SEPULTURA - Under A Pale Grey Sky
Mehr über Sepultura
- Genre:
- Tribal Thrash
- Label:
- Roadrunner Records
- Release:
- 23.10.2002
- Itsári (Intro)
- Roots Bloody Roots
- Spit
- Territory
- Monologo Ao Pé Do Ouvido
- Breed Apart
- Attitude
- Cut-Throat
- Troops Of Doom
- Beneath The Remains / Mass Hypnosis
- Born Stubborn
- Desperate Cry
- Necromancer
- Dusted
- Endangered Species
- We Who Are Not As Others
- Straighthate
- Dictatorshit
- Refuse/Resist
- Arise / Dead Embryonic Cells
- Slave New World
- Biotech Is Godzilla
- Inner Self
- Policia
- We Gotta Know
- Kaiowas
- Ratamahatta
- Orgasmatron
SEPULTURA stehen im Moment für das aktuellste Beispiel vom hoch Fliegen und tief Fallen. Nachdem sich die brasilianische Ausnahmeband mit wilden Thrashgebolze, genialem Tribaleinfluss und kritischem Background in die Herzen der Weltöffentlichkeit musizierte, stürzte die Band in ein beinahe bodenloses Loch nach dem wenig ruhmreichen Abgang ihres Frontmanns Max Cavalera.
Die ziemlich Hardcore-lastige Mucke auf beiden neuen Alben "Against" und "Nation" konnten trotz technischer und musikalischer Perfektion weder alte Fans noch neue so richtig begeistern, und es wendeten sich immer mehr von SEPULTURA ab, u.a. auch die Plattenfirma Roadrunner und das Management der Band, was wohl zu den tiefgreifendsten Problemen zählen dürfte.
Und nun, aus heiterem Himmel, werfen Roadrunner in Zusammenarbeit mit Sepultura plötzlich zwei neue Releases auf den Markt, einmal die "Chaos DVD", welche sämtliche Videos der Band beinhaltet, als auch das Live-Album "Under A Pale Grey Sky".
Natürlich stinkt die Sache gewaltig, und zwar nach Geld. Besonders komisch ist auch die Tatsache, dass beide Releases noch mit dem Ex-Shouter Max aufgenommen wurden, und nicht mit dem über alles gelobten Neu-Fronter Derrik Green. Nur das bald erscheinende Cover-Album wurde von ihm eingebrüllt.
Eine Reunion mit Max, der mit seiner Band SOULFLY extremst erfolgreich ist, steht selbst nach sechs Jahren und nach wiederkehrender Verbrüderung der beiden Cavaleras in den Sternen - leider.
Auf jeden Fall wird mit dieser neuen Doppel-CD der letzte gemeinsame Auftritt der vier Brasilianeros an den Mann gebracht, und als "historisches Ereignis in der Bandgeschichte" angepriesen. Historisch wertvoller war wohl der vorherrschende Zwist hinter der Bühne, der die Band spaltete.
Dieses eben genannte "historische" Konzert fand in der Brixton Academy zu London am 16. Dezember 1996 statt und wurde durch Colin Richardson und Tony Wilson technisch aufpoliert, damit es einen hörbaren Genuss darstellen würde.
Eines kann man den Herren lassen: Sie haben ihre Arbeit nahezu perfekt gemacht. Die Soundqualität ist mehr als nur gut, und es sind alle Mitglieder der Band gut auseinanderzuhalten, auch wenn sie perfekt zusammenspielen.
Die Livequalitäten der Band stehen hier außer Frage. SEPULTURA fahren das volle Brett - und weit darüber hinaus. Die Setlist stellt die wohl beste der Laufbahn dar, mit der Ausnahme, dass relativ wenige Songs der grandiosen "Chaos A.D." vertreten sind. Die Band wartete mit Krachern wie "Arise" oder dem perfekten "Beneath The Remains / Mass Hypnosis"-Medley, Stampfern wie "Territory" oder "Endangered Species" und Reißern wie "Spit" oder "Inner Self" auf, welche sie dann auch exzellent in Szene setzen und dabei die Halle ordentich auf den Kopf stellten.
Der Sound lässt auf einiges schließen, Andreas' Gitarre ist keine einzige Sekunde außer Kontrolle, Bass und Drums vermischen sich zu Rhythmusmaschinen, denen niemand entkommen kann, und zaubern einen Untergrund für die Band, auf dem nichts schief gehen kann. Man merkt sofort, dass dort Profis am Werk sind, die ihre gemeinsamen Jahre in dieser Show durch Erfahrung und Energie noch mal Revue passieren lassen.
