OPETH - Heritage
Auch im Soundcheck: Soundcheck 09/2011
Mehr über Opeth
- Genre:
- Progressive Rock
- ∅-Note:
- 7.75
- Label:
- Roadrunner Records (Warner)
- Release:
- 16.09.2011
- Heritage
- The Devil's Orchard
- I Feel The Dark
- Slither
- Nepenthe
- Häxprocess
- Famine
- The Lines In My Hand
- Folklore
- Marrow Of The Earth
Die entrückteste Scheibe der Schweden wandelt weit abseits ausgetretener Pfade.
"Heritage" macht es mir nicht leicht.
Nach dem fast schon klassischen Intro durch das Titelstück folgen mit dem metallisch-jazzigen 'The Devil's Orchard' sowie dem langwierig sich windenden 'I Feel The Dark' zwei Stücke, die zwar hübsch gemacht sind (das zweite erinnert im ersten Part entfernt an das "Damnation"-Album), mich jedoch relativ kühl zurück lassen - was vielleicht daran liegt, dass sie so gefühlsmäßig distanziert daherkommen. Mikael Åkerfeldts Gesang klingt hier sehr entrückt und die Stimme irgendwie nachbearbeitet. Erst mit dem von Siebzigerjahrerock beeinflussten Metalstück 'Slither' klingt die Musik in meinen Ohren etwas intensiver und leidenschaftlicher.
OPETH war noch nie eine Band, die poppig-eingängiges Material für den Grabbeltisch verfertigte. Dennoch scheint mir diese Uneingängigkeit mit dem jüngsten Album auf die Spitze getrieben zu sein. Die eigenwillige Fusion aus Freejazz und ambientem bis hart progressivem Rock, die ein Stück wie 'Nepenthe' auszeichnet, legt dem bisherigen Schaffen der Band noch eine gehörige Schippe Verschrobenheit obenauf. Da ist sie wieder, diese seltsam entrückte Grundstimmung.
Die ruhigere, offenere Weise, mit der OPETH auf "Heritage" songwriterisch experimentiert, führt den Sound der Band weit aus ihrem ursprünglich metallischen Kontext heraus. 'Häxprocess' etwa erinnert eher an die Kompositionen von STEVE HACKETT AND THE UNDERWORLD ORCHESTRA als an das Klanggewand einer ehemaligen Death-Metal-Band, auch wenn hier mitunter noch Harmonieläufe wie in "Ghost Reveries" durchscheinen, anhand derer man OPETH zweifellos wiedererkennen kann. Der Ausgang des Stücks jedoch klingt fast schon bluesig, erinnert mich melodisch sogar an die verspielteren Momente im 'Paint It Black' der ROLLING STONES.
So wirklich gefühlig wird es für mich allerdings erst ab dem siebenten Stück auf "Heritage", das auf dem Album ohnehin deutlich herausragt mit seiner extrem spärlichen Instrumentierung und einer unvorhersehbaren Abfolge aus arabisch anmutender Einleitung, hypnotischer Percussionpassage, schwebendem Klavier/Gesangs-Part und schließlich jazzig verzwirbeltem Progressive Rock mit intensivem Düstergroove, welcher sich zwischendurch abermals in einer kärglichen, verschleppten Percussionpassage zu verlieren scheint, bevor flötenuntermalte Doomläufe dem Stück eine ungewohnte Schwere verleihen, die wiederum von müde anmutenden Arabesken durchwirkt und in folkloristisch anmutende Jazzgefilde überführt wird, bevor der Doom danach um so bedrückender wieder hereinwolkt. Doch selbst dieses für mich emotional nahezu anrührendstes Stück auf "Heritage" tönt seltsam entrückt.
Grooviger, irgendwie fassbarer - obschon fatamorganagleich flirrend - wird es im bisweilen fast schon hippiesk anmutenden 'The Lines Of My Hand', in welchem OPETH einen dichtgewebten Rhythmusteppich ausrollt. Hierbei handelt es sich um das aus meiner Sicht eingängigste Stück eines darum noch längst nicht einfach zugänglichen Albums. Nein, seicht sind die Kompositionen auf "Heritage" wahrlich nicht geraten, selbst wenn es sich hierbei um das nach "Damnation" ruhigste Album der Schweden handelt.
Weitere Arabesken durchgleitet die mal eher sinnierende, dann wieder gedämpft beschwingt vor sich hin mäandernde Siebzigerjahreprogrockhommage 'Folklore', ein zwar zumeist langsam gespieltes und doch wie rauschartig am Hörer vorbeiziehendes Stück, von dessen Art ich mir noch mehr gewünscht hätte. Doch kaum ist dieses verhallt, geleitet uns das entspannt verträumte 'Marrow Of The Earth' auch schon abspannmusikartig aus dem Album hinaus.
"Heritage" klingt auch nach mehreren Durchläufen für mich noch immer fremd und seltsam. Wer gerne die musikalische Herausforderung sucht und sich vor scheinbar ziellos mäandernden Stücken nicht fürchtet, wird damit so manche akustische Nachtwanderung ins Ungewisse verbinden können.
- Note:
- 8.00
- Redakteur:
- Eike Schmitz