MANOWAR - Highlights From The Revenge Of Odysseus
Mehr über Manowar
- Genre:
- Heavy Metal
- Label:
- Magic Circle Music
- Release:
- 22.06.2022
- Athena's Theme
- Telemachus - Part I
- Where Eagles Fly
- Odysseus and Calypso - The Island of Ogygia
- Immortal
Joey DeMaio und Co. auf den Spuren Homers.
Gibt es neue Kunde aus dem Hause MANOWAR, dann dreht sich immer wieder und immerdar das der Szene eigene Karussell aus Spott, Hohn und Missgunst einerseits, und devoter Verehrung und nahezu sklavischer Hingabe andererseits. Einen seltenen Moment breiter Zustimmung erlebte die Band jedoch mit ihrer kürzlich durchgeführten und sehr gelungenen Aktion, inkognito als ihre eigene Coverband THE LORDS OF STEEL getarnt, auf halbwegs geheimen Klubgigs zu spielen. Kurz darauf feiert die Band in Athen die Premiere ihrer regulären Tour und stellt dort zwei neue Songs nebst Intros aus der Homer'schen Epenwelt vor, die nun auch Gegenstand dieser kleinen, digitalen EP sind. Kaum kursieren auf YouTube die ersten Mitschnitte der neuen Songs, ist die Gemeinde der Kritiker bereits nicht mehr zu halten: Was die Band eben bei den Fans mit den intimen und weithin gefeierten Clubshows wieder aufgebaut habe, reiße sie nun mit belanglosem Kitsch direkt wieder ein.
Nun, so hört man die Unken unken, und wenn man das in Amphibienkreisen unbedingt so sehen will, dann finden sich für diese Lesart sicherlich ernsthaft gute Argumente: Die knapp viertelstündige EP enthält im ganzen fünf Tracks, worunter sich ein Intro und zwei Erzählerparts in altgriechischer Sprache finden, sowie zwei bisher offiziell unveröffentlichte Songs, derer einer jedoch bereits vor etlichen Jahren in einem völlig anderen Kontext Beachtung gefunden hatte. Bliebe also streng genommen lediglich ein gänzlich neuer Song, und der - so will es die veröffentlichte Meinung - sei halt ein 08/15-Stampfer, allzu typisch für die MANOWAR'sche Neuzeit und mit dem berüchtigten MANOWAR-Lyric-Generator getextet. Wenn ihr also zu den hauptberuflich Enttäuschten gehören möchtet, die seit spätestens "Warriors Of The World" den Draht zu MANOWAR verloren haben, dann wisst ihr, was ihr wissen müsst und hört direkt an dieser Stelle mit dem Lesen auf, denn die "Odysseus"-EP wird euren Geschmack erwartungsgemäß nicht treffen. Versprochen!
Seid ihr indes etwas devotere Manowarriors, so wie der Verfasser dieser Rezension einer ist, dann wollt ihr dem Geschriebenen vielleicht noch ein paar Zeilen weiter folgen, um hernach möglicherweise sogar ein Öhrchen oder zwei zu riskieren. Die neue EP ist in wesentlichen Teilen das Ergebnis der im Dezember angekündigten Kooperation von MANOWAR mit Sakis Tolis von ROTTING CHRIST und den beiden renommierten griechischen Schauspielern Kostas Kazakos und Konstantinos Kazakos (Vater und Sohn). Damit ist sie auch der erste Ausblick auf das Homer-Konzept "The Revenge Of Odysseus", das hoffentlich irgendwann vollendet und in Albumform veröffentlicht wird. Erst einmal gibt es aber, wir haben es ja mit Joey DeMaio & Co. zu tun, einen Teaser in Form dieser EP, und selbige beginnt mit dem kurzen, sphärischen Intro 'Athena's Theme' aus elegischem Sirenengesang. Die weibliche Stimme wird von einem Donnerschlag unterbrochen und so mündet das Intro in die Hörspiel-Passage 'Telemachus - Part I', die von Konstantinos Kozakos als Erzähler bestritten wird, flankiert von einigen energischen Passagen des ROTTING CHRIST-Sängers Sakis Tolis.
