PASCOW - Sieben
Mehr über Pascow
- Genre:
- Punk / Rock / Alternative
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Rookie Records
- Release:
- 27.01.2023
- Himmelhunde
- Königreiche Im Winter
- Monde
- Gottes Werk Und Teufels Beitrag
- Grüßt Eve
- Die Unsichtbaren
- Mailand
- Ich Bin Klar
- Daniel & Hermes
- Tom Blankenship
- Zugausweichen
- Von Unten Nichts Neues
- Vierzehn Colakracher
- Boris Blocksberg
Melodiösität und Härte, Anspruch und Nachdenklichkeit...
… ohne geBROILERtes HOSENtum. Letzteres kann für jeden, der die hier auf die Schippe genommenen Bands einigermaßen kritisch sieht, etwas anderes bedeuten. Mir fallen bei dieser Wortneuschöpfung vor allem stetige Verpoppung unter kommerziellen Aspekten sowie immer krassere Nutzung von Social Media ein, um beispielsweise den auf Beweisfotos selbst verkosteten, eigenen Gin nebst Weihnachts-Album und dem 567. T-Shirt-Angebot regelrecht influencerhaft anzupreisen, damit man sich eine dabei gerne präsentierte Stadtwohnung in Köln nicht vom Mund abknappsen muss. Oder war es doch in Dösdorf? Aber keine Sorge, ich lasse das Gestichel jetzt bleiben und komme endlich zum Thema.
Jawohl, die musikalischen Künstler unter den deutschsprachigen Punkrockern (neben Rodrigo Gonzalez, hi, hi) sind bereits seit dem 27. Januar mit ihrem siebten Album zurück! Dieses nennt sich genau so, nämlich "Sieben", und ist, im Vergleich zum vorausgegangen Quantensprung in Sachen Eingängigkeit, Melodienreichtum und Dramatik namens "Jade", ein bisschen geradliniger und musikalisch betrachtet wieder mehr auf den, bei dieser Band gewaltigen, Druck nach vorne konzentriert. Visuell in Szene gesetzt wird das Album erneut von einem außergewöhnlichen Portraitfoto eines Kindes.
PASCOW hat es sich mit der für 25 Jahre Bandbestehen, mit 6 vorausgegangenen Alben, relativ kleinen Discographie, aber auch selbst sehr schwer gemacht, was neue Veröffentlichungen angeht: Da kann man jedes Album heute noch gut hören, jede Scheibe enthält markante Hits und Geheimtipps und jeder Silberling toppt irgendwie an der einen oder anderen Stelle den Vorgänger, seien es die Lyrics, musikalisches Können oder stilistische Ausprägungen wie Härte und Sound betreffend. Spätestens mit dem ultra-melodiös anheimelnden 2014er Album "Diene der Party" zeigte PASCOW sehr deutlich, dass auf die musikalischen und instrumentalen Fähigkeiten bezogen mehr in der Band steckt, als "nur" halsbrecherisch schneller drei-Akkorde-Punkrock mit guten Texten. Mit dem, genau wie der Vorgänger, hochgradig süchtig machenden "Jade", war dann in meiner Betrachtung vor vier Jahren ein markanter Höhepunkt im Werk dieser Band erreicht.
Auch wenn auf "Sieben" abwechslungsreich rockende, aber immer in gewisser Art und Weise punkig vertonte Stücke wie 'Gottes Werk und Teufels Beitrag', 'Die Unsichtbaren', 'Ich bin klar', 'Tom Blankenship' oder 'Von Unten nichts Neues' den Hörer gekonnt mit anspruchs- und inhaltslastiger (Punk)Rock-Unterhaltung auf textlich höchstem Niveau triggern, liegt die eigentliche Stärke der Band neben ihren sozialkritischen und politischen Aussagen an anderer Stelle. Die Höhepunkte des eigenen Schaffens erklimmt PASCOW für mich auch auf dieser Scheibe immer dann, wenn Alexander Thomé sich leidenschaftlich hineinzetert in die sich dramatisch auftürmenden Melodien von so opulent ausgearbeiteten, ja, der Begriff ist seltsam, passt hier jedoch, Punkrock-Kompositionen, wie vor allem 'Monde' und 'Grüßt Eve'.
Aber ebenso 'Himmelhunde' und 'Mailand', für die es jeweils ein Video gibt, 'Daniel & Hermes' oder das extrem ohrwürmelnde 'Vierzehn Colakracher' sind neben den anprangernd hektischen, aber mitreißenden Vocals, grandios ideenreich instrumentiert. Dabei kann 'Mailand' mit sehr hübschen, italienisch anmutenden Keyboardklängen beeindrucken, die das Stück besonders veredeln. Ein unbedingt zu nennendes Merkmal, das auf jedem PASCOW-Album zu finden ist, so auch auf diesem, sind meist kurze, auf Englisch in den Liedtext eingebundene Floskeln und Phrasen. Besonders einprägsam in 'Monde': "Und der Smoothie schmeckt so gut wie nie next to other people's misery". Des Weiteren würde ich nicht für powermetal.de schreiben, wäre es mir nicht ein Herzensanliegen, an dieser Stelle die oft herrlich rock'n'rollig-metallisch klingende Leadgitarren-Arbeit von Swen PASCOW in den höchsten Tönen zu loben!
Während 'Königreiche im Winter' unter den drei für mein Gehör am besten gelungenen Songs durch die weibliche, von APOCALYPSE VEGA eingesungene zweite Stimme auffällt, rücken 'Monde' und 'Grüßt Eve', wie viele Stücke der Band ebenfalls mit weiblicher Ergänzung in den Backing Vocals, temporeich und mit packender Härte spektakulär in die Region der besten Songs des Vorgängeralbums "Jade" vor. Gerade 'Monde' mit seinem Text über Gentrifizierung in deutschen Städten könnte langfristig betrachtet neben der 'Kriegerin' von der letzten Scheibe zu einem der wichtigsten Lieder von PASCOW überhaupt werden.
Das aus dem Rahmen fallende i-Tüpfelchen ist diesmal keine halb-akustische Piano-Ballade, sondern ein einminütiges rockbluesiges Gitarreninstrumental mit Western-Schlagseite namens 'Zugausweichen', das ebenso erhebliches instrumentales und kompositorisches Können demonstriert, wie inzwischen eigentlich der gesamte neuere musikalische Output von PASCOW seit 2019. Einzig das nuschelnde, oft unverständlich vor sich hin nölende Organ von Alexander Thomé könnte qualitativ kritisiert werden, ist in meiner Wahrnehmung aber Punkrock pur und verleiht den nicht selten tiefschürfend nachdenklichen Texten große Authentizität, um dieses Unwort einmal zu benutzen. Den jeweiligen Songtext im Booklet nachzulesen, lohnt sich hier sowieso in jedem Fall.
Die Brüder Swen und Florian PASCOW, sowie Oliver und Alexander Thomé aus Gimbweiler in Rheinland-Pfalz, werden mit dieser Band, so hoffe und vermute ich, trotz mittlerweile etwas fortgeschrittenen Alters hochverdient noch erheblich bekannter werden, wenn sie es zulassen. Bis dahin sollte ich mir dann wohl überlegen, wie ich den Namen eventuell in neckische Wortspielchen einbauen kann.
Hier geht es zu meinem Live-Bericht!
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Timo Reiser