NE OBLIVISCARIS - Urn
Auch im Soundcheck: Soundcheck 10/2017
Mehr über Ne Obliviscaris
- Genre:
- Extreme Progressive Metal
- ∅-Note:
- 8.00
- Label:
- Season Of Mist
- Release:
- 27.10.2017
- Libera (Part I) – Saturnine Spheres
- Libera (Part II) – Ascent of Burning Moths
- Intra Venus
- Eyrie
- Urn (Part I) – And Within The Void We Are Breathless
- Urn (Part II) – As Embers Dance In Our Eyes
Hochseilartisten des düsteren Irrsinns - Nein, Euch werden wir ganz sicher nicht vergessen!
Unter dem Namen NE OBLIVISCARIS haben sich fünf australische Grenzgänger zusammen getan, mit der Mission die Kinnladen der Musikliebhaber lächelnd herunterklappen zu lassen. Genauer gesagt ist es die Grenze zwischen Genie und Wahnsinn, die auf den Alben dieser Truppe inbrünstig erkundet wird. Die Schubladisierungsfanatiker nennen so etwas Extreme Progressive Metal. Das sensationelle Debüt "Portal Of I" entflammte vor einigen Jahren unsere Soundchecker fast geschlossen. Ich würde dem Album heute sogar noch einen Punkt mehr geben als ich es in der Gruppentherapie getan habe - und dabei waren es damals schon Neun. Überflutend symphonische Kompositionen schnürte die Band damals aus filigranem, stimmungsvollem Alterna-Prog samt Geige und bitterbösen schwarzmetallischen Eruptionen. Der Nachfolger "Citadel" hatte es bei uns in der Redaktion dann schon deutlich schwerer; ein beim Vorgänger noch begeisterter Kollege vergab für dieses Album ganze 3,5 Punkte weniger (!) und kommentierte nur noch trocken "Aua Kopf". Das lag vor allem daran, dass die Extreme im NE OBLIVISCARIS-Sound eben nicht mehr so selbstverständlich ineinander griffen und über manche Schmerzgrenze hinaus getrieben wurden. Besonders krass zu sein ist eben für die meisten Menschen kein Wert an sich.
So viel leichter wird die Angelegenheit mit dem dritten Album namens "Urn" auch nicht werden. Was mich persönlich vor allem irritiert, ist, dass der Band über die Jahre die Magie und die Eleganz, die Fähigkeit zur zauberhaften Verschmelzung von Gegensätzen immer mehr abhanden zu kommen scheint. Für detailverliebte Feinschmecker gibt es da immer noch mehr als genügend Beglückendes und zutiefst Befriedigendes zu entdecken. Aber der große Glanz der frühen Tage ist leider dahin. Wo damals entrückte Melodien den NE OBLIVISCARIS-Kosmos wie Regenbögen überspannten, serviert man heute eher nachdenkliche und introvertierte Töne. Die Härte findet anno 2017 nur noch teilweise in Schwarz, dafür zu häufig im brüllenden Core statt. Die Violine verströmt weniger wehmütige Hoffnung, dafür mehr selbstreferenzielle Melancholie. Man kann es auch an Hörbeispielen festmachen: Dem NE OBLIVISCARIS-Geist, den ich so sehr liebe, kommt der Opener 'Saturnine Spheres' am nächsten. Da erinnert mich der klare Gesang zaghaft an meine dänischen Lieblinge von SIAMESE (FIGHTING FISH). Was mich eher ernüchtert, sind wenig strukturiert vor sich hin mäandernde, sperrig und verloren wirkende Werke wie 'Eyrie'.
Trotzdem einer gewissen Enttäuschung muss ich jetzt aber doch darauf achten, die Kirche der Kritik im Dorf der Realität zu lassen. Denn auch das, was NE OBLIVISCARIS heute macht, ist immer noch spannend und bewegend. Es fordert den bereitwilligen Hörer zur Auseinandersetzung heraus. Nach meiner Definition sind das charakteristische Merkmale von Kunst. Somit tut man sich naturgemäß schwer mit Benotungen, weil es einfach keinen Maßstab für Alben wie "Urn" gibt. Wer sich in komplexer Musik festbeißen und an ihr ästhetisch abarbeiten mag, wird diese Platte zu schätzen wissen. Otto Normalhörer jedoch sollte sich ganz vorsichtig heran tasten. Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und sagen Sie ihrem Arzt er sei ein Apotheker.
- Note:
- 8.00
- Redakteur:
- Martin van der Laan