Mit hinzutretendem Möwengeschrei wandelt sich die kriegerische Dramatik in romantische Verklärung, als plötzlich in die Tasten gegriffen wird, und dem MANOWAR-Kenner eine einschmeichelnde Piano-Melodie ans Ohr dringt, die er bereits seit etlichen Jahren kennt. So in etwa um 2007 herum kursierte im Netz die Ballade 'Where Eagles Fly', welche Eric Adams im Duett mit der weltberühmten Sopranistin Sarah Brightman sang, die jedoch niemals offiziell veröffentlicht wurde. Bis jetzt, denn nun ist die Pianoballade um Adler und die reine Liebe in die Odyssee versetzt worden. Es singt auch nicht mehr Sarah Brightman zusammen mit Eric, sondern an ihrer Statt die italienische Sängerin Chiara Tricarico (MOONLIGHT HAZE, RAVENWORD, SOUND STORM, ex-TEMPERANCE), die ihre Sache sehr gut macht, natürlich ohne Sarah Brightman nahe zu kommen. Der Song ist ein kitschiger Schmachtfetzen sondergleichen und würde sicherlich in jedem romantischen Disney-Streifen eine tragende Soundtrack-Rolle spielen. Eric und Chiara schmachten sich vortrefflich an, von Hauchen, über Flüstern bis hin zum Flöten ist alles geboten. Wer also die eherne Stange wahrhaft stählerner Steifheit nicht allzu tief im Rektum sitzen hat, darf hier ein bisschen Feuerzeug schwenkend dahin schmelzen.
Für das weitere Zwischenhörspiel 'Odysseus and Calypso - The Island of Ogygia' hat sich Joey DeMaio der Tradition der Zusammenarbeit mit illustren Schauspiellegenden wie Orson Welles, Christopher Lee und Arthur Pendragon Wilshire besonnen, und sich den in seiner griechischen Heimat sehr berühmten, mittlerweile 87-jährigen Kostas Kozakos ins Studio geholt, um den einzigen wirklich neuen MANOWAR-Song der EP 'Immortal' würdig in altgriechischer Sprache einzuleiten. Dazu wird sich vielleicht der eine oder andere Altphilologe fragen, ob Homers "Odyssee" lyrisch wirklich besser wird, wenn Joey sie in eigenen Worten rekapituliert und dann von - jedenfalls im Verhältnis zu Homer - recht jungen Griechen zurück ins Altgriechische übersetzen lässt, aber dafür können die befassten Schauspieler ja eher wenig. Als leidlich guter Lateiner, der Altgriechisch zwar lesen aber nicht verstehen kann, bleibt mir dazu nur die Feststellung, dass es in meinen Ohren sehr schön klingt, und damit weit besser als Joeys eigene Narration-Parts auf "Gods Of War".
Das Stück 'Immortal' selbst ist dann in der Tat einfach ein typischer, recht schematisch aufgebauter MANOWAR-Stampfer der Neuzeit, mit grenzwertiger lyrischer Begnadetheit ("Side by side, never fail, immortal victory hail!"), stoischem Drumbeat, Gniedelsolo, obligatorischem epischem Mittelstück, bei dem Eric vor sphärischen Keyboards seinen brillanten Sologesang zum Besten gibt, und wuchtiger, vom pumpenden Bass eingeleiteter Coda. Wer also auch an neuzeitlicheren Epen wie 'El Gringo', 'Gods Of War' oder 'Call To Arms' seine Freude hat, der wird sich im Zweifel hiermit nicht nur arrangieren können, sondern seine ausgiebige Freude daran haben. Damit ist alles gesagt und am Ende alles beim Alten: Die kritische Fraktion sieht sich in der Annahme bestätigt, dass MANOWAR längst den kreativen Offenbarungseid geschworen habe, und sich mit halbgaren EPs von Tour zu Tour hangle, während die optimistischeren Getreuen einfach weiter ihre Freude am Fistraisen, an Erics Stimme und an ein wenig Musical-Bombast und Theaterdonner haben.
Bei mir lief die EP inzwischen jedenfalls schon locker zwanzigmal, und sie wächst eher, als dass sie sich abnutzen würde, trotz der benannten Schwächen. Daher bleibt mir die Hoffnung, dass es nach "Thunder In The Sky" und "The Final Battle I" dieses Mal nicht bei einer - zudem nur digitalen - EP bleibt, sondern dass MANOWAR uns während oder nach der laufenden Tour auch wirklich das volle Albumkonzept zu "The Revenge Of Odysseus" liefert. Es wäre schade, wenn es nur bei diesen "Highlights" hieraus bliebe, denn meinen Appetit auf mehr haben sie durchaus geweckt.
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle