OPETH - Blackwater Park
Mehr über Opeth
- Genre:
- Progressive Death Metal
- Label:
- Music for Nations / Peaceville / Rough Trade
- Release:
- 12.03.2001
- The Leper Affinity
- Bleak
- Harvest
- The Drapery Falls
- Dirge For November
- The Funeral Portrait
- Patterns In The Ivy
- Blackwater Park
Ich muss gestehen, dass ich seinerzeit von OPETH so viel verstand wie ein Holzfäller von Metallbearbeitung. Also machte ich mich auf bewährten Metalseiten schlau und entlarvte OPETH als schwedische Progressive-Death-Metal-Band, die eine Vorliebe für unmenschlich lange Songs aufweist. Die Truppe besteht zurzeit aus vier Mannen: Mikael Åkerfeldt (Gitarre & Vocals), Peter Lindgren (Gitarre), Martin Mendez (Bass) und Martin Lopez (Drums, trommelt nebenbei auch noch bei AMON AMARTH). Ihre Debütscheibe "Orchid" erschien 1995 (damals noch mit anderem Schlägelbuben und anderem Bassisten). Ihr aktuelles Album "Ghost Reveries" wurde 2005 veröffentlicht und ist bereits ihr achter Longplayer.
"Blackwater Park" erblickte im Jahre 2001 über Peaceville Records das Licht (oder besser das Dunkel) der Metalwelt. Obwohl das gute Stück nur acht Tracks besitzt, ist es stolze 67 Minuten lang. Dass OPETH nicht gerade die fröhlichste Sorte Musik machen, beweist eigentlich bereits das Cover. In Grau- und Beige-Tönen gehalten, zeigt es einen schemenhaften toten Wald, in dem man kaum wahrzunehmende Schatten zu erkennen glaubt. Darüber schwebt das meiner Meinung nach sehr ästhetische Logo der Band. Alles also sehr kalt und auch beängstigend, aber durchaus edel und passend zum Album. Und zu dem kommen wir jetzt ...
Ich gestehe, dass ich mit sehr gemischten Gefühlen an meine ersten OPETH-Rezension herangegangen bin. Mein Musikgeschmack hatte sich in der letzten Zeit zwar schon ziemlich geöffnet, dennoch stand ich "Blackwater Park" mit einer ordentlichen Portion Skepsis gegenüber. Glücklicherweise lieh ich der Platte dennoch mein Ohr.
Zu Beginn des Openers 'The Leper Affinity' baut sich ein dumpfer Klang unausweichlich im Hörorgan auf, bevor OPETH dann urplötzlich mit einem sehr groovigen und komplexen Gitarrenriff in das zehneinhalbminütige Metal-Epos einsteigen. Und kaum lässt Mikael Åkerfeldt seine kräftige Stimme von der Leine, hat es mich gepackt. Das äußerst dichte Klangbild fügt sich nahtlos mit dem gottesgewaltigen Organ des Sängers zusammen, welches immer wieder die Brücken zwischen den verboten guten Gitarrenriffs und –soli baut. Bisher ist (abgesehen von der unerwarteten musikalischen Genialität) also alles wie erwartet. OPETH walzen, ohne auch nur an ein Stopp zu denken, minutenlang gnadenlos über den Hörer hinweg, aber anstatt ihn zu erdrücken, umschließen sie ihn, hüllen ihn ein und nehmen ihn im positiven Sinne gefangen.
Doch dann, nach etwa viereinhalb Minuten, passiert das völlig Unerwartete. Die Musik wird langsam ruhiger, und plötzlich setzen akustische Gitarren und ein cleaner, hypnotischer Gesang ein. Und der ist so schön, dass man erst einmal zusammenzuckt. Und erst jetzt wurde mir eigentlich klar, dass ich hier beinahe eine absolute Metal-Perle übergangen hätte (da kann man mal sehen, wohin Vorurteile führen). Denn die Atmosphäre, die sich hier aufbaut, verleitet zum Augenschließen und träumen. Da stört es auch absolut nicht, dass Åkerfeldt alsbald wieder in sein Gegrowle zurückfällt. Im Gegenteil, in Verbindung mit dem ruhigen Piano zum Schluss schließt es den Track gelungen ab und lässt einen fast vergessen, dass man sich gerade zehn Minuten lang begeistert dieser Band gewidmet hat, welche man zuvor nicht einmal mit der Kneifzange angepackt hätte.
Bevor ich jetzt bei jedem einzelnen der acht Songs in nicht enden wollende Begeisterungsstürme verfalle, versuche ich besser, das Feeling dieser Ausnahmeplatte zusammenzufassen. "Blackwater Park" ist eine Stunde voller musikalischer Agressivität, Epik und Abwechslung, und ist ganz nebenbei noch eines der ästhetischsten Werke, die jemals an meine Ohren dringen durften. Das Klampfen-Duo Åkerfeldt/Lindgren schüttelt ein Hammer-Riff nach dem anderen aus dem Ärmel, ohne sich dabei zu wiederholen, geschweige denn den Hörer zu langweilen. Die Stücke sind wie eine gute Partitur geradezu durchkomponiert, jedes Arrangement ist an seinem Platz und spinnt den atmosphärischen Faden OPETHs weiter. Dabei spielt es keine Rolle, ob das in Form einer akustischen Gitarrensymphonie, einer klangvollen Pianoeinlage oder einer gesanglichen Meisterleistung Åkerfeldts geschieht. Und das alles wird eingepackt in eine sphärische und düstere Grundstimmung, die mit jeder einzelnen Note fortgesetzt und unterstützt wird.
Der einzige Negativ-Punkt, den sich "Blackwater Park" gefallen lassen muss, ist, dass es beinahe unmöglich ist, diese Platte konzentriert am Stück zu hören, ohne gedanklich den Faden zu verlieren. Die schier unglaubliche Länge der Songs und das komplexe Arrangement heben den Anspruch, den dieses Album an den Hörer stellt, gewaltig in die Höhe. Dennoch sollte niemand davor zurückschrecken, sich den Silberling mal zu Gemüte zu führen, schließlich hat es sogar mich als Vollblut-Neo-Metaller in seinen Bann gezogen. Wer also der epischen Gitarrenmusik grundsätzlich nicht abgeneigt ist, sollte sich einfach mal ein paar Kopfhörer schnappen und sich Lieder wie 'The Leper Affinity' oder das göttliche 'The Funeral Portrait' anhören. Wer sich auf OPETH einlässt, wird hundertprozentig nicht enttäuscht. Alle Freunde des schnellen Musikvergnügens und der Stimmungs- und Partymusik sollten sich allerdings anderweitig orientieren.
Anspieltipps: The Drapery Falls, The Leper Affinity, Harvest, A Funeral Portrait
- Redakteur:
- Dennis Hirth