PHILM - Time Burner
Auch im Soundcheck: Soundcheck 02/2021
Mehr über Philm
- Genre:
- Experimental Rock / Metal
- ∅-Note:
- 7.00
- Label:
- Metalville / Flying Dolphin Entertainment Group
- Release:
- 19.02.2021
- Cries Of The Century
- Steamroller
- Spanish Flowers
- 1942
- Wade Through Water
- Wonka Vision
- The Seventh Sun
- Evening Star
- Like Gold
- Time Burner
Dafür oder daran sterben? Beides ist hier möglich.
Ein neues Album von PHILM! Damit hätte ich jetzt nicht gerecht. Da mir aber die beiden Vorgänger "Harmonic" und "Fire From The Evening Sun" sehr am Herzen liegen, hat ebenjenes beim ersten Lesen des Namens unter den Februar vorgeschlagenen Soundcheck-Bands ein kleines Hüpferle gemacht. Doch für Neulinge oder die, die es vergessen haben: Was ist denn überhaupt PHILM?
Nun, es gab in den progseligen 90ern einst eine Band namens CIVIL DEFIANCE, die mit einem rot eingefärbten Album nach den Seelen der Musikwilden gefischt hat. Der Hauptmann dieser Truppe war ein Kreativkopf namens Gary Nestler. Schon damals kannte dieser keine Schranken. Von wüstem Noise Rock über jazzig-chaotischen Prog Metal bis hin zu hochintensiven Balladen war damals schon alles geboten. Ich verehre "The Fishers For Souls" noch heute. 2012 und 2014 brachte eben dieser Nestler dann PHILM auf den Markt und auch diesmal verdrehte Nestler wieder den Kopf des geschätzten Kollegen Holger und auch meinen eigenen. Auch genoß die Band eine erhöhte Aufmerksamkeit bei Metallern, denn kein Geringerer als Meister Dave Lombardo war auf den PHILM-Werken zugange, sowohl hinter dem Drumkit als auch hinter den Reglern. Der ex-SLAYER-Drummer verlies dann aber 2016 die Band, die daraufhin bekanntlich unter dem supereingängigen Namen KKLEQ MUZZIL Welterfolge feierte. Oder auch nicht. Offen gestanden, davon habe ich noch nie etwas gehört.
Doch nun zum "Time Burner". Dieser lässt sich mit 'Cries Of The Century' äußerst cool an. Ja, das ist Nestler wie er leibt und lebt, seine Musik ist treibend-schräger, höllisch groovender Psychedelic-Noise-Rock, roh und natürlich produziert, eine Wonne für Schrägie-Ohren. Und Nestler beherrscht auch seine wütenden Vokalausbrüche noch so unvergleichlich wie damals bei CIVIL DEFIANCE, als lägen hier keine knapp 30 Jahre dazwischen. Ähnlich gelungen ist das folgende, mit leichten BLACK SABBATH-Vibes spielende 'Steamroller'. Der Name passt zur Musik. Völlig von den Socken bin ich dann von 'Spanish Flowers'. Und das ist nun etwas ganz anderes. Auf einmal bin ich mittendrin in RADIOHEADs "OK Computer", allerdings überarbeitet und umgeschrieben nach den Wahrnehmungen Nestlers. Der vermeintlich getragene Song schwingt sich zu einer Intensität auf, die ich in der Art auch in RADIOHEADs Meisterstück 'Exit Music (For A Film)' wahrnehme. Ein Sonderlob soll hier auch explizit an die Schlagzeugkunst des Lombardo-Nachfolgers Anderson Quintero ausgesprochen werden; sein Beckeneinsatz wirkt zwar immer ein wenig nervös, aber ich bin ein großer Fan von solch jazzigen Fills und sie intensivieren die Musik noch einmal mehr. Selbst einem eher simpel gehaltenen 60s-Rock-Song wie '1942' verleiht dieses Spiel Flügel.
So, das liest sich jetzt wie eine Jubelarie, nicht? Doch leider leider zerfasert das Album danach. Es ist fortan durchzogen von verwässerten Psycho-Sounds, ausladenden Jams und irgendwie ungeplant zusammengefertigen Songteilen. Klar, so etwas gab es auch schon früher auf Nestlers musikalischen Agenda, und ich wäre der Letzte der behaupten würde, dass ich jeden Track von CIVIL DEFIANCE verstanden und verdaut hätte. Aber "Time Burner" verliert nach dem vierten Song völlig den berühmten "Zug zu Tor". Mit der funkig verhumselten 'Wonka Vision' kann ich gar nichts anfangen, der Jazz-Jam 'Evening Star' ist schon cooler, aber besser wäre es dann doch in einer Jazz-Bar, 'Like Gold' ist eine eher irritierende Kollektion an Geräuschen und der elfminütige Titeltrack? Nun, an guten Tagen kann ich mich zurücklehnen und diesem Psyche-Jam mit neugierig-entspannter Mine lauschen; an schlechten Tagen bringe ich aber auch den Mut auf, diesen Murks einfach auszuschalten.
So, liebe Freunde. Jetzt seid ihr verwirrt, was? Erst komme ich aus dem Schwärmen nimmer raus, danach folgt ein Verriss? Lasst auch sagen, mir geht es ähnlich, wenn ich "Time Burner" höre. Noch nie war auf einem Nestler-Album Genie und Wahnsinn so nahe beieinander. Für 'Spanish Flowers' könnte ich sterben. An 'Like Gold' aber auch. Zehn plus vier durch zwei macht sieben.
- Note:
- 7.00
- Redakteur:
- Thomas Becker