NEVERMORE - The Obsidian Conspiracy
Auch im Soundcheck: Soundcheck 05/2010
Mehr über Nevermore
- Genre:
- (Power) Metal
- ∅-Note:
- 7.75
- Label:
- Century Media (EMI)
- Release:
- 28.05.2010
- The Termination Proclamation
- Your Poison Throne
- Moonrise (Through Mirrors Of Death)
- And The Maiden Spoke
- Emptiness Unobstructed
- The Blue Marble And The New Soul
- Without Morals
- The Day You Built The Wall
- She Comes In Colors
- The Obsidian Conspiracy
Kritik an NEVERMORE? Wie vermessen...
Manchmal fragt man sich schon: Sieben Noten über 8.0, ein Durchschnitt von 8.5 und Soundcheck-Sieger. Da sehen die 6.0 Punkte von mir direkt kümmerlich und ein wenig herausragend aus. Bin ich ein Kostverächter? Ästhetikfeind? Musikalischer Rohrkrepierer? Nun, augenzwinkernd möchte ich antworten: Natürlich nicht. Doch wie kommen diese 2.5 Punkte Unterschied zustande? Die Wurzelsuche bringt zunächst zu Tage, dass NEVERMORE mich noch nie begeistern konnten. Mein Respekt vor diesem Namen ist denkbar gering und "The Obsidian Conspiracy" stellt meine erste intensive Berührung mit dieser Band dar. Insofern kann ich den Makel des Nichtauskennens im Backkatalog mit dem Hinweis auf eine mehr oder weniger losgelöste Betrachtung hinweglächeln. Deswegen fruchten die im Refrain ausgestreuten Samen im Opener 'The Termination Proclamation' auf dem unbestellten NEVERMORE-Acker in meinem Kopf sofort und lassen mich bald mitpfeifen. Toll. Insgesamt gefällt mir das Organ von Warrel Dane sehr gut, oft erinnert er mich auf eine gewisse Art und Weise an Zak Stevens (SAVATAGE, CIRCLE II CIRCLE), gar nicht mal vom Klang, vielmehr von der Art der Intonation und Interpretation. Toll ist auch die Sologitarre von Jeff Loomis, vielfach äußerst passend eingesetzt und in der Summe auf einem technisch verehrungswürdigen Niveau.
Eigentlich ließe sich das so stehen lassen, klingt nach acht, neun Punkten, fertig. Doch das ist es nicht, kann es nicht sein. Wo ist diese Genialität, von der die NEVERMORE-Fans immer reden, wo diese unglaublichen Ideen, wo das absolut Besondere und Einzigartige? Bei intensiven Weiterhören fallen mir verschiedene Dinge zunehmend negativ auf: Das Riffing der Strophen bewegt sich in einem sehr engen, musikalischen Rahmen, der nur selten gesprengt wird. Kontrastierende Rhythmen treffen auf ein dynamisches Schlagzeug, doch die Versiertheit der Gitarre kommt selten in der Strophe raus, erst in den Solo-Parts weiß die Gitarre echt zu überzeugen. Es scheint mir fast so, als würde sich die Band vielfach einfach auf das Organ von Dane verlassen, als drehe man sich im Kreis und würde mit dem musikalischen Zeigefinger auf die eigene, herausragende Bandgeschichte verweisen und damit sagen wollen: "Unsere Fans wissen, was sie wollen, hier bekommen sie es, wir liefern unsere Arbeit ab und jetzt lasst uns in Ruhe." Übrigens grundsätzlich ein Problem vokalfokussierter Bands, die es nicht schaffen, sich neu zu definieren – ein gutes Beispiel ist hier auch MANOWAR. Doch um allein mit dem Gesang zu überzeugen, ist mir die Herangehensweise von Dane zu einfach: Eine Leadstimme mit im Hintergrund umspielenden Zweitstimmen ist toll, aber nicht, wenn sie sich im wesentlichen im kompositorischen Kreis dreht und nur eine Ahnung einer genialen Leistung abliefert. Und das führt mich zum letzten Problem, das dieses Album hat: Es gibt sehr wenige Höhepunkte, die Songs weisen auf einen klimaktischen Aufbau hin, dessen Erwartung aber so gut wie nie erfüllt werden – und das wiederum durch eine gefühlte Zurücknahme des Emotionen, die der Gesang transportieren könnte, eben ganz anders, als es beispielsweise der angesprochen Zak Stevens schafft.
So stehe ich nach wie vor ratlos vor der hohen Note meiner Kollegen und frage mich, was sie dort herausgehört haben. Mittlerweile bin ich der Meinung, dass es auch reichen kann, sich durch dieses Album an mögliche Großtaten der Band erinnert zu wissen, um sich voller Freude in diese Musik fallen zu lassen. Ich lasse mich durch die Kälte, die Distanz der Band zu ihren Kompositionen und durch das reine Verlassen auf die eigenen Talente, ohne sie ins rechte – geniale – Licht zu rücken, aber nicht überzeugen.
- Note:
- 6.00
- Redakteur:
- Julian Rohrer