RIDDLEMASTER - Bring The Magik Down
Auch im Soundcheck: Soundcheck 11/2017
Mehr über Riddlemaster
- Genre:
- Epic Metal
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Metalopolis / Soulfood
- Release:
- 01.12.2017
- Bring The Magik Down
- Crossing The Line
- Every Mother's Son
- Lair Of The White Witch
- Ghosts Of The Plains
- Go For The Throat
Ein liebenswerter Anachronismus aus dem MANILLA ROAD-Universum.
Mancher mag sich dieser Tage nicht ganz unbegründet fragen, ob da aktuell nicht zu viel passiert um Mark Shelton herum. Ende Juni kam die achtzehnte Studioscheibe von MANILLA ROAD, im April die zweite HELLWELL und jetzt flattert uns im Dezember, pünktlich zu Mark Sheltons sechzigstem Geburtstag auch noch das Debüt von RIDDLEMASTER ins Haus. Ist das des Guten zu viel? Verzettelt sich der Shark? Oder kriegen wir zu viel vom Gleichen in unterschiedlicher Verpackung ins Haus geliefert? Nun, Leute: Nein, das bekommen wir nicht, denn zum einen ist es eine erfreuliche Sache, dass Mark noch so viel kreative Energie hat, und zum anderen zeigen alle drei Bands ebenso wie auch Marks Soloprojekt unterschiedliche Facetten der Künstler, die natürlich alle tief im MANILLA ROAD-Kosmos verortet sind, aber doch alle auf ihre besondere Weise eigenwillig.
RIDDLEMASTER ist nun also Mark Sheltons neuestes Küken, das er zusammen mit seinem alten Kollegen und MANILLA ROADs Originaldrummer Rick Fisher ausgebrütet hat, mit dem er im Jahre 2013 in Würzburg mal wieder die Bretter geteilt hat und offenbar einen Grundstein für eine neuerliche Zusammenarbeit im Studio legen konnte. Rick war urspränglich Marks Bandkamerad von 1979 bis 1983 und damit mitverantwortlich für insgesamt vier Scheiben der kansanischen Epiker, insbesondere für den Genreklassiker "Crystal Logic", an den nicht nur der Bandname des neuen Formats erinnert, sondern auch der musikalische Stil und das Klangbild von "Bring The Magik Down", das uns nach dem erklärten Willen der Musiker eine Vision dessen präsentieren soll, wie MANILLA ROAD heute klingen könnte, wenn Rick Fisher in der Band geblieben wäre.
Nun, ob das so ist, das kann natürlich keiner wissen, doch wir wären schlechte Trekkies, wenn das Spekulieren über alternative Zeitlinien für uns kein Faszinosum wäre. Daher möchte ich sagen, dass es gut vorstellbar ist, dass die andere MANILLA ROAD-Band mit Rick Fisher am Schlagzeug irgendwann ein Album gemacht hätte, das so ähnlich hätte klingen können wie es nun "Bring The Magik Down" tut. Wie schon die Frühwerke "Invasion" und "Metal", sowie das nachveröffentlichte "Dreams Of Eschaton" und die epischen Songs der "Crystal Logic" lebt das neue Album von ausladenden Songs, von psychedelischen Synth-Arrangements, von massivem Flanger-Effekt auf den Gitarren, von akustischen Gitarreninterludien, vom Zeichnen verträumter Klanglandschaften, von sehnsuchtsvoll durch den Äther strebenden Gitarrensoli und von Mark Sheltons beschwörender Klarstimme mit ihrem unnachahmlichen nasalen Klang, die heute allerdings ein wenig tiefer intoniert, dabei jedoch kein bisschen weniger charakteristisch und emotional ist.