"Under A Pale Grey Sky" lässt keine Wünsche offen, der Klang ist für ein Livealbum verdammt gut - nebenbei erwähnt mit soviel Bass vollgepfropft, dass beim mir die Wände wackelten, jeder der Songs stellt ein Erlebnis für sich selbst dar.
Auch Effektetechnisch hat die Band es drauf, das faszinierende "Itsari"-Intro mit seinem Indianergesang (genaugenommen sind es die Xavante, mit denen SEPULTURA ihr "Roots"-Album aufgenommen haben), die verschiedenen Variationen der Songs machen die Sache um einiges fesselnder, und die Jungs lassen keine Sekunde Zweifel an ihrer Herkunft aufkommen. Die Band feiert ihre Musik mit allen Mitteln, Tribalelemente an jeder Ecke, und trotzdem lässt der Auftritt kaum eine Verschnaufpause. Mit "Monologo Ao Pe Do Ouvido" des verstorbenen brasilianischen Revoltrockers Chico Science wird es bedächtig, "Kaiowas" verzaubert in seiner Einfachheit und das CROMAGS-Gastspiel bei "We Gotta Know" ist der Hammer überhaupt. Alte Songs geben sich mit dem "neuen" Kram die Hand, Klassiker wie selbst "Necromancer", "Troops Of Doom" oder "Beneath The Remains" treffen auf "Spit", "Ratamahatta" oder "Slave New World" und vertragen sich dabei prächtig mit ihnen. SEPULTURA bieten hier eine Songvielfalt, die Träume wahr werden lässt, und Genickmuskeln in Stahl verwandelt - eine bessere Setlist findet man wohl nie wieder. Weder bei SEPULTURA, noch bei SOUFLY.
Zu den wohl einzigen Defiziten dieser Platte gehören die fehlenden Mikrofone im Publikumsraum, da man das Publikum, welches bei einem solchen Angebot an Nackenbrechern und Klassikern der Band (was so ziemlich aufs gleiche rauskommt) eigentlich toben müsste, entweder überhaupt nicht oder nur sehr schwach hört. Anders als auf den Live-Tracks der "The Roots Of Sepultura", die wohl die heftigsten Liveaufnahmen aller Zeiten darstellen, wo das Publikum derart begeistert mitschreit und ausflippt, dass es locker mit der Band mithalten kann, sind die Besucher der Brixton Academy quasi still. Gerade der Klang eines begeisterten Menge macht aus einer Liveaufnahme erst eine gute Liveaufnahme, und hier hat man das wohl völlig verpennt.
Das eindeutig größte Defizit dieser Platte stellt der Sänger und Roadrunners Lieblingskind Max Cavalera dar. Der Mann ist auf der letzten Vorstellung der "Roots"-Tour 1996 sowas von dermaßen heiser, dass dies beinahe das ganze Konzert kaputtmacht. Mal hat er seine Stimme wieder, brüllt in fast gewohnter Manier seine Wut ins Publikum, mal muss Andreas Kisser behelfsmäßig dem Frontmann unter die Stimme greifen und brüllt sein bestes dazu, was des öfteren einfach nur besser wirkt als der originale Krächzgesang. Da der Mensch am Tag zuvor eine Show in Manchester zu absolvieren hatte, davor aber quasi gar nichts, wundert es einen, dass das Stimmwunder derart kaputtes Zeug in die Runde kreischt. Eine Lachnummer stellt der Herr auch noch dar, mit seinem "Yo, mähn, yo yo..." brachte er mich laut lachend zu Boden.
Trotzdem bleibt das Album wohl eines der besten Livealben zur Zeit, was nicht allein an den technischen Möglichkeiten unserer Zeit liegen mag, sondern einfach daran, dass SEPULTURA auf der Bühne eine der mächtigsten Bands der Welt sind, die einfach nur Arsch treten und ein wahnsinns Angebot an Songs im Kasten haben - und das zeigen sie immer und immer wieder. Das haben sie vor sechs Jahren unter Beweis gestellt, wie sie es vor sechzehn Jahren unter Beweis gestellt haben, und es wahrscheinlich noch in sechzig Jahren unter Beweis stellen werden, mit oder ohne Max.
Anspieltipps: Territory, Necromancer, Dictatorshit, Beneath The Remains/Mass Hypnosis, Roots Bloody Roots, Breed Apart, Dusted, Kaiowas, Arise/Dead Embryonic Cells, Policia, Biotech Is Godzilla, Slave New World, Refuse/Resist, Straighthate, Born Stubborn, Attitude, Spit, We Gotta Know
- Redakteur:
- Michael Kulueke