EKTOMORF - Instinct
Mehr über Ektomorf
- Genre:
- Thrash Metal
- Label:
- Nuclear Blast
- Release:
- 28.03.2005
- Set Me Free
- Show Your Fist
- Instinct
- Burn
- The Holy Noise
- Fuck You All
- United Nations
- Land Of Pain
- I Break You
- You Get What You Give
- Until The End
- I Will
Wer glaubte, dass der Wutausbruch von EKTOMORF mit dem brachialen "Destroy"-Album platt gewalzt wurde, fühlt sich spätestens mit der brandneuen "Instinct" an die Wand getackert. Aber sind wir mal ehrlich, wer hätte von den charismatischen Ungarn schon etwas anderes erwartet? Dennoch werden sich an diesem Album die Geister scheiden. Die Kritiker, die schon seit dem Erfolg des Major-Debüts "Destroy" der Band Plagiatentum vorwerfen, werden ihr Angriffsfeld darauf erweitern, dass die "Instinct" wiederum eine Kopie der "Destroy" sei, während treue Fans das Album als ebenso bodenständig wie die Band ansehen und eher "traditionell" nennen werden.
Die Skepsis vor und die Kritik nach dem Album ist jedenfalls angebracht, denn lauscht man dem Album ein erstes Mal, so werden sowohl die Erinnerungen an SOULFLY als auch an das Debüt "Destroy" wach. Dennoch ist es vor allem eines nicht: motivationslos! Auch dieses Album kommt, wie alles von EKTOMORF, aus tiefstem Herzen.
Ja, es gibt ihn, den typischen EKTOMORF-Song. Er hat die Geschwindigkeit von 'I Know Them', einen Knüppelpart à la 'Everything', einen schweren Moshpart, ein wenig Folklore, mit ganz viel Glück sogar ein kleines Gitarrensolo und handelt lyrisch den eigenen Befreiungsschlag und den Hass auf das heuchlerische Gegenüber ab. Auf der neuen Scheibe "Instinct" wird diese Definition kaum, aber immerhin ein wenig verändert. Statt den Anker zu werfen und das Lenkrad herumzureißen, treten EKTOMORF das Gas noch mehr durch. Stumpfe Knüppelangriffe finden sich nun viel gehäufter, und die allgemeine Geschwindigkeit der Tracks liegt deutlich über der des Major-Debüts, wodurch auch die knackige Laufzeit des Albums von 43 Minuten zu erklären ist.
Hatte man sich für die Eröffnung der "Destroy" mit heimatlichen Gesängen noch Zeit gelassen, so kommt der diesjährige Opener 'Set Me Free' ohne Umschweife auf den Punkt. Mit quietschenden Gitarren und der altbekannt brachialen Stimme von Zoltàn Farkas prügelt dieses Lied sich seinen Weg. Für die ersten traditionellen Klänge Ungarns ist erst danach bei 'Show Your Fist' Platz. Zwischen fetten Gitarren und grollender Stimme mischt sich die Folklore des Vaterlands, zu dem man doch ein so zwiespältiges Verhältnis hat. Dass dieses Stück live auf die so schon abgefahrene Intensität dieser Band noch einen draufsetzen wird, ist so sicher wie das Einschlafen in der Kirche.
Die Leadgitarre wirkt beim Opener 'Set Me Free' und 'Show Your Fist', erinnernd an "I Scream Up To The Sky"-Zeiten, etwas mehr in den Vordergrund gerückter. Auf das erste Gitarrensolo muss man allerdings bis zum Titeltrack 'Instinct' warten. Wobei man bei EKTOMORF immer froh sein kann, überhaupt etwas Ähnlichem zu begegnen. Dafür ist der Track aber mehr als ordentlich geworden. Treibend, mit ansteckendem Refrain, dem genannten Gitarrensolo und nicht zuletzt einen ordentlichen Knüppelpart am Ende, zeichnet er sich bis dato als eindruckvollstes Lied ab.
Wirklich bedeutend Neues kommt jedoch erst mit 'The Holy Noise', das in seiner gesamten Machart aus dem Rahmen fällt. Statt permanent verzerrten Gitarren und einem Einheitstempo à la KORN, präsentiert man sich in funkenüberspringen-lassender Abwechslung. Weniger ist hier mehr. Der Soundteppich wird zerhackt, und das Lied getragen von den mitreißenden Aufforderungen des Frontmanns. Aus der Dose eingenommen, wird dieses Lied die Metalgemeinde (tanz)flächendeckend zu lasziven Verrenkungen zwingen, während man live dem Aufruf "Let's smash together!" unweigerlich und ohne an die Konsequenzen zu denken Folge leisten wird. Spätestens ab diesem Lied ist einen dann auch völlig egal, dass sich Texte wie "Come on move, we give you the groove!" auf LIMP BIZKIT-Niveau bewegen. Wer dieses Lied und die Energie, die es versprüht, nicht fühlen kann, ist scheintot.