Aus diesen unverkennbaren Zutaten stricken Shelton, Fisher und ihr Bassist E.C. Hellwell ein absolut stimmiges Gesamtwerk, das sechs durchaus unterschiedliche Stücke umfasst, deren erstes gleich das prägende Titelstück ist. Ein megalithischer Viertelstünder mit doomiger Grundausrichtung, wuchtigen Drums, sehr verzerrten Gitarren, einigem psychedelischem Wabern der besten HAWKWIND-Schule und einer sehr eindringlichen Gesangsdarbietung. Natürlich werden Epen wie 'Dreams Of Eschaton' oder 'Venusian Sea' zitiert, doch die Mystik und Magie des neuen Songs ist gleichwohl sehr eigen. Die Dynamik der Scheibe ist sehr auffällig, in den leisen Passagen ist deutlich ein Grundknistern zu vernehmen, von dem mir nicht bekannt ist, ob es so gewollt ist oder an dem Promofiles liegt; auf jeden Fall verstärkt es noch den Eindruck, hier ganz tief in den Spätsiebzigern gefangen zu sein.
Die weiteren Stücke sind ein gutes Stück kürzer und erstrecken sich auf jeweils fünf bis neun Minuten, doch auch sie präsentieren sich auf ihre Weise alle episch, poetisch, verträumt und transzendental; 'Crossing The Line' lebt von einem marschierenden Rhythmus zur Military Snare, gezupfter Akustikgitarre, herrlichen Bassparts und Mark Sheltons hier sehr intensiver, beruhigender, packender Gesangsarbeit in sehr tiefen klaren Lagen, wie wir sie auch von seiner Soloscheibe kennen. Auch bei 'Every Mother's Son' spielen die gezupften wie geschlagenen Akustikgitarren eine tragende Rolle, weil sie ein sehr rockiges Flair versprühen, das aber auch eine starke Americana-Note abbekommen hat und immer wieder von flammenden E-Gitarrenleads befeuert wird. Ein wunderschönes, beschwingtes, positives Stück, das aber dennoch großen Tiefgang hat.
Wieder metallischer und doomiger wird das Ganze beim dunklen, mystischen 'Lair Of The White Witch', das erneut dem Bass eine sehr prägnante Rolle zuweist und insgesamt ganz gut auf das "Metal"-Album von 1982 gepasst hätte, aber doch auch gewisse Längen hat. Diese nehme ich trotz ähnlich ausgedehnter Spielzeit bei 'Ghosts Of The Plains' nicht wahr, denn hier weiß das tolle Zusammenspiel zwischen Akustikgitarre und Bass ebenso zu packen wie die tollen Akustiksoli und Mark Sheltons sehr feinfühlige Stimme, so dass ein weitgehend von akustischen Sounds und Sologitarre geprägter Song entsteht, der ein starkes Endsechziger-Flair versprüht und mich ein wenig an das HAWKWIND-Debüt erinnert. Zum Ende tischt uns das Trio noch einen groovigen Rocker mit einigen Slide-Guitar-Parts und auch sonst einem gewissen bluesigen Southern-Rock-Flair auf, der ein wenig dumpfer klingt als die anderen Stücke des Albums, aber dafür nochmals eine weitere Facette aus dem Einflussspektrum der frühen MANILLA ROAD-Werke betont.
Ihr seht, das RIDDLEMASTER-Debüt ist eine Herzenssache, bei der sich durch eine lange gemeinsame Geschichte verbundene alte Recken ganz intensiv den gemeinsamen Wurzeln widmen. Vieles davon hat gerade in den ausgedehnten instrumentalen Parts ein merkliches Jam-Flair und sicherlich keine High-End-Produktion. Hier geht es nicht um klangliche Perfektion und auch nicht um ins Detail ausgetüfteltes Songwriting, sondern hier geht's einfach um Feeling und Spirit. Es gibt einige Unebenheiten im Klangbild, ein paar kleine Längen im Songwriting, und sicher ist nicht jeder ein Freund ausgedehnter bluesiger Instrumentalparts, doch bei mir kommt - so glaube ich - genau das an, was die Musiker beabsichtigt haben, denn deren Wurzeln sind hier an allen Ecken und Enden lebendig und werden vielen langjährigen MANILLA ROAD-Fans einiges zum Entdecken und zum seligen Schmunzeln geben. Sicherlich ist RIDDLEMASTER in nahezu jeder Hinsicht ein absoluter Anachronismus, aber ein liebenwerter mit sehr vielen wunderschönen Momenten.
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle