GODOJ, THOMAS - Stoff
Auch im Soundcheck: Soundcheck 12/2020
Mehr über Godoj, Thomas
- Genre:
- Rock
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Eigen / Tomzilla Music
- Release:
- 13.11.2020
- Pulverfass
- Astronaut
- So weit kommen
- Stoff
- Eiszeit
- Es kommt der Tag
- Lichtjahre
- Alles wird gut
- Flächenbrand
- Lass es regnen
- After all (Bonus)
Das passendste Album zum Jahr 2020
"Stoff", das ist es! Es gibt für mich kaum ein Album, das so sehr ins Jahr 2020 passt wie THOMAS GODOJs mittlerweile achte Studiolongplayer. Warum ist das so? Nun, dafür gibt es verschiedene Gründe.
Der erste ist zunächst mal ganz banal: Denn "Stoff" klingt einfach voll nach heute. Es gibt nicht das geringste Anzeichen für alten Staub, man steht in voller Montur zu den Klangmöglichkeiten der Moderne und so ist "Stoff" wie schon seine Vorgänger sensationell klar, druckvoll, warm und anfassbar produziert, so wie man sich eben ein hartes Rockalbum aus dem Hier und Jetzt wünscht. Allerdings lässt es Thomas vor allem in der ersten Hälfte sogar noch eine Spur heftiger krachen also schon bei den 13 Pfeilen, so dass sich selbst der gestandene Metalfan die Augen reibt. Das Anfangsriff von 'Pulverfass' könnte gar von MACHINE HEAD sein, so derbe geht es da voran.
Für mich war es aber nie ein großes Kriterium bei THOMAS GODOJ, ob er nun einen heftigen oder einen zarten Sound fährt. Gut klingt es bei ihm immer. Natürlich begrüße ich es, dass Godoj und seine exzellente Band mehr und mehr ihre Vorlieben für moderne Metalsounds à la DISTURBED und vor allem ALTER BRIDGE in ihre Musik einfließen lassen. Doch seine große Stärke ist und bleibt seine unvergleichliche Stimme und sein Gefühl für eindringliche Melodien. Und noch nie hat mich der Thomas mit diesen Waffen so sehr am Stück euphorisiert wie mit den ersten sechs Songs. Die sind für mich nämlich in allen Belangen perfekt, musikalisch wie textlich.
Wie für viele Menschen gehen die momentanen globalen, ökologischen und politischen Entwicklungen auch an Thomas Godoj nicht spurlos vorbei, und als ein von Emotionen getriebener Künstler äußert er sich dazu in seiner musikalischen Botschaft. "Die Zündschnur brennt" heißt es im aufrüttelnden Opener, dessen Refrain sich entgegen der textlichen Behauptung ("es bleibt nichts von dem was war") in die Hirnrinde einfräst. 'Astronaut' ist inspiriert durch den Geophysiker Alexander Gerst, der unlängst eine Botschaft an uns Menschen aus der internationalen Raumstation ISS gesendet hat. Was er sieht, ist nicht sehr ermutigend: Unser kleine blaue Planet ist in einem desolaten Zustand. Ich muss sagen, dass mich dieses Thema selten so berührt wie durch dieses Lied, mit einem Gott von einem Refrain.
Hoffnungsvoller geht es mit 'So weit kommen' weiter, auch hier kann mich Godoj mit seiner Stimme von der ersten Sekunde an packen. Wie soll man das erklären, es passiert oder es passiert nicht, aber dieser Musik kann ich nicht ausweichen, sie hat immer die vollste Aufmerksamkeit, sie ist so präsent, so essentiell, dass es keine Alternative zum aufmerksamen Zuhören gibt. Der Text gibt Hoffnung in diesen Zeiten, denn auch wenn es brenzlig wird, ist das Glas eben halb voll und nicht halb leer. Darum geht es in der Essenz. Also behalten wir unseren Spaß und geben uns den besten 'Stoff' seit langem. Der Titelsong ist ein Plädoyer für den Rock'n'Roll, er gibt uns augenzwinkernd das, was uns momentan - 2020 also - so sehr fehlt, nämlich Fäuste recken und mit hunderten Fans die Texte der Lieblingslieder in den Himmel schreien. Und doch hat er eine unmissverständliche Botschaft: Nazis sind schlechter Stoff!
'Eiszeit' schlägt dann eine ganz andere Schattierung ein. Es handelt sich um einem melancholischen, vermutlich sehr persönlichen Song. Doch wie immer bei Thomas Godoj ist der Hörer mittendrin in der Gefühlswelt des Protagonisten, statt nur dabei. Man kämpft mit denselben Geistern, zielt in dieselbe Leere und erfriert und derselben Kälte wie der Sänger und als wolle er diesen Eindruck bestätigen, singt er am Schluß: 'Ich erkenne mich in deinem Blick, ich weiß wohin Du gehst'. Gänsehaut.
Der Songs, der mir aber die allermeisten Sinne raubt, ist 'Es kommt der Tag'. Die Band agiert hier wieder metallischer, kreiert ein schwindelerregend tolles Riff, das allerdings nur die Vorlage für den bislang hymnischsten Refrain in Godojs Karriere gibt. Ich denke, hier wird der Einfluß von Myles Kennedy als eine von Thomas' Inspirationsquellen mehr als deutlich. Doch auch wenn einiges an diesem Song förmlich nach ALTER BRIDGE ruft, ist es der Godojismus, der auch diesen Song so besonders macht. Zumal auch hier der Text wieder viele Vögel abschießt, aber das sollt ihr bitte selber hören. Ich feiere hier bislang mein Album des Jahres!
Tja, das wäre es wohl, wenn es nach diesen sechs Songs vorbei wäre. Und auch in der Folge geht es hochklassig weiter, nur teilweise nicht mehr so absolut zwingend. An das folgende, etwas schleppende 'Lichtjahre' komme ich nicht mehr so richtig ran. Ähnlich ist es beim etwas sperrigen 'Flächenbrand', der sich wieder dem Thema am braunen Rand der Gesellschaft widmet. Doch sowohl textlich wie musikalisch packt er nicht so zu der thematische Schwestersong 'Keine Option' auf dem Vorgänger. Und dann gibt es mit 'Alles wird gut' und 'Lass es regnen' noch zwei sehr gute aber eher ruhige und intime Songs, die sicher von den Fans der alten Tage als Geschenke wahrgenommen werden. Solche Songs brauchen bei mir aber immer etwas länger zum Wachsen. Bleibt also nur noch der Bonustrack. Der ist auf englisch gesungen und sagen wir mal so: Er entwickelt bislang nicht den Reiz, die fast vier Minuten auszuharren, bis es wieder von vorne los geht. Mit 'Pulverfass'. Bäääm!
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Thomas Becker