LOITS - Vere Kutse Kohustab
Mehr über Loits
- Genre:
- Heathen/Black Metal
- Label:
- Ledo Takas
- Release:
- 20.10.2004
- Soomepoiss
- Eesti Auks
- Aeg Ärgata
- Võitluslipp
- Tuleristsed
- Vanade Leegionäride Laul
- Eluruun
- Nimeta Haud
- Kodu
- Furor Aesticus
- Oskar Ruut
- Raiugem Ruunideks
Endlich ist es so weit: die estnischen LOITS bringen ihr zweites voll-langes Album auf die Welt! Enthalten sind die bereits auf früheren EPs erschienen Tracks 'Tuleristsed', 'Vanade Leegionäride Laul', 'Furor Aesticus', 'Raiugem Ruunideks' sowie acht neue Schwarzmetall-Elegien erster Güte. Der unaussprechliche Titel: "Vere Kutse Kohustab" bedeutet übersetzt so viel wie "Durch Blut verbunden".
An den bekannten Stücken wurde noch kräftig gefeilt und dem rohen Stoff mit sublimen Keyboards, die sich zum Teil sehr eigenartig und skuril ausnehmen wie z. B. in dem straighten 'Tuleritsed', etwas mehr Atmosphäre verliehen. Da quengeln sich plötzlich ganz unvermittelt an alte Stummfilmmusiken erinnernde und arg verzerrte Synthies zwischen das majestätische Druming und die tief gestimmten Gitarren. Ein bisschen erinnern mich LOITS damit an alte ENSLAVED, die auf dem Klassiker 'Slaget I Skogen Bortenfor' ähnlich wahnwitzig experimentierten. Aber das Konzept geht auf, die Musik erscheint dadurch noch düsterer, noch realitätsfremder. Auch am Gesang wurde gebastelt, so z. B. auf der "Heimathymne" 'Vanade Leegionäride Laul'. Eine warme, tiefe Männerstimme drängt sich nun in Erzählermanier in das Geschehen dieses aufreibenden Stückes, das am Ende zudem auch noch um ein paar Kriegstrommeln ergänzt wurde. Insgesamt wirkt diese Version noch ausgereifter als der Vorgänger, welcher aber schon in seiner rohen Form für eine Gänsehaut nach der anderen sorgte.
Allzu viele Worte will ich über die alten Stücke gar nicht verlieren. Interessanter nehmen sich die neuen Sachen aus, nämlich deutlich homogener und straighter. Auf Keyboardexperimente wurde weitgehend verzichtet oder sie kamen nur unterschwellig zum Einsatz. Lediglich das Sample eines Kriegsmarsches sprengt in typischer LOITS-Manier den Fluss der treibenden und in Grabestiefen wühlenden Gitarren des zweiten Songs 'Aeg Ärgata'. Das Teil rockt und tief gurgelt die dreckige Stimme von Sänger Lembetu. Dabei gelingt es ihm trotz Stimmenband zerfetzender Kehlkopfqual dennoch klar und deutlich, ein bedeutungsschweres Wort an das andere zu setzen. Wie dämonisch das klingt in dieser fremden Sprache! Völlig ohne Tasten kommt 'Eluruun' aus; es ist einfach nur rostiger, thrashender Black Metal. Ehrlich: Da zerspringt mir das Herz. 'Nimeta Haud' klingt ähnlich ursprünglich, wird allerdings durch klaren Gesang ergänzt. Auch 'Koru' spielt verstärkt mit einer klaren und heroischen Männerstimme im Wechsel mit finsterem Gekeife. Diese Widerparts machen zum großen Teil den Charm von LOITS aus. Bei all dem Schmerz, Elend und unbändigen Hass in den Texten glühen aber auch immer wieder Hoffnung und Stolz auf - die Wogen einer unterdrückten Gefühlswelt.
Wie viele andere LOITS-Songs beginnt auch 'Oskar Ruut' langsam und steigert sein Tempo stetig in den sich kontinuierlich verdichtenden Gitarren. Im Vordergrund steht dabei immer die Atmosphäre der düsteren Songs, welche häufig ins Midtempo verfallen, dann aber schnell wieder anziehen, sodass es nie zu Spannungsabfällen kommt. Ganz sanft beginnt 'Soomepoiss' mit dem melancholischen Spiel einer Akustikgitarre, in die aprupt ein himmelzerreißender Schrei einfällt, ergänzt durch tief gestimmte Gitarren und ultraschnelles, zum Teil schon fast progressives Drumming. LOITS wissen, wie man Grausamkeit genussvoll intoniert. Desweiteren wissen sie genau, wie man unverschämt dreckig rockt. Flak 'n' Roll nennen sie ihren Stil. 'Eesti Auks' ist der Vorzeigesong für diesen dreckig rockenden Stil. Feuer frei, die Esten kommen!
LOITS treibt eine unbesiegbare innere Unruhe in ihrem Schaffen an: Ihnen geht es vor allem um ein tief wurzelndes Heimatgefühl, den Stolz, sich seiner Herkunft bewusst zu sein, die Geschichte seiner Vorfahren zu kennen und die Stärke, die eigene estnische Identität gegen andere Länder zu verteidigen. Ihr Kriegsfeld ist allerdings die Musik, ihre Waffen sind ihre Instrumente und die Sprache: Estnisch. Das macht es für Anderssprechende natürlich nicht einfach, die Botschaften dieser vier Patrioten und der einen Patriotin am Keyboard zu verstehen. Aber mit skandinavischen Bands wie TAAKE, CARPATHIAN FORREST oder SVARTSYN verhält es sich ja zum Teil nicht anders. Die Sprache ist Ausdruck einer Individualität - die tiefe Verbundenheit zur Natur, Heimat und Geschichte, nichts anderes als ein Aufbegehren gegen die allgemeine Glättung und Gleichschaltung der Kulturen. LOITS betreiben keine Rassenhetze oder Denunzierung anderer Kulturen, sie pflegen nur die eigene mit Inbrunst und aus tiefstem Herzen. Hinter ihnen steht ein langsam, aber beständig wachsendes Künstlerkollektiv in Estland. Ein bisschen erinnert dieses kulturelle Aufrüsten an LAIBACHs Künstlerstaat der NSK. Dort arbeiten Graphiker, Literaten, Musiker, Schauspieler und Philosophen Hand in Hand. Auch bei LOITS werden angesehene Fotographen, Designer und Sound-Ingeneure engagiert. Das sieht, fühlt und hört man. Das Cover ziert ein Steindenkmal eines estnischen Soldaten, im achtzehnseitigen Booklet sind authentisch wirkende Fotos von der Band in Kriegsuniform im Feldlager abgedruckt - nostalgisch-romantisch verklärt.
LOITS reizen. Zu gerne möchte man sie des Extremismus bezichtigen. Auf ihre Weise sind sie das auch - aber das bringt das Genre mit sich: Letztlich gelingt es heute nur noch wenigen Bands, wirklich beseelten Black Metal zu spielen. LOITS tun es und das mitunter besser als die genannten norwegischen Größen. Das Schlüsselwort heißt Kreativität. Den "Karpathischen Hölzern" werden sie damit ihren Thron im Reich der appetitlosen Geschmacklosigkeiten zwar nicht streitig machen, dafür aber neue Maßstäbe setzen, wenn es um die Frage geht, was aus dem Black Metal wird und was er nach den 90ern noch immer geben kann: Kraft, Stärke, Unabhängigkeit, eine tiefe innere Überzeugung vom eigenen Tun, Rauheit, Unberechenbarkeit, Reichtum an Bildern und Ausdrucksformen, Geschwindigkeit, Wut und Feuer. Mit "Vere Kutse Kohustab" gelingt es der gerade mal vier Jahre existierenden Band vortrefflich, all das zu vereinen. Es wird auch höchste Zeit, dass das skandinavische Black-Metal-Fundament endlich mal spürbarer erschüttert wird. Und ein Augenzwinkern gehört auch dazu: "Heitschi, heitscha!" In Estland spielt man halt noch klassisch Akkordeon.
Anspieltipps: Soomepoiss, Aeg Ärgata, Vanade Leegionäride Laul, Kodu, Furor Aesteticus
- Redakteur:
- Wiebke Rost