ORANSSI PAZUZU - Muuntautuja
Mehr über Oranssi Pazuzu
- Genre:
- Psychedelic Black Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Nuclear Blast Records
- Release:
- 11.10.2024
- Bioalkemisti
- Muuntautuja
- Voitelu
- Hautatuuli
- -
- Valotus
- Ikikäärme
- Vierivä Usva
Beunruhigender, aber kathartischer Schauertrip mit ungewissem Ausgang.
Man sagt den Erfahrungsberichten von LSD-Konsumierenden nach, dass sich die Wirkung des Halluzinogens beziehungsweise auch anderer psychedelischer Substanzen nur sehr schwer bis gar nicht in Worte fassen lässt und nur real im wahrsten Sinne des Wortes erfahrbar sei. Das Unterfangen sei noch unmöglicher als einen nächtlichen Traum in halbwegs verständliche Sinnzusammenhänge zusammenzufassen.
Ich kenne ziemlich genau eine Band, bei der es mir ähnlich geht und ich mich nicht gerade leicht tue, die Musik in Schriftform zu gießen. Sie heißt ORANSSI PAZUZU, kommt aus Finnland und legt mit "Muuntautuja" (zu Deutsch: Gestaltwandler) ihr mittlerweile sechstes Studioalbum vor. Für mich ist die alles entscheidende Frage: Wird es der Band gelingen, auch nur ansatzweise das schwindelerregend hohe Niveau des Vorgängers "Mestarin Kynsi" zu erreichen, der in meiner Welt bereits jetzt Klassikerstatus besitzt? Ein psychedelischer, in irrwitzige Klangkaskaden gegossener musikalischer Fiebertrip, gleichzeitig so bizarr und spirituell wie hypnotisierend in seiner ganzen Sogwirkung, der man sich nur schwer entziehen kann, wenn man sich wirklich zu hundert Prozent intensiv auf die Musik einlässt.
Auch das neue Werk macht es einem nicht leicht, und man muss schon ein überdurchschnittliches Maß an Hingabe und Leidenschaft (und eine generelle Offenheit für extreme psychedelische Sounds) mitbringen, um sich den phantasmagorischen und dreidimensional durch den Äther fliegenden Klängen zu stellen. Wie in den meisten Fällen ist der erhaltene Gegenwert dafür aber immens und ergiebig.
Auch auf "Muuntautuja" sucht man klassische Songstrukturen vergeblich. Chorus, Intros, Soli, Refrains, Hooklines, Mittelteil, Bridges - in der musikalischen Welt der Finnen alles sinnentleerte Begriffe, die der wahren Kompositionskunst und Kreativität eher hinderlich als förderlich sind. Der Ansatz ist hier ein anderer: Intuitiv und improvisierend, ohne jegliche Ansätze von Formen und Strukturen, entstehen die einzelnen Soundcollagen hier im gemeinschaftlichen Schreibprozess. Statt eines Albums im herkömmlichen Sinne steht hier am Ende eher ein allumfassendes Sounddesign, welches nur im Ganzen konsumiert den Hörenden eine vage Idee darüber vermitteln kann, was die Band hier zu schaffen versucht gewesen ist. Rezipient und Sender stehen hier also im immer wiederkehrenden Austausch.
Konfuses Schreiber-Geschwafel? Ja, vielleicht. Und genau deswegen erspare ich mir hier auch das detaillierte Eingehen auf jeden einzelnen der acht Tracks. Grundsätzlich lässt es die Band hier noch elektronischer, experimenteller und abstrakter angehen als auf den vorangegangenen Releases. Klassische Gitarrenriffs sucht man hier nun fast vergeblich. Synthie-Einsprengsel, Gitarrenteppiche, Percussionwirbel, Kraftwerk-artige sowie rituell anmutenden Sprechpassagen, kurze enigmatische Keyboard-Fragmente sowie weitere rätselhaft anmutende Geräuschkulissen und eruptive Lärmimplosionen - alles manifestiert sich hier wie in kurzen, aber heftigen und stroboskopartigen Lichtblitzen. War auf dem Vorgänger noch ein gewisser Rahmen vorhanden, stehen die Stücke hier gänzlich für sich selbst, scheinen nichts miteinander zu tun haben und fügen sich am Ende doch auf mysteriöse Weise zu einem großen verbindenden Ganzen zusammen. Einige musikalische Abschnitte würden sich hervorragend als Soundrack eignen für die verstörenden, transzendentalen Filme eines David Lynch oder Gaspar Noé. Dass das Cover-Artwork erstmals in schwarz-weiß gehalten ist, dürfte kein Zufall sein. So abgründig und düster hat die Band bisher noch nie agiert, kreisen die Texte hier doch um Themen wie Tod, Unsterblichkeit und Reinkarnation.
Wie ich eingangs bereits erwähnte: So wenig sich die furchterregende und beunruhigende Kunst der Finnen auch nur annährend in so etwas wie ein musikalisches Korsett pressen lässt, so vergeblich erscheint im Gegenzug auch der Versuch, all dies in einem klassischen Review zusammenzuführen. Man wird also nicht umhinkommen, dem Vorbild eines klassischen Protagonisten aus einer H.P. Lovecraft- Erzählung folgend, allein auf sich gestellt, sich komplett dem kosmischen und unsichtbaren Grauen hinzugeben, welches an jeder Ecke lauert und sich jederzeit Bahn brechen kann. Diese Reise kann am Ende des Tages zu einer Art spirituellen Erleuchtung führen, möglicherweise endet sie aber auch in den eiskalten interstellaren Untiefen des Weltraums, aus denen es nie wieder ein Entkommen gibt...
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Stephan Lenze