MELANCHOHOLICS - Solar Café
Mehr über Melanchoholics
- Genre:
- Low-End Ambient / Klangexperimente
- Label:
- Eibon/Deafborn
- Release:
- 31.01.2015
- Rotten City Radio
- Adam Dunkel
- Paranoia Lodge
- Hiring Bearded Women
- Solar Café
- Presence Of Absence
- The End Belongs To This World
- Nuclear Wellfare
- Minus1One
Wellnessoasen, Wasserbetten und ein würdiger Abschied!
Folgende Scheibe ist es mir wert, ein wenig weiter auszuholen, denn sie bietet mir etwas bislang völlig Unbekanntes. "Low-End" ist hier das Stichwort. Der Begriff bedeutet in der Produktionstechnik tieffrequente Töne, also Bässe. Neu lerne ich nun dazu, dass dies auch eine Stilistik ist, in der eben diese tiefen Töne eine besondere Rolle einnehmen. Also nicht verwechseln mit der Lo-Fi-(low fidelity) Produktions-Art, wobei bei MELANCHOHOLICS auch künstliche Verzerrungen auf Rausche-Sounds durchaus eine Rolle spielen. Doch dazu erst später.
Denn zunächst soll die Band und ihre am Ende sehr traurige Geschichte vorgestellt werden. Man startete 2001 als Trio, um zusammen mit Bass, Gitarre und den oben erwähnten Lo-Fi-Elementen den einzigartigen minimalistischen MELANCHOHOLICS-Sound zu erschaffen. Diesen präsentierte man auch gerne vor Publikum, meist als audiovisuelles Konzept in Kollaboration mit Video-Künstlern und Filmemachern. Drei Alben inclusive des zu rezensierenden wurden aufgenommen, doch kurz nach Fertigstellung von "Solar Café" erlag Gitarrist Benedikt mit nur 32 Jahren seinem Krebsleiden. Er muss also davon gewusst haben, als die Musik aufgenommen wurde und hat trotzdem bis zum letzten Augenblick alles ihm Mögliche in diese Musik gesteckt.
Und das bringt mich zurück zu den Klängen, die den Hörer auf "Solar Café" erwarten. Auf diese sollte man allerdings schon ein wenig vorbereitet sein, denn einfach so nebenher funktioniert dieser sehr ambiente Sound überhaupt gar nicht. Es gibt keinen Rhythmus oder Takt, auch nur ganz selten eine sich wiederholende Struktur und der böse Mensch wird sagen, hier handele es sich nur um eine Ansammlung von Geräuschen: Brummen, an- und abschwellendes Wabern, verzerrte Störgeräusche, glockenartige, lang anhaltende Töne und manchmal Sprechstimmen. Ich bin aber kein böser Mensch, sondern Musikjunkie und suche nach dem passende Ambiente, um diese Musik zu geniessen. Nebenher vorm Rechner: no way. Im Auto: no way. Aber ich gehe liebend gern sporteln und danach in die Sauna und mein Studio hat einen wunderbaren Wellnessbereich mit Wasserbetten, wo immer leises ambientes Geplänkel kommt. Das ist das perfekte Setup für MELANCHOHOLICS und "Solar Café" lief dort die letzten Wochen immer.
Man kann einfach perfekt abschalten und in die Musik versinken, die die düstere Antithese zu dem lieblichen Geplänkel aus den Lautsprechern über mir ist. Ganz langsam schwillt die Musik an und ab, aber man erkennt tatsächlich Strukturen, die sich in Raum und Zeit verlieren. Man ist in einem Paralleluniversum, wo die Frauen Bärte haben ('Hiring Bearded Women'), die Sonne tatsächlich kaffeebraun ist ('Solar Café') und wo man es geschafft hat, Atomkraft tatsächlich zu Wohl aller zu nutzen ('Nuclear Welfare'). Auch ein Titel wie 'Presence Of Absence' passt perfekt zu Musik. Und nein, es ist keine Trauermusik, es gibt auch keine Tragik, die das Ohr auf den unvermeidbaren Abschied von einem guten Freund lenkt. Es ist eher eine völlig unprätentiöse, von Liebhabern detailreich ausgearbeitete Klangmalerei, die eine dunkle, ambiente Musik erschafft, die ich so noch nie erlebt habe und die sich komplett vom Irdischen zu trennen scheint. Ausnahme ist das sehr verstörende aber irgendwie auch verständliche 'The End Belongs To This World'.
Ja, "Solar Café" hat es tatsächlich geschafft und mich dazu bewogen, das erste Mal überhaupt reine Ambient-Musik wirklich bewusst und bei voller Konzentration zu hören. Und das kann ich nur weiter empfehlen, wenn man denn die nötige Ruhe zur Verfügung hat.
Diesem Klangerlebnis eine Note zu geben, ist allerdings unmöglich.
- Redakteur:
- Thomas Becker