PAYNE'S GRAY - Kadath Decoded
Mehr über Payne's Gray
- Genre:
- Progressive Metal
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Eigenvertrieb
- Release:
- 12.05.1995
- Dream Sequence
- Sunset City
- The Cavern of Flame
- Moonlight Waters
- Procession
- A Hymn To The Cats
- The Way To Ngranek
- Within The Vault
- Reaching Kadath
- Nyarlathoteps Reception
- Riding The Shantak
- Finale: Sunset City, Part 2
Wahrhaft progressiver Klassiker!
Wir schreiben das Jahr 1995. Sechs verwegene junge Kerle – nein, Kerl:innen sind nicht dabei – gehen das ambitionierte Wagnis ein, ein Konzeptalbum um die "Traumreise nach dem unbekannten Kadath" von H.P. Lovecraft zu erstellen. Die jungen Musikanten aus dem Großraum Karlsruhe, die teilweise bereits seit gut fünf Jahren zusammen musizieren, agieren dabei auf jeder nur erdenklichen Ebene fortschrittlich. So wird das Album komplett im Alleingang produziert, das Grundgerüst für die Storyline erstellt Rainer Schmidt, der Vater des Lead-Sängers Hagen und das monumentale Coverartwort, welches quasi die Geschichte bebildert, wird von Michael Bähre gemalt. Dieses Artwork ist so detailverliebt, dass man es mehrfach falten muss, damit es in ein Jewel-Case passt. Einmal ans Tageslicht befördert und zu ganzer Pracht entfaltet, entpuppt sich das erneute Zusammenlegen allerdings als etwas schwierig. Von daher kenne ich nicht wenige, die sich das Album daraufhin ein zweites Mal gekauft haben, damit sie auch die visuelle Umsetzung jederzeit faltenfrei betrachten können. Mag man als verkaufstechnisch wohldurchdachten Schachzug betrachten, ist aber sicherlich eher ein ungeplanter Nebeneffekt. Weshalb erwähne ich Michael Bähre? Nun, er hat später auch noch Cover für MANILLA ROAD, SACRED STEEL und DAWN OF WINTER erstellt.
Als wäre dies alles nicht schon progressiv, so ist man beim Blick auf die Besetzung erneut verwirrt. Neben einem Gitarristen, der auch noch Flöte spielt, gibt es zwei Sänger, einen Keyboarder, sowie die obligatorische Rhythmusgruppe. Spannend.
Spannend ist dann auch die musikalische Achterbahnfahrt auf "Kaddath Decoded". Grundsätzlich im tatsächlich progressiven Heavy Metal beheimatet, bieten die zwölf Kompositionen so viele Details und Farbtupfer, dass ich bis heute noch immer völlig fasziniert unterm Kopfhörer schwebe, wenn das Album läuft. Da meine musiktheoretischen Kenntnisse eher marginal sind, versuche ich hier gar nicht erst mit Fachbegriffen zu glänzen, die ich selbst nicht verstehe. Fakt ist, es gibt orientalische Rhythmen, sphärische Passagen und klassische Einflüsse. So ist das instrumentale 'Within The Vault' zum Beispiel eine Adaption von Khatchaturians' Toccata.
Um jetzt mal bei Bezugspunkten aus unserem Umfeld zu bleiben, könnte ich schreiben, dass Freunde von frühen PSYCHOTIC-WALTZ-Alben oder der Arch-Phase von FATES WARNING hier voll auf ihre Kosten kommen, aber selbst das trifft den Nagel nur auf dem halben Kopf. Während das wunderschöne 'Moonlight Waters' beispielsweise mit seinem radiotauglichen Jahrtausend-Chorus in einem gerechten Musik-Universum als allgemeines Kulturgut verehrt werden und auf jeder "Melodien für Millionen"-Compilation stehen müsste, werden ungeübte Ohren beim mystisch-verzwirbelten 'The Way To Ngranek' mit verknoteten Gehörgängen zum Arzt rennen, da sie hinter der orientalischen Rhythmik wohl vergeblich den – in meinen Ohren wunderbaren – Song finden werden.
Aber auch Freunde metallischer Progressive-Kunst werden hier auf mit sehr weit geöffneten Ohren ans Werk gehen müssen. Aber ist es nicht genau dies, was progressive Musik auszeichnen sollte? Lassen wir das. Während eine flauschig verschachtelte Nummer wie 'Reaching Kadath' mit ihren herrlich warmen Dialogen zwischen Tasten und Saiten diesen Menschen wunderbar geschmeidig einlaufen wird, werden schrägere Sachen wie 'The Cavern Of Flame' oder 'Nyarlathoteps Reception' auch bei solchen Ohren nicht auf sofortige Gegenliebe stoßen. Für mich ist letztgenannter Song zusammen mit dem oben bereits hervorgehobenen 'Moonlight Waters' das Highlight auf dieser wunderbaren Scheibe. Sanft eingeleitet, folgen hier bald herrlich verspielte Melodie-Überlappungen beider Vokalisten über psychedelischem Saiten- und Tastenzauber. Eine grandiose Abfahrt, die ich immer wieder abfeiere. Das hochmelodische Solo balsamiert dann die Seele bis zur kompletten Heilung. So geht Musik, mein Freunde!
Wenn ich Euch jetzt heiß gemacht habe, was bei den aktuellen Temperaturen ja sicherlich nicht besonders schwer gewesen sein dürfte, wünsche ich viel Glück bei der Suche nach einem Exemplar dieses Rundlings, den jeder aufgeschlossene Musikliebhaber mindestens einmal im Leben gehört haben sollte. Wer dann nicht süchtig geworden ist, darf gern weiter auf ausgetretenen Pfaden den progressiven Geist suchen
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Holger Andrae