HELANGåR - [kwIn'tes sens] - A Spiritual Amputation
Mehr über Helangår
- Genre:
- Avantgarde Metal
- Label:
- Eigenproduktion
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- Was bleibt
- Nichts
- L'amour de mensonge
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- Dolly Worries
- Spiritual Amputation
- ...
HELANGÅR sind eine avantgardistische Metalband, deren musikalische Ergüsse alles andere als leicht konsumierbar sind und sehr viel Geduld vom Hörer einfordern. Vorherrschend sind düstere, teils dissonante Klänge, abgehackte Riffs zerfurchen die eingängigen Melodien und dazu gibt's überwiegend deutsche Texte oben drauf, die in sehr unterschiedlicher Intonation (die ganze Bandbreite von heiserem Keifen bis hin zu harmonischen Clean Vocals) zum Besten gegeben werden. Das Ohr wird nicht gerade umschmeichelt, vielmehr muss der Hörer viel Konzentration aufbringen, um mit dem Album warmzuwerden und im Klangkosmos von HELANGÅR anzukommen.
Man merkt sofort, es mit ambitionierten Musikern zu tun zu haben, dass hier keine Musik für den bloßen Unterhaltungszweck kreiert wird, sondern ein höherer Anspruch gestellt wird. Das Konzept des Albums behandelt den wissenschaftlichen Fortschritt und die damit einhergehende Reduzierung von Mensch und Natur auf "entschlüsselbare" Vorgänge und Prinzipien, was von den Urhebern als "Demütigung des Menschen" bezeichnet wird. Die Frage, die aufgeworfen werden soll, lässt sich in etwa so zusammenfassen: Was bleibt, wenn die Wissenschaft auch die letzten Geheimnisse des menschlichen Seins und der Erde, auf der wir leben, entschlüsselt hat?
Die Umsetzung funktioniert, auf die rein klangliche Ebene reduziert, zwar nicht ohne Schwachstellen, aber man sollte auch nicht vergessen, dass es sich bei "[kwIn'tes sens]" um ein konzeptionelles Werk handelt, das auch nur im Gesamtzusammenhang betrachtet werden sollte und das Textkonzept musikalisch widerzuspiegeln versucht.
Gerade am Anfang des Albums wirkt das Ganze allerdings sehr wirr, beinahe bizarr, und ist damit nur schwer nachvollziehbar. Das Problem, das sich beim Hören z. B. von 'Was bleibt' offenbart, liegt in der fehlenden Gradlinigkeit und Homogenität. Es werden kompositorisch durchaus interessante Stellen zusammengeworfen, allerdings ohne dass ein ausbalanciertes Grundgerüst erkennbar wäre, wodurch das Ganze dann als kompletter Song nicht mehr so richtig funktioniert. Ganz offenbar wird dem Konzept alles untergeordnet, mit dem Nebeneffekt, dass das Album an einigen Stellen zerstückelt und chaotisch wirkt.
Demgegenüber gibt es aber Stücke auf "[kwIn'tes sens]", die auch in musikalischer Hinsicht spannend und mitreißend geworden sind. 'Nichts' ist so ein Beispiel, hier wird eine dichte Atmosphäre aufgebaut, die beinahe bedrückend wirkt, und vor allem wird diese dann auch aufrecht erhalten. Hier wird die zweifellos vorhandene kompositorische Klasse von HELANGÅR offenbar.
Der Musik zu folgen gelingt immer dann recht gut, wenn es etwas ruhiger und gemäßigter zur Sache geht, denn dann ist trotz der stets zahlreich vorhandenen Kontrastierungen eine gewisse Homogenität erkennbar. Die wüsten, wirren Ausbrüche, die sich überwiegend in 'Was bleibt' und 'Dolly Worries' wiederfinden, machen es für den Hörer um einiges schwieriger, dabei zu bleiben. Den kompletten Gegensatz dazu stellt das minimalistisch arrangierte Stück 'Spiritual Amputation' dar, das dem Hörer eine einfache, aber wirkungsvolle Melodie serviert, quasi etwas Griffiges und leicht Verständliches zum Abschluss der Scheibe.
Insgesamt betrachtet, ist "[kwIn'tes sens]" eines der anspruchsvollsten, abwechslungsreichsten und gegensätzlichsten Alben, die ich je gehört habe, wobei hier allerdings eine Einschränkung gemacht werden muss. Nichts gegen ein hohes Maß an Kontrasten, es darf auch gern eine sanfte Melodie von einem kernigen Riff zerschnitten werden, aber es ist eben auch wichtig, dass der Hörer trotz der bei dieser Musik ohnehin notwendigen Offenheit und Konzentration nicht Gefahr läuft, den Faden zu verlieren. Und diese Maßgabe können HELANGÅR auf dieser Scheibe nicht vollumfänglich erfüllen.
Während man die Grundaussage des Konzepts durchaus als unkonventionell und mutig bezeichnen kann, so gilt dies in gleichem Maße für den musikalischen Aspekt. Es dürfte unbestritten sein, dass "[kwIn'tes sens]" ein Album ist, das polarisiert, zu dem die Meinungen weit auseinander gehen werden. Während an den musikalischen Fähigkeiten der Gebrüder Fuß (jetzt hatte ich ganz vergessen zu erwähnen, dass wir es hier mit einem Duo zu tun haben) keinerlei Zweifel bestehen, so muss man doch kritisch anmerken, dass manches recht aufgesetzt und konstruiert wirkt. "[kwIn'tes sens]" ist ein gutes und vor allem sehr interessantes Album geworden, dem allerdings durch zahlreiche krasse Brüche der natürliche Fluss teilweise abhanden gekommen ist. Wer dem Album allerdings die nötige Zeit gibt und mit der erforderlichen Offenheit an die Aufgabe herangeht, der wird viel zu entdecken haben.
Anspieltipps: Nichts, Spiritual Amputation
- Redakteur:
- Stephan Voigtländer