Von da an schafft man es, sich auch eine ganze Weile lang vom Reißbrett zu lösen. So folgt der künftigen Clubhymne ein lyrisch sehr sinnfreier Thrash-Punk-Song namens 'Fuck You All'. Der, wenngleich er lyrisch schon vorm Hören verloren hat, dem Schokotörtchen, das zuvor die "Destroy"-Geburt 'Only God' kredenzt hatte, noch das Sahnehäubchen aufsetzt. Schade ist da nur, dass man für den Refrain das Tempo zu sehr herausnimmt.
Das Monument von einem Lied 'United Nations' zeigt sich kritisch an internationalen Zuständen, beginnt dabei mit schwerfälligem, instrumentalem Doom, geht über in den typischen Midtempo-Song und schließt mit schnellem Geknüppel ab.
Nach der kurzen und einzigen Verschnaufpause namens 'Land of Pain', in welcher man nun auch wieder der Heimat huldigt, geht es zurück in das vertraute Fahrwasser. Aber immerhin findet sich in drei der vier verbleibenden Lieder eine Art Gitarrensolo. Am ansteckendsten sind davon noch 'You get What You Give', weil es besonders zum Ende hin sehr treibend wird, und last but not least das unbändige 'I Will'. Letzteres ist dafür, dass es das Album abschließt, schon fast zu fett und mauerneinreißend. Mit einer Kraft, die kein Lied dieses Albums bisher freisetzte, prügelt sich Farkas hier stimmlich in einen Rausch und bereitet ein musikalisches Massaker zum großen Abschluss der "Instinct".
EKTOMORF haben im Vorfeld dieses Albums viel richtig gemacht. Auf ihren Live-Gigs haben sie ein glückliches Händchen bewiesen, indem sie die brachialsten Lieder ihres neuen Albums in die Setlist aufnahmen. Damit sicherte man sich schon vor dem Release eine gute Grundstimmung. Zu diesen Liedern konnten sie nun noch ein paar fette Bretter hinzufügen, wenngleich das Album definitiv nicht ganz überzeugen kann. Zu gleich fallen die Lieder aus, zu stumpf wirken die Speedparts und zu monoton ist die Stimme von Zoltàn auf die Gesamtlaufzeit bezogen. So wünscht man sich zum Beginn von 'You Get What You Give', wenn ein kurzes "Check it out" zu hören ist, das man bei EKTOMORF nur einmal etwas experimentieren und vielleicht mal mit Sprechgesang arbeiten würde. Dass das Potenzial dazu da ist, beweisen kleine Gigs des letzten Jahres, wo auch Tamas mal hinter dem Mikro zu finden war.
Das Hauptproblem plagte schon jede Band, die ein eindruckvolles (Major)-Debüt hingelegt hat. Man muss versuchen, nicht am Erfolg der ersten Platte zu zerbrechen. Stagnation ist da kein guter Ratgeber. Hätte es die "Destroy" nie gegeben, würde dieses Album einschlagen wie eine Bombe. Doch klingt es auch noch so sehr danach, es gibt schon Unterschiede zum Vorgänger. Der bereits erwähnte Anzug des Tempos zum Beispiel. Auch zeigen sich die Ungarn textlich nunmehr viel weniger verletzlich und umso mehr wütend. Leider ist die lyrische Gesamtthematik mit Heuchlerhass, einem Spritzer Sozialkritik und Selbstbefreiung dennoch weitestgehend gleich geblieben. Dafür hat man jedoch dazugelernt, wie gut die Knüppelparts des ersten Albums angekommen sind. Außerdem hat man weitaus mehr Lieder mit melodie-verwurzelten Gitarrensoli ausgestattet. Die Gypsy-Einflüsse wirken wohl dosiert. Solange diese nicht weniger werden, ist es genau richtig.
Man sollte bei diesem Album, und da sie ja noch eine majormäßig junge Band sind, ein Auge zudrücken. Man schuf einige nicht zu unterschätzende, fette Lieder im gewohnten Stil, an denen man besonders Live seine helle Freude haben wird und mit denen man viele neue Fans bekommen wird. Bedenkt man, dass die Ziehväter SOULFLY es schon lange nicht mehr so gut können, ist es für EKTOMORF mit diesem Output möglich, den Thrash-Metal-Thron zu verteidigen. Die Abwechslung, die sich viele bei diesem Album bereits gewünscht haben, ist ausgeblieben. Beim nächsten Mal wird man diese verlangen. EKTOMORF ist dennoch zuzutrauen, einmal ein größeres Erbe zu hinterlassen als SOULFLY. Und ohne ihnen eigene Schaffenskraft absprechen zu wollen: Man denke sich nur aus, was wäre, wenn dieser Band einmal die Gastmusiker so zulaufen würden wie Mr. Cavalera. Dann, ja dann könnte man diesen Jungs eine neue "Primitive" zutrauen.
Anspieltipps: The Holy Noise, Instinct, You Get What You Give, I Will
- Redakteur:
- Michael Langlotz