ELIS - Griefshire
Mehr über Elis
- Genre:
- Gothic
- Label:
- Napalm Records
- Release:
- 24.11.2006
- Tales From Heaven Or Hell
- Die Stadt
- Show Me The Way
- Brothers
- Seit Dem Anbeginn Der Zeit
- Remember The Promise
- Phoenix From The Ashes
- How Long
- Innocent Hearts
- Forgotten Love
- The Burning
- A New Decade
Erfahrenen Gotikern wird die Band ERBEN DER SCHÖPFUNG durchaus ein Begriff sein. Aufgemerkt auch, dass sich in der Zusammensetzung der Nachfolger namens ELIS Schweizer und Liechtensteiner finden. Exotisch. Aber vor allem tragisch. Denn kurz nachdem die Sängerin Sabine Dünser die Gesangsspuren zum neuen Album 'Griefshire' fertig gestellt hatte, verstarb sie an den Folgen einer Gehirnblutung. So ein Schock ist unüberwindbar und so manche Band ist nach solchem Schlag sofort auseinander gebrochen. Die verbliebenen Instrumentalisten Pete Streit, Tom Saxer, Christian Gruber und Max Näscher beendeten trotz dieses Rückschlags das nun vorliegende Album. Nach dem Ableben eines jeden Künstlers entgeht unsrer Welt immer auch potentiell beste Musik. Das ist leider aber auch der Lauf der Dinge.
Angesichts eines solchen Ereignisses und angesichts der Tatsache, dass ich persönlich mit den allermeisten Gothic-Bands wenig anfangen kann, bringe ich meine Grundkritik kurz gleich zu Beginn vor. Ich halte 'Griefshire' für halbrund und nicht so vollends gelungen. Laut Hintergrundinfo ist ein ganzes, von Sabine Dünser entworfenes strategisches Konzept dem ganzen Schaffen der Band vorgeschaltet. Dieses ist übrigens nachzulesen an folgender Stelle.
Die Themen dort sind nicht nur auf der dunklen Seite der Musik omnipräsent. Religiosität und die Suche nach Allmenschlichem wie Erlösung oder ewiger Wahrheit und vielleicht sogar Liebe und Glaube bestimmt jedwedes Tun. Die einzelnen Versatzstücke dieser Gesamtgeschichte werden in konventionelle Liedlängen eingezwängt, was dem geschlossenen Rundum-Anspruch etwas abträglich entgegen läuft. Ich vermute, dass eine Art Konzeptalbum mit verbindenden Übergängen zwischen den Teilen/Songs vielleicht angebrachter gewesen wäre. Ich persönlich empfinde, damit besser in dieses gesamte fiktive Konstrukt eindringen zu können. Wahrscheinlich nur, weil der Mensch mit in sich geschlossenen Geschichten besser leben kann. Aber leider fehlte ja bei diesen potentiellen Entscheidungen die Erschafferin und Mutter des Ganzen. An Phantasie fehlt es dem Quintett definitiv nicht. Der zweifache kurzzeitige Wechsel vom Englischen zum Deutschen in 'Die Stadt' und 'Seit dem Anbeginn der Zeit' bedeutet ja auch den gekonnten Umgang mit dem Deutschen als Instrumentarium, in dem man wunderbar lyrisch versinken kann. Jetzt, als ich die sehr schöne klare Stimme Sabine Dünsers höre, wird mir auch erst einmal bewusst, wie vergänglich das alles eigentlich ist. Es gibt jetzt dieses Album, aber nie und nimmer kann man sich das Ganze live genauso ansehen. Dafür aber unterhält 'Griefshire' durchweg mit schwarzmelancholischer Stimmung und eingängigen Songs. Allesamt sind auf hohem spielerischem Niveau eingeübt. In gewissen Momenten scheint die Singstimme jedoch etwas entrückt, was den geschilderten Umständen geschuldet ist. Teilweise schwebt die Stimme parallel zur Instrumentierung.
Trotzdem birgt das Material das Potential in sich, sich in bezaubernd bildhafte Feenwelten, dunkle Städte, auf die eine fensterlose Kathedrale hinuntergrient, hineinzuversetzen. Lässt man es zu, so zertreten Kettenstiefel den feuchten Waldboden, zermodern Eichen im Schein des kleinen Feuers, an dem ängstliche Novizen lagern, liegt man frierend auf dem Moos und besieht sich die fernen Sterne. Für diese Gebilde und Welten ist die Musik von ELIS der richtige Hintergrund. Um die Bedrohlichkeit dieser Märchenwelten nicht zu vergessen, grunzt ein Fabelwesen im als programmatisch verstandenen 'Brothers' der Glockenstimme entgegen. Kurz nur, aber fordernd. Aber bald schon fällt mir beim Hören auf, dass sich einige erwartete Songstrukturen auch wirklich so einstellen. Auflockerungen in diese klassischen Wendungen und Gefüge der Darbietung bringt vor allem das Spiel der beiden Gitarristen Pete Streit und Christian Gruber. Immer wieder retten sie durch Soli oder variables Stimmspiel den Song vor der Wiederholung. Mir fällt es sehr daher schwer, Anspieltipps – sprich Höhepunkte – anzugeben und herauszusuchen, aber 'Die Stadt' gefällt mir ausnehmend gut, da hier Eingängigkeit und Einfachheit mit der wirklich schönen Stimme Sabine Dünsers verbunden werden. Sofort aufgefallen ist mir ob seiner ästhetischen Düsternis 'How Long'. Auch die zweite Ballade, die ebenfalls von klassischem Piano und nebliger Violine getragen wird, 'Forgotten Love', kann entspannt in ihrer Schönheit durchgehört werden. Irgendwie erinnert es mich an einen Song von ANATHEMA. 'The Burning' dann kommt kämpferisch daher und mutet wie ein Zwiegespräch zwischen zwei Kämpfenden an. Ein Chor scheint auf einer Balustrade das Ganze zu besingen – wie im antiken Drama. Wut trifft auf Angst, trifft auf Hoffnung, trifft einen Sieger. Eine Frau tritt aus dem Chor hervor und nimmt das Zwiegespräch mit den Kämpfenden wieder auf.
'A New Decade' schließt die Geschichte dann vorerst ab. Hier findet sich thematisch der Ausblick in Zukunft und Erwartung. Wie gesagt, es gilt in diese erzählte Geschichte tiefer einzutauchen. Falls es ELIS selbst sein werden, die die Fiktionen ihrer Frontfrau künstlerisch entstehen lassen, so wünsche ich mir mehr konzeptionell Verbundenes. Ich bleibe dabei, dass dies dem Gesamtansatz zuträglicher werden würde. Natürlich ist es wünschenswert, dass die Ideen und die Welt der Sabine Dünser weitere Köpfe und Menschen findet, die das Begonnene weiterdenken und ausformen. Lohnen würde sich das allemal.
Anspieltipps: Die Stadt, How Long, Forgotten Love, A New Decade
- Redakteur:
- Mathias Freiesleben