GHOST - Impera
Mehr über Ghost
- Genre:
- Okkult Rock
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Loma Vista Recordings
- Release:
- 11.03.2022
- Imperium
- Kaisarion
- Spillways
- Call Me Little Sunshine
- Hunter’s Moon
- Watcher In The Sky
- Dominion
- Twenties
- Darkness At The Heart Of My Love
- Griftwood
- Bite Of Passage
- Respite On The Spital Fields
Weiterhin Referenzklasse
Eine Sache muss man direkt zu Beginn einmal klarstellen. Ja, GHOST macht keinen Metal sondern sehr poppigen Okkult-Rock. Seit dem Debut-Knaller "Opus Eponymous" über die beiden Göttergaben "Meloria" und "Prequelle" bis hin zur aktuellen Veröffentlichung "Impera".
Warum muss man es dann 2022 immer nochmal erwähnen? Weil es anscheinend in sozialen Medien immer noch der größte Aufreger und Kritikpunkt an der Band um Mastermind Tobias Forge ist, dass sie einfach nicht hart und authentisch genug sind und sich so mancher Internettroll für die hellste Kerze auf der Torte hält, weil er entdeckt hat, dass es doch eigentlich nur getarnte Popsongs sind. Ist aber auch echt teuflisch uns harten Metallern solche Ohrwürmer unterzujubeln, weil wir anscheinend zu naiv sind und es nicht schaffen hinter die Fassade blicken. Schon mal dran gedacht, dass die Hörerschaft GHOST abgöttisch verehrt, weil die Gruppe so unverschämt eingängig agiert und Hits am Fließband schreibt? Selim Lemouchui von THE DEVIL'S BLOOD hat einmal gesagt, dass es doch nur im Sinne einer höheren Macht sein kann, dass die zu verbreitende Botschaft von so vielen Ohren wie möglich wahrgenommen und gehört wird. Eingängigkeit und Zugänglichkeit als Stilelement sind also gerade in diesem Bereich nicht zu unterschätzen. Und dem ehemaligen Bandchef (RIP) von THE DEVIL'S BLOOD kann man vieles absprechen, aber nicht Authentizität.
Mir ist also vollkommen egal ob das nun Black Metal, Death Metal oder aber eben Okkult-Rock respektive Okkult-Pop ist. Hauptsache die Qualität stimmt und hier liefert GHOST auch 2022 hochklassige Ware ab, obwohl es erstmalig auch leichte Abzüge in der B-Note gibt.
Der verträumte, instrumentale Beinahe-Titeltrack eröffnet "Impera" mit tollen Gitarrenmelodien bereits im typischen GHOST-Stil und steigert die Erwartungshaltung in schwindelerregende Höhen. Aber bereits hier hätte ich mir einen saubereren Übergang zum ersten richtigen Song 'Kaisarion' gewünscht. Dieser startet dann etwas überstürzt und durchaus untypisch für die Jungs aus Schweden. Der Beginn hätte auch THE DARKNESS gutgestanden und konfrontiert die Hörerschaft mit so positiven Vibes, dass man tatsächlich kurz aufs Cover gucken muss, um zu wissen, dass wir noch die gewünschte Band hören.
Aber egal - das Miniexperiment ist geglückt und der Song ein fantastischer Ohrwurm. Genau solche Melodien, Gesangspassagen und perfekte Laut&Leise-Dynamik liefert halt nur GHOST. Ungeachtet davon liefert 'Kaisarion' so viel positive Energie und Aufbruchstimmung (auch in den Lyrics) und trifft den Nerv einer aktuell finsteren Zeit, welche doch eh all die düsteren, kreativen Gedankenspiele von Bands traurigerweise in den Schatten stellt. Genau das braucht man jetzt.
Das folgende 'Spillways' bewegt sich sogar noch weiter aus der bisherigen Komfortzone. Erneut eine potenzielle Hitrakete, welche beim nächtlichen Trip nur aufpassen muss, nicht in die Flugbahn vom THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA zu geraten. Mehr 1980er waren GHOST bis heute noch nicht. Ohne Frage kann man hinter diesem Song einen grünen Haken machen, auch wenn Björn Strid & Co. in diesem Gerne noch eindeutig die Nase vorn haben.
Nun aber genug der Experimente. Die nächsten beiden Lieder 'Call Me Little Sunshine' und 'Hunter's Moon' hätten auch auf den beiden Vorgängern stehen können und wären dort auch nicht negativ aufgefallen. Das folgende 'Watchers In The Sky' entpuppt sich dann als eine leicht angeproggte Riffwalze, welche die Position in der Albummitte perfekt ausfüllt. Trotz der instrumentalen Fokussierung gibts halt einen Sahne-Chorus inklusive Singalong, der den Track für mich auch zu einem Highlight des Albums werden lässt.
Mit 'Dominion' gibts als nächstes ein typisches GHOST-Interlude, welches aber auch diesmal keinen Mehrwert bietet und somit zu vernachlässigen ist.
Ganz im Gegenteil zu 'Twenties'. Meine Güte - ich habe in den letzten Tagen wahrscheinlich jede Art der persönlichen Songeinschätzung hinter mir. Von Vollkatastrophe und absolutem Müll bis hin zum künstlerischen Meisterwerk und Band-Meilenstein. Zur Review-Abgabe kann und möchte ich hier noch keine finale Entscheidung treffen und nur empfehlen sich diesen vertonten Wahnsinn selbst anzuhören. GHOST treibt sein Faible für genre-fremde Stilistik und Integrierung von tanzbarer Rhythmik auf die Spitze, würzt das Ganze mit ROCKY HORROR PICTURE SHOW-Elementen und schafft ein unwirkliches Varieté der 1920 Jahre.
Dagegen ist man schon froh, dass die Halbballade 'Darkness At The Heart Of My Love' sich wieder im typischen GHOST-Kosmos bewegt. Ein Liebeslied für die besonderen Momente mit abermals unfassbarem Chorus und Gitarren zum Niederknien. Zwar direkt bis zur kitschigen Schmerzgrenze komponiert, aber eben auch keinen Millimeter drüber und somit episch as Hell. Mein persönliches Albumhighlight und der inoffizielle Nachfolger von 'He Is'. Beim folgenden 'Griftwood' bewegt die Band sich dann wieder im kurzen 1980er Singlehitbereich und überrascht mit leichten VAN HALEN- Groove. Kann mich nicht komplett überzeugen, ist allerdings auch kein schlechter Song, was insbesondere in der Songmitte deutlich wird.
Den Albumabschluss machen dann das sehr kurze Interlude 'Bites Of Passage' und 'Respite On The Spitalfields'. Und hier hatte ich tatsächlich die größten Erwartungen, da die Jack The Ripper-Thematik und die dementsprechenden Gotik-Vibes für den GHOST-Sound eine perfekte Bühne sein müssten. Aber so ist das leider mit den Erwartungen. Der Song zeigt sich bemüht Atmosphäre zu erzeugen und bietet auch den obligatorischen cineastischen Breitwand-Refrain - zieht aber insbesondere im direkten Vergleich zu den letzten Alben und deren Abschluss-Tracks 'Life Eternal', 'Deus In Absentia' und insbesondere 'Monstrance Clock' leicht den Kürzeren.
Nichtsdestotrotz ist GHOST erneut ein tolles Album gelungen, was zwar das Niveau der letzten Veröffentlichungen nicht ganz aufrechterhalten kann, aber sich dennoch sehr positiv in die Diskografie einfügt. Und vielleicht ist ja nach einem halben Jahr 'Twenties' auf den Ohren noch ein halber Punkt mehr drin.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Stefan Rosenthal