IN LOVE YOUR MOTHER - Dada For Your Mada
Mehr über In Love Your Mother
- Genre:
- Mathcore / Dadacore / Chaoscore
- ∅-Note:
- 7.50
- Label:
- Eigen
- Release:
- 15.10.2016
- 6.Wuuae
- 7.Zahfee
- Chromatic Fingerprints
- Conv1
- Kariesvogel
- Gold Gold
- 6.Junglefish
- 6.Guli Guli
- Johnny Was A Little Lamb
- Zahnseide
- Nepomuk's Brother
- Nepomuk
- Johnny The Baseball
- Wand
- Zahnschmelz
- Die Zeit die Zeit
- Ponyfisch Remix
- Bonus Runde 3 (There's Always Something To Feed During Morning Lessons Without Being Seen By Strangers)
Ein Fall fürs Museum?
Neues durchgeknalltes Futter aus Zürich! Nach "The Great Ape Project" lässt das Schweizer Chaoscore-Trio IN LOVE YOUR MOTHER nur zwei Jahre später den Nachfolger "Dada For Your Mada" auf die Menschheit los. Und der Name ist Programm: Die Eidgenossen sprengen endgültig die Grenzen zwischen trivialer Unterhaltungsmusik und dadaistischer Kunst, führen auch den experimentierfreudigsten Musikfan an der Nase herum und alles ad absurdum, was als tiefsinniger Kunstbegriff in Sachen Rockmusik jemals gegolten hat. Ihren Nonsens betreiben die drei Herren diesmal mit einer Ernsthaftigkeit, welche die irre, verspielte Leichtigkeit des Vorgängers allerdings manchmal vermissen lässt.
Zufall oder nicht, dass Dada vor ziemlich genau 100 Jahren in Zürich seinen Ursprung hatte? Diese Frage wissen die geliebten Muttersöhnchen sicherlich besser zu beantworten. Bereits 2014 überraschten sie uns mit ihrer völlig abgedrehten Mischung, die neben gänzlich artfremden Einflüssen eine hektische Achterbahnfahrt aus Math-, Art-, Hard- und sonstigem Core beschrieb. Rückblickend stufe ich "The Great Ape Project" deutlich höher ein als bei unserem Erstkontakt, der mich ebenso fasziniert wie ratlos zurückließ. Das große Ganze zeichnet sich eben oft erst nach längerer Betrachtung ab, und so skurril Auftritte in Affenkostümen und infantiles Gedresche auf Schlagzeug, Gitarre und Bass auch erschienen - der Spaßfaktor deckte sich praktisch vollständig mit dem Anspruch auf Einordnung in einen anarchischen Kunstbegriff.
Nun ackere ich mich seit Tagen durch den Nachfolger "Dada For Your Mada", und habe ebenso wie seinerzeit mit dem Affenprojekt so meine Schwierigkeiten. Allerdings nicht, weil sich der Schock und die erste Überforderung von 2014 wiederholen würde. Ganz im Gegenteil: Mir scheint, dass das erneut hervorragend produzierte Album diesmal bewusst in eine ernstere Richtung zielt. Trotz (oder wegen?) noch kreativerer Ausflüge in avantgardistische Stilrichtungen wie Free-Jazz und Noise Rock, trotz (oder wegen?) der Zuspitzung dadaistischer Elemente wie infantilem Geschrei, wiederholter Missachtung klarer Taktschemata und scheinbar gänzlich unsinniger Textfragmente. Das klingt in etwa so, als würden THE HIRSCH EFFEKT und THE DILLINGER ESCAPE PLAN auf KNORKATOR treffen und in einem Jazzkeller unter fortgeschrittenem Einfluss diverser psychotroper Substanzen eine Party feiern. Dabei kommen noch mehr unmetallische Instrumente und Klänge teils selbstgebastelter Instrumente zum Einsatz, während die einzelnen Nummern, die als Lieder im klassischen Sinn gar nicht bezeichnet werden können, zeitlich zwischen 30 Sekunden und fünf Minuten abgefackelt werden.
Das durschnittliche Tempo auf "Dada For Your Mada" ist niedriger gehalten als auf dem Banderstling; wir finden immer wieder schwere, groovige Monster-Riffs wie bei 'Wuaee' und 'Gold Gold' vor, dabei allerdings noch weniger klare Anhaltspunkte als auf "The Great Ape Project". Als Freund bewusst gesetzter künstlerischer Duftnoten im Kontrast zu reiner Unterhaltungsmusik heiße ich diese Entwicklung durchaus gut - allerdings fehlen mir dann doch die zwei, drei etwas nachvollziehbareren Songs vom letzten Mal, als mit 'Ein Hase, Zwei Haese' das chaotische Gesamtwerk zum Abschluss formvollendet wurde. Diesmal bleibt das Chaos bis zum Ende. Nach einer knappen dreiviertel Stunde mit der geballten Dada-Ladung ist der Körper zittrig und verschwitzt; schwindlige Übelkeit, Kopfschmerzen und der gnadenlose Drang, die Repeat-Taste zu drücken, stehen sich unversöhnlich gegenüber.
Mir sollte natürlich bewusst sein, worauf ich mich eingelassen habe, ist den Schweizern doch wieder gelungen, meine Erwartungen völlig auf den Kopf zu stellen. Ihr zweites Album könnte eben mehr in einem Museum für abstrakte Kunst als in einem Rockschuppen aufgeführt werden - das trifft den Unterschied zum Vorgänger vielleicht am besten, und damit habe ich in diesem Augenblick noch meine Schwierigkeiten. Daher ist die Bewertung von "Dada For Your Mada" auch nur eine Momentaufnahme. IN LOVE YOUR MOTHER steht auch weiterhin für hohen musikalischen Anspruch und die gelungene Gratwanderung "zwischen Bewegungs- und Kunstmusik", wie es die Band selbst beschreibt. Sollte dieses Werk also in einer noblen Modern-Art-Galerie aufgeführt werden, würde es auch zum guten Ton gehören, ebendiese zum Vortrag der drei durchgeknallten Eidgenossen gepflegt in Schutt und Asche zu legen. Ist doch Kunst, oder?
- Note:
- 7.50
- Redakteur:
- Timon Krause