MY GRIMACE - Grim Serenades
Mehr über My Grimace
- Genre:
- (Melodic) Death Metal
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Inverse Records
- Release:
- 08.05.2015
- Candidates
- Grim Serenade
- Dire Need
- Abandon All, Leave The Mourning Behind
- Reveal Nothing
- Drink Of Death
- Red Glow
- Twilight Zone
Episch währt am längsten - wegweisender Modern Death Metal
Kann man sich modernen melodischen Death Metal heutzutage noch vorstellen, ohne an ausgenudelten Melo-Death Marke AT THE GATES zu denken, oder die endlosen Heerscharen von Metalcore-Klonen, denen Göteborg einst den Weg bereitet hat? MY GRIMACE gelingt genau dies: ein Todesstahl-Feuerwerk mit episch-melodischem Anstrich abzuliefern, das erdiger und stärker im Oldschool Death verwurzelt kaum sein könnte. Die zahlreichen Synthie- und Keyboard-Elemente mögen an harmlosere Zeitgenossen wie CHILDREN OF BODOM oder DARK TRANQUILITY erinnern, doch wer glaubt, die Finnen würden hier ihren kratzbürstig-rohen Sound verwässern, liegt völlig daneben. Die Melodik, die hier einmal nicht von doppelläufig gegniedelten Gitarren herrührt, verleiht dem modernen Death Metal der Newcomer aus dem Norden einen beeindruckenden epischen Anstrich. Natürlich steckt auf "Grim Serenades" auch einiges von alten Horror-Heroen wie VENOM oder ARCH ENEMY, doch mit dem betont feierlichen Überbau legt MY GRIMACE einen ganz eigenen Schwerpunkt, verleiht der ansonsten ziemlich finsteren Musik einen geradezu erhabenen Rahmen.
Die ersten Sekunden lassen zunächst Befürchtungen an einen 0815-Dark-Metal-Vertreter aufkommen – doch sobald die schlichten Synthie-Streicher verklungen sind, brennen die Herren aus dem hohen Norden ein beeindruckend abwechslungsreiches Feuerwerk ab: Der Opener 'Candidates' kommt mit hoher Schlagzahl und synkopierter Rhythmik daher, sowie dem wüsten Gebell von Jere Hämäläinen – eine Death-Metal-Keule wie sie im morbiden Bilderbuch steht. Aufgelockert wird dieser Gemetzel im weiteren Verlauf von virtuosen Gitarrensoli und festlich ausgebreiteten Tastenklängen. Der folgende Titeltrack setzt hier nahtlos an: Über herrlich rohe Gitarrenriffs breiten die Keyboards ihren festlichen Soundteppich, ganz ohne Kitsch, ohne Nervfaktor. Beim Vers dann zunächst feistes Geschrubbel, später VAN HALEN-artige Gitarrenlicks, und schließlich ein majestätisch-tödlicher Refrain, mit Doublebass, Halleffekten, königlichen Melodiebögen. Es folgt ein ziemlich brutal stampfendes Intermezzo, ehe die Flammen des umwerfenden Kehrverses wieder auflodern. 'Dire Need' mit seinem monströsen Midtempo-Einstieg und RAGEschem Riffing geht flott über einen hektischen, Pogo-tauglichen Vers in einen abermals mächtigen, getragenen Refrain über, und wechselt zwischen diesen gegensätzlichen Bestandteilen ohne Reibungsverluste hin und her. Da hört der Nordlicht-Anbeter INSOMNIUM raus, der deutsche Todesblei-Anhänger HEAVEN SHALL BURN, der Brite VENOM – doch vor allem klingt MY GRIMACE eben nach MY GRIMACE. Intelligentes, abwechslungsreiches Songwriting, eine ebenso ausgewogene wie sumpfig-dreckige Produktion, wunderbare Gitarrenarbeit – und auch Jere Hämäläinen drückt der bösartigen Mixtur trotz relativ einseitigem Stimmspektrum seinen charakteristischen Stempel auf.
Nur bei 'Abandon All, Leave The Mourning Behind' wurde es mit den Keyboards doch übertrieben, und auch sonst fällt Track Nr.4 im Gesamtvergleich etwas ab. Das folgende 'Reveal Nothing' zieht den Karren allerdings sofort wieder aus dem Dreck: Trotz abermals sehr dominanter Tastenarbeit bretzelt der bissige Vers wieder von vorne bis hinten, und der markante Gesang im Refrain (das einzige Mal dass auf dem Album nicht guttural die Stimmbänder malträtiert werden) sorgt gänzlich ohne weinerlichen Einschlag für stramme Gänsehaut. Zwischendurch wieder ein ruhig-schauriges Interlude, gleich dem deprimiert schweifenden Blick über ein Blut getränktes Schlachtfeld nach dem Gemetzel, ehe die Waffen wieder ausgepackt werden und weiter gewütet wird. Wenn der Gesang in der letzten Wiederholung von Hämäläinens brutalen Schreien abgelöst wird, bleibt dem kritischen Schreiberling nur die bedingungslose Kapitulation. Herrschaften, so muss Death Metal im 21.Jahrhundert klingen! Die letzten drei Nummern noch ausführlicher zu beschreiben würde hier endgültig den Rahmen sprengen – knackig-flott und genial thrashig der 'Drink Of Death', gitarrentechnisch herausragend der brutale 'Red Glow', doomig-beschwert die 'Twilight Zone' -, die Nordeuropäer leisten sich jedenfalls keinen Ausfall mehr.
Ganz ehrlich - ich bin vermutlich noch lange nicht fertig mit "Grim Serenades". Seit BILLY BOY IN POISONs "Watchers" habe ich jedenfalls keinen so innovativen Vertreter in Sachen Death Metal mehr gehört. Dass MY GRIMACE hier mit dem Banddebüt bereits solch hochwertige Arbeit abliefert, sorgt für zusätzliches Erstaunen. Freunde der dunklen Klänge, schenkt diesen Finnen und ihrem epischen Todesstahl euer Gehör. Durch die ausgezeichnete Verbindung von blutig-rohem Oldschool-Death mit dezent zeitgemäßer Rhythmik und den großartigen atmosphärischen Momenten kürt sich diese talentierte Band zur neuen Hoffnung in ihrer Seitensparte des Schwermetalls.
Anspieltipps: Reveal Nothing, Grim Serenade, Red Glow
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Timon Krause