RISHLOO - Living As Ghosts With Buildings As Teeth
Auch im Soundcheck: Soundcheck 06/2015
Mehr über Rishloo
- Genre:
- Alternative Progressive Rock
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Eigenproduktion (Just for Kicks)
- Release:
- 08.05.2015
- Great Rain Beattle
- Landmines
- Dead Rope Machine
- Dark Charade
- Salutations
- Radio
- Winslow
- Just A Ride
Eine Tour de Force, die Glückshormone ausschüttet.
Es ist etwa drei Jahr her, da gaben die Jungs von RISHLOO bekannt, dass sie sich von Sänger Andrew Mailloux getrennt haben und der Rest unter dem Namen THE GHOST APPARATUS weitermachen würden. Ein instrumentaler Song wurde zum Download zur Verfügung gestellt, über den mögliche Nachfolger Gesangsmelodien legen und ihn der Band zuschicken konnten, um sich so auf den Posten zu bewerben.
Dies war auch mein letzter Kenntnisstand zu den Herren aus Seattle und so war ich doch basserstaunt, als mit "Living As Ghosts With Buildings As Teeth" plötzlich das vierte Album von RISHLOO mit Andrew Mailloux am Mikro in unseren Redaktionshallen einflog.
Ich bin sicher, dass dieser Name noch nicht besonders vielen unter Euch geläufig ist, sind doch die ersten drei Alben zwischen 2004 und 2009 allesamt - wie das neue Werk auch - in Eigenregie erschienen. Bereits das Debüt "Terras Fames" bot sehr eigenständigen Rock irgendwo zwischen Progressive & Alternative. Bands wie TOOL, A PERFECT CIRCLE, COHEED & CAMBRIA, KARNIVOOL, FAIR TO MIDLAND oder THE BUTTERFLY EFFECT würde man heute wohl als Referenzen identifizieren, wobei es der Gesang von Andrew Mailloux ist, der die Band absolut eigenständig macht. "Eidolon" und "Feathergun" verfeinerten den Stil der Truppe, dabei ist das bislang letzte Album wohl am eingängigsten geworden. Songs wie 'River Of Glass', 'Feathergun In The Garden Of The Sun', 'Scissorlips' oder 'Diamond Eyes' waren trotz aller Komplexität echte Ohrwürmer und fanden so für mich die perfekte Balance im Sound der Band.
Dachte ich zumindest bisher. Doch "Living As Ghosts With Buildings As Teeth" zeigt die Band schlicht in unfassbarer Form. Bereits ARCANEs "Known/Learned" und jüngst ARMORED SAINTs "Win Hands Down" haben bei mir in diesem Jahr für völlige Ekstase gesorgt. Und zumindest bei letzterem war ich beim Schreiben der Rezension vor ein paar Wochen sicher, dass diese Scheibe in diesem Jahr nicht mehr getoppt werden würde. Diese Sicherheit schwindet mittlerweile mit jedem neuen Spin dieses Geniestreiches.
Was also ist schuld an meiner erneuten Euphorie? Nun, zuallererst versteht es das Quartett Spannungsbögen einzubauen, wie es nur ganz wenige Bands schaffen. Schon das eröffnende 'The Great Rain Beatle' ist äußerst wendungsreich und verblüfft zudem damit, dass Mailloux stellenweise sehr aggressiv klingt. Dabei erinnert seine Stimme irgendwie an eine Mischung aus Serj Tankian, Maynard Keenan und Darroh Sudderth (FAIR TO MIDLAND), doch schafft es dieses vokale Chamäleon dennoch eine eigene Identität zu wahren.
'Landmines' ist dann das erste Paradebeispiel für einen mitreißenden Songaufbau. Begonnen wird im leisen Erzählerstil, bei dem Mailloux preisgibt, dass er jeden hier umgebracht hat außer seine Tochter. Schon bald nimmt die Nummer Fahrt auf und Mailloux ist auf direkten Weg in den Wahnsinn, nur um kurz darauf noch einmal den Fuß vom Pedal zu nehmen und die Spannung auf den Siedepunkt zu treiben. Und just wenn wir dort angekommen sind, ertönt eine beinahe pervers-schöne Gesangsmelodie, die überraschend behutsam aufgebaut ist und damit genau das Gegenteil von dem darstellt, was ich hier vermutet hätte, nur um dann nach etwa fünf Minuten mit einer weiteren nicht-von-dieser-Welt-Melodie die 'Landmines' explodieren zu lassen. Völlig großartig.
Das Unfassbare: Das ist nicht der beste Track des Albums! Das anschließende 'Dead Rope Machine' übertrifft 'Landmines' zwar noch nicht, spielt aber bereits auf faszinierende Art mit jeder Form der Dynamik. Schnell/langsam, laut/leise, aggressiv/zart. All das ist hier - z. T. in Bruchteilen von Sekunden - zu finden. Mit jedem Spin schafft es der Song so neue Facetten zu zeigen.
'Dark Charade' ist mit seinen knapp elf Minuten dann nicht nur das Herz des Albums, sondern auch der bisher längste Song der Band. Ich muss zugeben, dass ich ein paar Umdrehungen gebraucht habe, um diese Nummer zu fassen, aber meine Herren, was ist das denn bitte für ein Song?! Ganz ehrlich, ich kann mich kaum kontrollieren, wenn ich das höre. Dabei fängt alles so harmlos an. Die ersten knapp drei Minuten wird beinahe zurückhaltend musiziert. Sanft flüstert Mailloux die Zeilen 'I lost myself in the dark charade', die Instrumentierung ist reduziert, leise Percussion, akustische Klampfe, bevor es nach etwas mehr als drei Minuten fast zum Stillstand kommt. Die Spannung ist greifbar und ich hatte eigentlich einen großen Knall erwartet. Doch auch hier spielt die Truppe wieder geschickt mit der Erwartungshaltung des Hörers und baut noch einen weiteren eher zarten Teil ein, bevor die elektrische Gitarre mit einem ersten einfachen Riff die Nummer die nächste Stufe erklimmen lässt und mich langsam und stetig dem ersten Höhepunkt entgegentreibt. Wenn dann die Zeilen 'Do you love me now that I can save us all?' gesungen werden, werden Glückshormone ausgeschüttet. Aber RISHLOO wäre nicht RISHLOO, wenn an dieser Stelle Schluss wäre. Und das ist nicht ein 'unfortunate mistake' wie Mailloux uns zu verstehen gibt. Das ist volle Absicht und führt uns zur finalen Eruption, bei der mich nix auf dem Stuhl hält. Dave Gillets Riff reißt mich nieder, die Rhythmussektion baut einen höllischen Groove auf und darüber explodiert Andrews Stimme. Was für ein höllisches Finale!
Das Unfassbare: Auch das ist nicht der beste Track des Albums! Vielleicht ganz knapp, ich kann mich da nach nun 25 Durchgängen echt noch nicht festlegen, aber es ist nicht so, dass der Song den Rest um Meilen überragt. Zunächst jedoch holt einen das ruhige 'Salutations' und das sich langsam steigernde 'Radio' wieder auf den Erdboden zurück. Beides wunderbare Stücke, die aber an dieser Stelle doch in erster Linie zum Durchatmen dienen.
Mit 'Winslow' folgt die nächste Komposition, die mich schier in den Wahnsinn treibt. Treibend geht es los, das verspielte Riff sorgt von der ersten Sekunde an für Unruhe, darüber lässt Mailloux seine Stimme tanzen. Sie schwillt an, ebbt ab, ist immer wandel- und somit schlecht greifbar. Wenn dann nach knapp vier Minuten Andrew die aggressiv-gesprochene Keule herausholt, nimmt 'Winslow' ähnlich Fahrt auf wie PSYCHOTIC WALTZ einst bei der 'Freakshow'. Ab hier steigert sich der Song dann in die totale Ekstase, die seinen Höhepunkt erreicht, wenn Mailloux schreit 'Don't look away now!'. Nein, wie auch?! Stattdessen läuft die Nummer gerne noch ein, zwei Extrarunden.
Und das immer zusammen mit dem abschließenden, schlicht wunderschönen 'Just A Ride', um das ich an dieser Stelle gar nicht so viele Worte machen möchte. Auch hier ist der Spannungsaufbau einmal mehr perfekt, die abschließende Steigerung kaum mit Worten zu beschreiben und versetzt mich beinahe in Trance. Vielleicht der beste Song des Albums, ja, des Jahres. Und nein, es ist nicht 'Just A Ride', RISHLOO bietet hier so viel mehr an, was Worte eigentlich nicht annähernd ausdrücken können.
Deshalb will ich es damit auch belassen. Absolute Kaufpflicht für alle und jeden.
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Peter Kubaschk