MOMENTUM - The Freak Is Alive
Mehr über Momentum
- Genre:
- Prog / Doom / Post Rock
- ∅-Note:
- 7.00
- Label:
- Dark Essence Records
- Release:
- 20.02.2015
- Bury The Eyes Once Gold
- Between Two Worlds
- Familiar Unknown
- Gauntlet
- The Freak Is Alive
- A Beast Is Near
- Creator Of Malignant Metaphors
- Undercover Imagination
- Depth Of The Whole
Faszinierender, allerdings etwas monotoner Düster-Doom-Prog
MOMENTUM aus Island ist und bleibt ein Phänomen. Wer bislang noch nicht von der Abordnung aus dem kalten Norden gehört hat, wird erstaunt sein zu erfahren, dass die Band vor einigen Jahren noch als extreme Black/Death-Metal-Kombo unterwegs war. Andererseits – achtet man einmal bewusst auf die tiefschwarzen Zwischentöne von "The Freak Is Alive", erhascht man tatsächlich einen Eindruck der morbiden Vergangenheit von MOMENTUM. Wobei Album Nr.2, nach dem 2010er Debüt "Fixation, At Rest", mittlerweile in eine deutlich ruhigere Kerbe schlägt: Die Isländer fahren heuer in düsteren Doom-Gefilden angesiedelten, tiefgründigen Prog/Post Rock auf und somit eine Platte für die ruhigen, nachdenklichen Winterabende.
Von den einstigen Extrempolen ist nicht viel übrig, und doch bietet "The Freak Is Alive" noch einiges an finsteren Qualitätsmerkmalen, um die Aufmerksamkeit der Hörerschaft zu fesseln. MOMENTUM ist anno 2015 fast durchweg in sehr getragenem Tempo unterwegs, ausgestattet mit einem schlichten, kernigen Soundgewand, dabei subtil verproggt, ein wenig wie TOOL oder NEUROSIS. Frappierend – und heutzutage fast schon ungewöhnlich – fällt vor allem die markante Vokalarbeit aus: Sänger Holaf singt auf geradezu beschwörerische Art und Weise, in tiefem, sonorem Gleichklang. Gepaart mit dem zunehmenden Sog, den die unwiderstehlich malmende Instrumentalfraktion entwickelt, wird der Hörer hier geradezu in hypnotische Trance versetzt. Zugleich entfaltet MOMENTUM auf dem zweiten Langspieler aber auch ein warmes Gefühl der Geborgenheit, gleich einer organischen Höhle, in die sich der Hörer vor dem Schrecken der dämonischen Außenwelt verkriechen kann.
'Bury The Eyes Once Gold' eröffnet das Album zunächst noch mit einem bedrohlichen Riff-Gewitter und schwarzmetallischem Geschrei – doch nach kaum zwei Minuten vollziehen die Nordmänner eine Kehrtwende, vertreiben die Wolken, lassen die Sturmflut abebben und kaltes, klares Licht in die fahle Landschaft scheinen. Genial, wie der wilde Auftakt umgekehrt wird und erst im weiteren Songverlauf die eigentliche doomige Grundstimmung des Albums zum Vorschein kommt. Holaf entfaltet nun, mit den ruhigen Tönen, sein ganzes Können. Auch als der Härtegrad wieder angezogen wird, bleibt der Grundtenor verhalten, obwohl stets ein ganzer Abgrund an Düsternis unter der Oberfläche zu lauern scheint. Reste von nordeuropäischem Post Metal Marke CULT OF LUNA oder ISIS glänzen ebenfalls an der Oberfläche des MOMENTUM-Sounds, wobei von Metal im ursprünglichen Sinn auf dem vorliegenden Album nur wenig zuhören ist. Anspruchsvolle Musik für lange, dunkle Abende. Hier und da flackert in der Ferne noch ein unheimlicher Feuerschein auf, doch die Bedrohung ist weit weg – der Freak ist keine Gefahr, ein dunkler Gefährte zwar, doch zugleich ein Verbündeter, ein verständiger Leidensgenosse. 'Familiar Unknown' besteht aus einer warmen, beschwörerischen Gesangslinie, voller friedlicher Wärme. Mit 'Gauntlet' geht die Wanderschaft durch einen eisigen, pechschwarzen Nordwald weiter. Im Titeltrack offenbart sich der Freak schließlich als nachdenklicher Gesell. Noch einmal tritt bei 'A Beast Is Near' die Unterwelt zutage, doch mehr als unheimliches Albtraumszenario denn als reale Bedrohung. Selbst der Wutausbruch bei 'Creator Of Malignant Metaphors' wühlt nur noch kurz auf, verflüchtigt sich jedoch ebenso schnell wieder wie ein Herbststurm.
Die Faszination bleibt bestehen, allerdings beginnt "The Freak Is Alive" im weiteren Verlauf auch etwas einzuschläfern. Dazu trägt ausgerechnet der eigentlich großartige Gesang bei. Der Grundton bleibt doch über eine Stunde hinweg recht monoton, und auch wenn die einzelnen Kompositionen genug versteckte Details parat halten, um auch nach mehreren Durchläufen noch überraschen zu können, verkommt das Album je länger, je mehr zum reinen Hintergrundsoundtrack und lullt den benommenen Hörer schließlich ein, anstelle ihn über die gesamte Laufzeit zu fesseln. Dennoch ist MOMENTUM mit "The Freak Is Alive" ein Album gelungen, das fernab von aufgesetzter Härte oder Bösartigkeit eine unterschwellig lodernde Atmosphäre erschafft und mit tiefgründigen Kompositionen aufwartet, wie sie gerade in Sachen Doom nur selten zu finden sind. Der Freak beißt zwar nicht – ein faszinierender Gesell ist er allemal.
Anspieltipps: Bury The Eyes Once Gold, The Freak Is Alive
- Note:
- 7.00
- Redakteur:
- Timon Krause