OUTWORLD - Outworld
Mehr über Outworld
- Genre:
- Progressive Metal
- Label:
- Replica Records
- Release:
- 25.05.2007
- Raise Hell
- Riders
- Warcry
- Outworld
- The Never
- City Of The Dead
- Prelude To Madness
- The Grey Tide
- I Thanatos
- Polar
Wie beginne ich ein Review, das euch einfach komplett überzeugen muss? Ich gebe ja gerne zu, das eine oder andere Superlativ ist auch bei mir in der Vergangenheit fälschlicherweise benutzt worden. Dennoch hatten sie auch oft genug ihre Berechtigung ...
Der ehemalige Sänger von BEYOND TWILIGHT, Kelly Sundown Carpenter, hat seine frühere Truppe aufgegeben, um sich OUTWORLD zu widmen. Es scheint sich gelohnt zu haben, denn was OUTWORLD auf ihrem Debüt abliefern, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das beste Debüt des Jahres 2006 und das beste Prog-Power-Album seit langer, langer Zeit (und das ist noch weit untertrieben).
Woran erkennt man ein Album für die Ewigkeit? Meine Wenigkeit weiß spätestens dann, dass er ein Album in den Händen hält, das einen sein Leben lang verfolgen wird, wenn nach mehreren Wochen und Monaten sich fast jeder einzelne Song des Albums für eine gewisse Zeit zum persönlichen Lieblingstrack entwickelt hat. So geschehen bei "Outworld".
Es kommt schon recht selten vor, dass mich der erste Moment des Reinhörens absolut begeistert: Auf der offiziellen Homepage der Band gingen mir die Samples nicht mehr aus dem Kopf. Was für eine Atmosphäre, was für eine Bandharmonie, was für ein Gitarrist, und, verflixt noch mal, was veranstaltet Kelly Carpenter da auf diesem Album? Es ist die verdammt noch mal beste Gesangsleistung seit Monaten. Dieser Mann hat einen Stimmumfang, ein Volumen und einen Ausdruck, die sich ein riesiger Teil so genannter Sangeskünstler wünschen würde. Wenn man "Section X" von BEYOND TWILIGHT kennt, wird man auf alle Fälle ziemlich erstaunt sein. Auf diesem Album sang er zwar auch genial, auf "Outworld" allerdings scheint er die Fesseln des Herrn Zierler abgelegt zu haben und wirkt wie von einem anderen Stern eingeflogen. Schon im Opener werdet ihr beim ersten Hören nicht mehr aus dem Staunen herauskommen, wenn er zu seinem "Burn ... Buurrrnn ... Buuuuuuuuurrrrrrrrnnnnnnnn!" ansetzt! Und wieso bin ich bisher nie auf Rusty Cooley (Gitarrist) aufmerksam geworden? Dieser Mann ist ein Saitenhexer à la YNGWIE MALMSTEEN, nur dass seine Soli weder aufdringlich noch übertrieben wirken. Er liefert sich unglaubliche Wechselspiele mit Bobby Williamson (Keyboards), der aber meistens ein kleines bisschen im Hintergrund steht, dafür aber nicht mal ansatzweise zu Skandy-Klimpereien ansetzt und somit auch keine Gitarrenhärte neutralisiert. Ich kann es nicht lassen, denn auch Bassist Shawn Kasack und, Zitat, "Alien Drummer" Matt McKenna kommen voll und ganz zur Geltung und sorgen für offene Mäuler, die in den Instrumentalparts nicht mehr geschlossen werden.
Schön und gut, alle Instrumentalisten sorgen also für das gewisse Etwas, die wichtigste Frage wurde aber noch nicht wirklich beantwortet: Wie hören sich OUTWORLD an? Sie haben einen gewissen BEYOND TWILIGHT-Touch - das kann man nicht leugnen, denn die Horror- und Dunkel-Atmosphäre kommt durchaus zum Vorschein. Im Allgemeinen kann man aber von einem US- und Power-Metal-Fundament sprechen, in dem so gut wie immer progressive Strukturen an der Tagesordnung sind, jedoch so geschickt eingebaut beziehungweise eingesetzt, dass sie Prog-Hasser nicht stören werden, denn das Hauptaugenmerk liegt trotz der Kompliziertheit des Songwritings eindeutig auf der Energie und Heaviness. Mit Bands wie DREAM THEATER oder PAIN OF SALVATION also nicht zu vergleichen.
