' bewegen sich auf fast gleicher Ebene. Dennoch ist jeder Song für sich ein grandioses Stück Musik. EKTOMORF beherrschen es, Wut, Melodie und Geschwindigkeit unter einen Hut zu bringen. Im Vergleich zu SOULTURA verleiht ihnen besonders Letzteres sehr viel mehr Konsequenz.
'No Compromise' scheint ein Motto für die Produktion des Albums gewesen zu sein, denn sowohl Sänger Zoltan Farkas als auch der musikalische Weg der Tracklist machen keine Gefangenen. Mal abgesehen von dem textlosen 'From My Heart' gibt man sich instrumental nicht die Blöße, auch nur einmal weich zu werden. Umso überraschend verletzlicher erscheinen die Texte. Mit einer "Das Leben ist schlecht, aber das ist mein Leben und ihr kriegt mich nicht kaputt"-Attitüde schreit Farkas in die Welt hinaus. Das ist ganz sicher nichts Neues, doch die Art, wie er es macht, die Leidenschaft, mit der er seine Worte unterstreicht, bildet nur einen kleinen Teil dessen, was einen Großteil des Erfolgs dieser Band ausmacht: Glaubwürdigkeit durch Ehrlichkeit. Und das ist es, was EKTOMORF weit über Kollegen wie zum Bleistift KORN hebt, die rein imagemäßig immer wieder Gitarren, schwer wie Güterzüge, und Texte im Einheitstempo bringen müssen, um irgendwie melancholisch und depressiv zu wirken. Bei EKTOMORF erscheint die allgegenwärtige Härte angesichts der Texte legitim. Und beißt sich nicht mit dem Auftreten und dem Status der Band.
Doch zurück zu den eigentlichen Liedern. Denn dort hat man sich nicht nur bei der Tracklist gut beraten lassen. Während nach den beiden Singles die Lieder clever immer wieder so angeordnet werden, dass Tempo und (leichte) Härtewechsel für viel Abwechslung sorgen, kann man in jedem Lied mindestens einen Widerhaken-Moment ausmachen. Stellen, die einem unbedingt im Gedächtnis bleiben. Und solange sich noch nicht der Rest des Liedes eingebrannt hat, sind diese Kleinigkeiten der Garant dafür, dass die Scheibe weiter rotiert. Allein die Ausklänge von 'Gypsy' und 'Everything' sind so simpel wie genial und fast jedes Lied hat eine Stelle, die schlicht zum Mitsingen zwingt.
Mit 'From Far Away' kommt es zu einer ersten Verschnaufpause für den Hörer. Zwar lässt die Härte nicht nach, jedoch das Tempo. Wirklich gut tut dieser Song allerdings nicht. Auch wenn er, besonders zum Ende hin, wirklich nicht schlecht ist. Doch er offenbart eine Schwäche der Band, die bis dato einigermaßen verschweigbar war: die Lyrics! Die Herkunft des Quartetts bringt nämlich nicht nur Vorteile. Zwar ist die sprachliche Macke des Sängers das "th" als "t" zu sprechen, so cool wie auffällig, doch die Tatsache, dass sie aus Ungarn kommen und somit aus einem eher seichten Pool englischer Wortgewandtheit fischen müssen, fällt ihnen spätestens jetzt auf die Füße. Anerkannterweise sind nun mal die Worte "right", "life", "hypocrites", "away", "envy", "everyt(h)ing" und "fight" die absoluten Lieblingsworte des Frontmanns. Und leider kann es nicht sein, dass man ein in der Länge zum Bombast-Metal neigendes Stück textlich auf exakt zehn (!) verschiedene Wörter limitiert. Das war gar nix, und wäre, wenn es ansonsten nicht gut musiziert wäre, ein echter Reinfall. Andererseits ist es der beste Beweis dafür, dass dieses Album sich kaum auf den Text stützten will, geschweige denn kann. Damit muss man sich abfinden oder spätestens an dieser Stelle aufgeben. Denn es schließen sich Lieder an, die in ihrem Titel auch gleich mal 90 Prozent des Refrains verraten. Aber EKTOMORF darf das, weil EKTOMORF noch major-mäßig jung sind, und die großen Vorbilder sich das heute noch trauen. Außerdem greift man erfreulicherweise von nun an in immer krasseren Unterschieden mal zum Presslufthammer und mal zur Harfe. Mit 'Painful But True' kommt die Beschleunigung, die sich bei 'Only God' in einem punk-angehauchten Hardcore-Stück entlädt. Auch wenn die religiöse Botschaft etwas nervt, dieser Song macht alles platt.
Die anschließende zweite Luftholpause klappt dann auch schon um Längen besser. Die Tonnenschweren Gitarren von 'You Are My Shelter' erinnern fast an das endfette 'Roarboat' vom letzten COAL CHAMBER-Album (R.I.P.!) und dahinter verbirgt sich einer der längsten Texte des Albums. Und wenn die kratzig schreiende, klagende Stimme schmerzverzerrt und flehend singt "Give me your hand, I need your help …", dann ist jener Moment da, wo es einem kalt den Rücken herunter läuft, man seelisch die Hand ausstreckt und Einzug in die Welt von EKTOMORF hält.
Dann braucht eigentlich kaum noch Überzeugungsarbeit geleistet zu werden. Zwar sinkt das Text-Niveau bei 'A.E.A' fast wieder gegen null, aber immerhin ist es was zum Mitgrölen. Und die kleine Selbstbeweihräucherung "Ektomorf forever" ist eher cool als arrogant. Mit 'From My Heart' hätte man den Hörer dann mit den guten alten Roots in einen tiefen seligen Schlaf entlassen können. Doch das wäre nicht stilecht gewesen und hätte auch gar nicht zum Wechselbad-Trend gepasst, der von Lied zu Lied immer derber wird. Also hängt man mit 'Tear Appart' noch eine kleine waschechte Hardcore-Nummer dran, alle sind glücklich und die Nase gebrochen.
Für alle, die ihre CD erst aus einer Pappschachtel nehmen mussten, ist hier noch nicht ganz Schluss. Quasi als kleiner Beweis, dass die Band keine Eintagsfliege ist, werden hier noch mal drei Bonustracks angehängt, die roher sind als ein Sack Kartoffeln. Als Querschnitt der letzen acht Jahre gedacht, kann man daraus kaum mehr feststellen, als dass die eben noch für herrlich roh gehaltenen Lieder des Albums ganz schön geschliffen sind, wenn man es in der richtigen Relation sieht. Aber zu hören, woraus Gold entsteht, ist auch nicht verkehrt. Einzig die bis zu einer Minute dauernden Gitarreneinstellungsgeräusche nerven etwas.
Fazit: EKTOMORF ist was für SEPULTURFLY-Fans, ob zum Lieben oder Hassen. Aber ganz sicher auch für Leute, die mit dem Tribal-Metal von Cavalera nichts am Hut haben. Wer genug Geduld aufbringt, sich mit dem Album auseinander zu setzen, wird immer weniger Parallelen nach Brasilien ziehen können und findet ein Album, das hart ist ohne Ende und dabei fast ohne DoubleBass auskommt.
Kaum ein Album ist so gut und gleichzeitig noch so ausbaufähig. Allein lyrisch kann man es in Zukunft nur besser machen, doch hoffentlich, ohne die klaren Intensionen aus den Augen zu verlieren. Was man wirklich schon ganz schön vermisst, sind ein paar Gitarrensoli. Einzig auffällig ist eines in 'No Compromise', was den Song letztlich zu einem der besten des Albums macht. Mit Soli kommen Melodien, und man würde zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.
Wer endlich mal wieder eine Band haben will, die still powert, statt große Töne zu spucken, nur um dann bei 'St. Anger' live den DoubleBass-Part wegzulassen oder nach 'Right Now' unters Sauerstoffzelt zu verschwinden, der ist hier genau richtig.
Nur weil man einen Musikstil nicht erfunden hat, kann man trotzdem der Beste darin sein. EKTOMORF sind auf Kurz oder Lang gekommen, um die anderen Helden abzumelden!
… und wir bleiben (des)troy!
Anspieltipps: Destroy, No Compromise, Only God, You Are My Shelter
- Redakteur:
- Michael Langlotz