RAGE - Afterlifelines
Auch im Soundcheck: Soundcheck 04/24
Mehr über Rage
- Genre:
- Power Metal
- ∅-Note:
- 8.25
- Label:
- SPV / Steamhammer
- Release:
- 29.03.2024
- In The Beginning
- End Of Illusions
- Under A Black Crown
- Afterlife
- Dead Man's Eyes
- Mortal
- Toxic Waves
- Waterwar
- Justice Will Be Mine
- Shadow World
- Life Among The Ruins
- Cold Desire
- Root Of Our Evil
- Curse The Night
- One World
- It's ALl Too Much
- Dying To Live
- The Flood
- Lifelines
- Interlude
- In The End
Der Tribut des hohen Arbeitstempos?
Wenn ich meinen CD-Schrank mal etwas genauer durchforste, werde ich mit absoluter SIcherheit feststellen, dass kaum eine Band abseits der großen Heroen (IRON MAIDEN, JUDAS, PRIEST, KISS) so viele Platten im Schrank geparkt hat wie Peavy Wagner und sein leider sehr häufig wechselndes Backing-Team. Nach zahlreichen Hoch- und Tiefpunkten hat sich die Truppe aus Herne Anfang der letzten Dekade wieder auf sehr angenehme Art und Weise der ferneren bandeigenen Vergangenheit angenähert und die melodischen Inhalte der Mittneunziger-Phase mit den eher thrashigen Ansätzen des vorherigen Jahrzehnts verknüpft, dabei aber einen zeitaktuellen Sound immer als Voraussetzung genommen. Der Lohn war ein ganzer Stapel richtig starker Alben, die Frontmann Wagner fast schon standesgemäß in seinen x-ten Frühling führten. Doch das immer noch sehr hohe Arbeitstempo birgt auch diverse Tücken, zumal RAGE nie so wirklich von ihrem Signature-Sound abgewichen ist, und diese werden dem neuen Album leider gelegentlich zum Verhängnis.
Die Band wollte es noch einmal so richtig wissen und hat ganze 21 neue Stücke eingespielt, was angesichts der Value-for-Money-Überlegung sicherlich eine gute Sache ist, leider aber eben genau diesen Effekt erzielt, der auf kurz oder lang zu befürchten war: "Afterlifelines" hat viele sehr anständige Nummern am Start, aber bei weitem nicht jeder Song kratzt auch tatsächlich am Highlight-Level. Dies mag man von altbekannten Schergen wie MOTÖRHEAD und AC/DC längst so kennen, mag aber nicht entschuldigen, dass nicht alle Nummern dieses Doppelalbums mit dem gleichen Vergnügen reingehen.
Dabei ist der Ansatz äußerst vielversprechend: Der erste, "Afterlife" betitelte Part bietet RAGE in seiner ganz puren Form: Dicke Thrash-affine Riffs zeichnen das Gesamtbild, Peavys unverkennbare, raue Stimme ist sofort omnipräsent, und wie gehabt gibt es auch wieder viele nette Hooklines, bei denen aber kaum eine das Prädikat 'überragend' verdient. Nummern wie 'Under A Black Crown' und 'Waterwar' sind definitiv anständiges, absolut typisches Bandfutter und punkten mit einem guten Chorus sowie mit einer recht forschen Performance, ragen aber in der Gesamtbetrachtung des immens großen Katalogs nicht sonderlich heraus. Und auch 'Mortal' und 'Shadow World' sind arg gefällig, bleiben aber bei weitem nicht so penetrant kleben wie die eigentlich phasenweise vergleichbaren Tracks einer Platte wie "End Of All Worlds".
Bleibt also die Hoffnung, dass die symphonisch untermalten Nummern der zweiten Scheibe, in diesem Fall "Lifelines" betitelt, etwas heftiger zünden, doch leider sind die markanteren, einprägsamen Fragmente eher die recht gesellschaftskritischen Texte, die sich bevorzugt mit dem globalen Niedergang auseinandersetzen, und nicht eben der musikalische Output als solcher. Die etwas angeproggten Stücke wie 'It's All Too Much' und das überlange 'Lifelines' sind hier die Höhepunkte einer ordentlichen Darbietung, doch irgendwie wirkt das im Kontext dieser Legende etwas wenig. Und leichte Happy-Metal-Tendenzen, wie man sie zuvor schon in 'Justice Will Be Mine' und nun in 'Root Of Our Evil' antrifft, stehen der Band letztlich auch nicht gut zu Gesicht, zumal die ernsten Textaussagen hier nicht recht zur ausdrücklichen Fröhlichkeit passen wollen.
Ich liebe diese Band, ich liebe vor allem die 90er-Releases von RAGE und auch die tollen Platten, die Peavy mit Vioktor Smolski und Mike Terrana aufgenommen hat. Und auch die weiteren Neustarts fand ich immer richtig gut, weil RAGE sich mit der Zeit immer neu erfinden wollte und dies auch geschafft hat. "Afterlifelines" wirkt in dieser Entwicklung leider aber wie eine kreative Stagnation, die sicherlich auch dem Umstand geschuldet ist, dass die Herren sehr, sehr regelmäßig neues Material herausbringen und in ihrem eingeschworenen Sound womöglich schon (fast) alles gesagt und getan haben. Die neue Doppel-LP ist beileibe nicht schlecht, fällt aber partiell der Tatsache zum Opfer, dass man vieles einfach schon sehr oft von den Ruhrpott-Originalen gehört hat. Fans sollten und werden trotzdem zugreifen, weil RAGE nunmal RAGE ist und man hier ganz genau weiß, dass man eine gewisse Qualität bekommt. Mir persönlich wäre jedoch mehr recht, wenn die Band nicht im Eiltempo neue Alben nachschießen und nicht jede Idee sofort umsetzen würde, sondern sich stattdessen wieder etwas mehr Zeit für frische Arrangements nähme. In dieser Band steckt nämlich auch nach mehr als 40 Jahren immer noch so viel Energie und Potenzial, dass es sehr schade wäre, wenn sich RAGE künftig nur noch weiter im Kreis drehen würde. Wenngleich dies immer noch auf sehr, sehr hohem Niveau geschieht.
- Note:
- 7.00
- Redakteur:
- Björn Backes