Wie also schafft es diese sensationelle Newcomer-Band, ihre einzelnen Lieder auf einem dermaßen hohen Niveau zu komponieren? Analysieren wir sie doch einfach mal: Der erste Song lebt von seiner Heaviness und seinem "Opening-Charakter". Spitzen Gesangsleistung, Tempiwechsel im Überfluss und ein mehrstufiger Überrefrain aus dem Bilderbuch. Interessant gestaltet sich 'Riders', ein Triolen-basierter Power-Metal-Hammer mit IRON MAIDEN-Melodien und 'Heaven Can Wait'-artigem Refrain (man höre den Zwischenteil des MAIDEN-Classic), nur eben progressiv. Spitze! 'Warcry' ist, wie man vermuten konnte, eine US-Metal-lastige, von Rob Halford und Ripper Owens geprägte, endhohe Gesangslinien beinhaltende Hymne; und deswegen auch der einzige Song, der eventuell Geschmackssache ist. Wer PRIEST nicht mag, wird sich hier aufgrund der Screams schwer tun. Kurze Verschnaufpause. Was die Truppe aber mit ihrem Titelsong veranstaltet, ist wirklich nicht von dieser Welt. Ein mit Überraschungen gespickter, eher im Midtempo-Bereich angesiedelter Übertrack, mit einem Refrain, den ihr jahrelang mitgrölen werdet, der Power versprüht, und der euch so viel Energie zufließen lässt, dass ihr in der Lage sein werdet, Bäume auszureißen. Nein, dieser Track ist nicht in Worte zu fassen. Ein weiteres hartes Stück Metall erwartet euch mit dem fünften Song 'The Never', strukturell sehr progressiv, aber mit immer wieder geschickt eingebauten straighten und beinharten Metalparts und einem Gitarrensolo, das einfach unbeschreiblich ist (das komplette Solo lässt sich übrigens auf der offiziellen Homepage unter "Downloads" live betrachten). Eine Powerballade mit sphärischem Anfang und Ohrwurmrefrain erwartet euch bei 'City Of The Dead', in der Kelly mal wieder sein ganzes Stimmrepertoire auspackt. Ein eher eingängiges Stück, das euch mit dem Bandsound durchaus vertraut machen wird und deswegen ein geeigneter Anspieltipp ist. Nach dem kurzen Instrumental-Intermezzo 'Prelude To Madness' folgt der sprichwörtliche Wahnsinn mit dem abschließenden Tripel, das noch einmal sämtliche Register des US- und Power Metal mit dem besonderen dunklen Flair, der progressiven Seite der Band sowie der instrumentale Stärken zieht. Wenn man noch einen Song herausheben müsste, wäre das 'I Thanatos', welcher das Zeug zum absoluten Klassiker in sich trägt. Diese Harmonie ist schier unglaublich komponiert, und wer den Refrain nach wenigen Durchläufen nicht liebt, sollte sich lieber bei Möchtegern-True-Metal-Bands wie HAMMERFALL einen runterwedeln. Der Japan-Bonus-Track 'Polar' ist weder Lückenbüßer noch auf irgendeine Art und Weise anders - wenn man nicht wüsste, dass der Song eigentlich ein Bonus ist, würde man es nicht bemerken, da auch dieses Lied vor Eigenständigkeit, Energie und technischem Können nur so strotzt.
OUTWORLD ist die erste Band seit langem, die sowohl Traditionalisten, Proggies und Power-Metal-Liebhaber (egal ob europäisch oder südamerikanisch oder, oder, oder ...) zu einhundert Prozent ansprechen sollte. Ich kriege mich einfach seit Wochen nicht mehr ein und bin fest davon überzeugt, dass OUTWORLD auch auf lange Sicht in meiner persönliche "Hall Of Fame" einen wichtigen Platz einnehmen werden. 2006 ein solch unabhängiges Album mit einer einmaligen Atmosphäre, einer mehr als beeindruckenden Instrumentalleistung, die niemals angeberisch sein soll, sondern sich komplett in den Bandsound integriert, einer übergalaktischen Energie und Power und hunderttausend anderen Stärken, die den Rahmen dieses Reviews sprengen würden, zu veröffentlichen, ist eine Leistung, die für sich spricht. Wenn OUTWORLD untergehen, liegt es entweder an den Major-Magazinen, die Veröffentlichungen wie diese überhören, an mangelnder Kohle der vergleichsweise kleinen Plattenfirma, an uns, den tauben Metallern, oder an den Bandstreitigkeiten, die erst kurz vor Release stattfanden und weil kein geeignetes Label gefunden wurde kommt die CD sowieso viel zu spät heraus. Einen Grund können wir immerhin verhindern ... ihr müsst nur wollen und auf der offiziellen Bandseite vorbeischauen beziehungsweise auf http://www.myspace.com/outworld reinhören. Ihr werdet mir dankbar sein, diesen Rat befolgt zu haben. Auf geht's!
Anspieltipps erspare ich mir bei diesem Götteralbum.
PS: Bitter, bitter: Sundown hat die Band wohl doch eher als Sideproject gesehen und ist seit Ende August nicht mehr Sänger von OUTWORLD. Sein Nachfolger wird Carlos Zema (HEAVEN'S GUARDIAN).
- Redakteur:
- Christian Hubert