SIGH - Graveward
Auch im Soundcheck: Soundcheck 04/2015
Mehr über Sigh
- Genre:
- Black Metal / Thrash Metal / Progressive Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Candlelight Records
- Release:
- 27.04.2015
- Kaedit Nos Pestis
- Graveward
- The Tombfiller
- The Forlorn
- The Molesters Of My Soul
- Out Of The Grave
- The Trial By The Dead
- The Casketburner
- A Messenger From Tomorrow
- Dwellers In A Dream
Eine Mardi-Gras-Prozession durch Erich Zanns Kammer!
Japans führende Extremstahlavantgardisten sind zurück und zwar mit ihrer elften regulären Studioveröffentlichung, was sich schon allein daran ablesen lässt, dass die Alben immer abwechselnd mit den Buchstaben S, I, G und H anfangen, und der dritte Umlauf zu drei Vierteln vollendet ist. Das neue Album hört auf den Namen "Graveward" und hat einmal mehr ein sehr schönes, morbid-mystisches, dunkles Artwork, für das dieses Mal der rumänische Künstler Costin Chioreanu verantwortlich zeichnet, der in den letzten Jahren auch für Bands wie MAYHEM, PRIMORDIAL und GRAVE tätig war.
Wie immer ist bei SIGH also das Gesamtkunstwerk besonders wichtig, und mit entsprechend viel Liebe zum Detail in Musik und Artwork verarbeiten die Japaner einmal mehr ihre mannigfaltigen Stilelemente aus harschem, bissigem, nach wie vor mächtig angeschwärztem Heavy Metal mit Mirais garstig keifenden Vocals auf der einen Seite, und der ganzen, großen, weiten Welt der Musik auf der anderen Seite. So finden wir in allen Stücken orchestrale, klassische Arrangements wie sie schon beim Opener 'Kaedit Nos Pestis' ins Ohr kriechen und sich dort festsetzen. Es gibt massige Synths, allerlei klassiches Instrumentarium und vor allem auch jede Menge Wirrnis, die man erst einmal durchdringen muss. Doch glaubt es mir, es funktioniert blendend, wenn man nur will.
Auch im 25. Jahr ihres Bestehens spart die Band nicht an dick aufgetragenem, dabei aber keineswegs kitschigem oder gar süßlichem Bombast, der sich vielmehr als pathetische Feier von Funken sprühendem Irrsinn, kryptischer Dunkelheit und gut gelaunter Garstigkeit präsentiert. Wir begegnen abgefahrenen Orgelfugen, verqueren, dissonanten Elektro-Sequenzen in gruftpunkigem Ambiente wie bei 'The Molesters Of My Soul', oder verstörenden spanischen Corrida-Motiven auf Dr. Mikannibals Saxophon bei 'Out Of The Grave'. Dazu gibt es mehrstimmige Chöre und wagnerianisches Pathos das auf "The Omen"-Soundtrack-Flair trifft wie bei 'The Trial By The Dead' und vieles mehr.
Besondere Highlights sind für mich - auf einem durchweg gelungenem Album - zudem 'A Messenger From Tomorrow', das sich für SIGH-Verhältnisse sehr reduziert und Dark-Wave-lastig gibt, das aber von einem recht simplen metallischen Riffing, dunkler, warmer Stimmung und leichten Reminiszenzen an den Spinett-Fetisch vom Debütalbum getragen wird, bevor es zum Ende hin doch noch eine orchestrale Abzweigung nimmt und in flirrende gezupfte A-Gitarren und E-Gitarrensoli mündet, die verträumte, iberisch anmutende Motive zocken, zu denen sich hier und da Conan-Pathos gesellt. In all ihrer Vielseitigkeit wirken Kompositionen wie diese aber doch nachvollziehbar und packend. Mirai und Co. verzetteln sich nicht, sie verbinden ihre unendlich scheinenden Einflüsse zu letztlich doch schlüssigen und fesselnden Kompositionen, die einfach wunderschön abgefahren sind, genauso wie das abschließende 'Dwellers In A Dream', das auf mich streckenweise so wirkt, wie ich mir URIAH HEEP auf Acid vorstelle.
SIGH ist auf dieser Scheibe auf den ersten Anlauf also wirr und verstörend wie immer, auf den zweiten Blick aber doch wieder genau die lieb gewonnene Rasselbande, die das Choas zähmt und Musik daraus macht. Die Band klingt als wandere eine Mardi-Gras-Prozession durch Erich Zanns Zimmer, in welchem jener zusammen mit einem dämonischen Jazz-Ensemble Basil-Poledouris-Kompositionen in schwarzen Stahl gießt. Oder zumindest so ähnlich.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle