ITERUM NATA - From The Infinite Light
Mehr über Iterum Nata
- Genre:
- Psychedelic Folk Rock / Neofolk
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Nordvis Productions
- Release:
- 15.03.2024
- Overture: Infinite Light
- This Gleaming Eternity
- A Manifested Nightmare
- Ambrosia
- The Drifter
- A Darkness Within
- Something Truly Almighty
- The Crown Of All
Musikalische Schatztruhe für scheuklappenfreie Trüffelschweine.
Warum mir als selbsterklärten HEXVESSEL-Fanboy das Bandprojekt ITERUM NATA bislang verborgen geblieben ist, kann ich mir leider auch nicht wirklich erklären. Man kann es in diesen Zeiten aber natürlich immer auf die nicht enden wollende Veröffentlichungsflut schieben und sich damit herausreden, dass einiges halt immer irgendwie achtlos an einem vorbeirauscht. Selbst die Bands, die doch eigentlich genau ins persönliche und potentielle Hörbeuteschema passen.
Genau so ist es natürlich auch. First world problems, nicht wahr? Kopf und Mastermind von ITERUM NATA ist Jesse Heikinnen, welcher auf den sehr (Neo-)Folk-lastigen HEXVESSEL-Alben "All Tree" und "Kindred" für eine der beiden Gitarren verantwortlich zeichnete und bereits seinerzeit zwei Langspieler mit ITERUM NATA aufgenommen und veröffentlicht hat. Hier steht nun also bereits Platte Nummer fünf in den Startlöchern, welche auf den bedeutungsschwangeren Titel "From The Infinite Light" hört. Ein kurzer Blick ins Review-Archiv zeigt, dass ich bei uns im Team auch nicht der erste bin, der sich mit einem Werk der Band auseinandersetzen darf. Die geschätzte Kollegin Susanne und der geschätze Kollege Björn haben hier bereits den zweiten bzw. vierten Langspieler besprochen und ich könnte es mir hier nun eigentlich sehr einfach machen, ein wahres und auch in großen Teilen hier noch passendes Zitat des Herrn Backes aus dem Review zur zweiten Platte "The Course Of Empire" bemühen, die Punktzahl aus dem Ärmel ziehen und hier gemütlich den Deckel draufmachen. Björn schreibt dort: "Man kann sich eine ganze Weile damit beschäftigen, die Songs des neuen ITERNUM NATA-Albums zu analysieren, um herauszufinden, ob sie sich stilistisch irgendwann kategorisieren lassen. Man kann sich dieses Procedere aber auch getrost schenken und einfach miterleben, wie die finnische Psychedelic-Folk-Truppe ihre Hörer immer wieder in neuen Traumwelten führt und schließlich Bilder kreiert, die irgendwo zwischen den romantischen Nuancen weltlichen Folks und den etwas halluzinogenen Sphären des Space Rocks ihre Mitte finden." Diese mit Bedacht ausgewählten Worte würden auch dem vorliegenden Album zum einen tatsächlich absolut gerecht werden, ohne es dabei freud- und lieblos abgekanzelt zu haben, andererseits würde es meinem eigenen Anspruch als Rezensent am Ende des Tages dabei aber selbstverständlich nicht im entferntesten genüge tun.
Ohne mich bisher bewusst mit dem zurückliegenden musikalischen Schaffen des Soloprojekts beschäftigt zu haben, lässt sich bereits an dem bisher von mir in Erfahrung gebrachten erkennen, dass Heikinnen auf dem neuen Album glücklicherweise keine musikalische 180-Grad-Wende vollzogen hat. Auch hier verbergen sich elysische Melodiebögen und Harmonien von solch märchenhafter Schönheit en masse, die für sich alleine betrachtet schon Stoff für mehrere Werke bieten würden. Ausnahmslos alle Songs sind hier nahezu perfekt durchkomponiert und ausarrangiert. Jede Note, jede Bridge, jeder Chorus und jeder Refrain sitzt hier im Albumkontext perfekt an der richtigen Stelle, was nicht sonderlich überrascht, wenn man weiß, dass Heikinnen als Absolvent eines Konservatoriums alles andere als unbedarft ist, was Bereiche wie Musiktheorie und derlei Dinge betrifft. Die trockene Theorie ist aber bekanntlich das eine. Sich davon aber in einem entsprechenden und gesunden Maß im Gegenzug auch befreien zu können, um das ganze dann korsettfrei auch wieder in kreative und organische Energie und Kunst umzuwandeln, ist etwas ganz anderes. Das gelingt hier glücklicherweise in vollstem Ausmaße.
"From The Infinite Light" ist eine kleine musikalische Schatzkiste, in der es viele verschiedene Diamanten, Perlen und Edelsteine zu entdecken gilt. Freunde von Country und American Folk ('The Drifter') werden ebenso große Hörfreude verspüren, wie Liebhaber klassischer Neofolk-Bands wie OF THE WAND AND THE MOON ('A Darkness Within' mit Gastgesang von Rob Coffinshaker). 'A Manifested Nightmare' ist einer der allerwunderschönsten Songs, die meine abgerockten Hörmuscheln seit langer Zeit umweht haben: Malerisch eröffnende Klavier- und Gitarrenmelodien, zauberhaft ausgelegte Keyboardteppiche, die nicht nur hier ein wenig an alte Moog Synthesizer aus der 70ern erinnern, gedeckelt von Heikinnens fragil-gefühlvollem Stimmorgan. Ohrgasmus deluxe! Mit 'Ambrosia' wird uns eine wunderbar stimmungsdichte melancholische Ballade im Ambient-Gewand präsentiert, getragen lediglich von spärlich eingesetzten hypnotischen Synthie-Moll-Harmonien und Heikinnens eindrucksvollem und gefühlsintensivem Gesang, der hier unweigerlich ein wenig an NICK CAVE und seine Spätwerke denken lässt. Einfach die Augen schließen und entspannt dem innerem Gedankenkino folgen.
Ok, mag sich der eine oder andere nun denken. Was hat das Ganze denn nun aber mit Metal oder Rock im weiteren Sinn zu tun? Grundsätzlich und auf den ersten Lausch vielleicht nicht wirklich viel, aber natürlich verbergen sich Heikinnens musikalische Vorlieben und metallische Wurzeln hier dezent in den Songdetails und offenbaren sich mitunter nicht immer gleich mit dem ersten Durchlauf. Klassisches repetitives und gelegentlich schön dissonantes Black Metal-Riffing findet sich hier und da aber dann doch auch und kommt als passende Untermalung an den exakt richtigen Stellen zum Tragen. Sei es im Eröffnungstrack 'Overture Limitless Light', welcher mit flamenco-affinen Gitarrenläufen, mehrstimmigem Folk-Gesang und erhaben-lyrischer Atmosphäre aufwartet oder im nachfolgenden 'This Gleaming Eternity', in welchem die kongenial positionierten Rhythmuswechsel für offenes und speicheldurchdrungenes Mundwerk sorgen und der Gesang mich hier seltsamerweise ein wenig an Joe Strummer von THE CLASH erinnert. Aber auch die beiden abschließenden Tracks 'Something Truly Almight', mit seinen klirrenden Gitarrenwänden, und das deutlich schnellere 'The Crown Of All', mit seinen harten progressiven Gitarrenleads im furiosen Songfinale, zeigen dann doch, wessen musikalischen Geistes Kind Heikinnen ist.
Da ich zitattechnisch eingangs nun schon den Frevel besessen und mich mit fremden (Kollegen-)Federn geschmückt habe, bekenne ich mich gerne auch noch ein zweites Mal schuldig und komme mit einem Zitat aus dem beiliegenden Promotext zum Ende: "Das Album taucht in die Abgründe der menschlichen Psyche ein und erzählt die Odyssee einer verzweifelten Seele, die Zuflucht in den Schatten ihres inneren Chaos sucht und schließlich eine düstere Umarmung in der Dunkelheit findet, die von ihrem zerfallenden Verstand getragen wird."
Doch nun genug der Worte. Das Lesen einer Rezension ist das eine, das eigene Abtauchen in die darin kritisch gewürdigten und besprochenen Soundgemälde das andere. Wer gerne einmal über den gewohnten musikalischen Horizont hinwegblickt und sich erkundungstechnisch in atmosphärisch dichte und musikalisch abwechslungsreiche Klanglandschaften verlieren möchte, ohne genau zu wissen, in welche wunderbar versteckten Winkel ihn diese Reise letzten Endes führen wird, bucht mit diesem in jeglicher Hinsicht fantastischen und perfekt produzierten und abgemischten Album den dafür genau richtigen Trip. Die volle Punktzahl zücke ich hier nur allein aus dem Grund nicht, weil ich Heikinnes Fähigkeiten als Songwriter so extrem hoch einschätze, dass ich davon ausgehe, dass er dieses hohe Niveau tatsächlich noch einmal wird toppen können und lasse daher vorsichtshalber lieber nochmal ein klein wenig Luft nach oben.
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Stephan Lenze