STRATOVARIUS - Survive
Auch im Soundcheck: Soundcheck 09/2022
Mehr über Stratovarius
- Genre:
- Melodic Power Metal
- ∅-Note:
- 8.75
- Label:
- earMusic / Edel
- Release:
- 23.09.2022
- Survive
- Demand
- Broken
- Firefly
- We Are Not Alone
- Frozen In Time
- World On Fire
- Glory Days
- Breakaway
- Before The Fall
- Voice Of Thunder
Einmal sacken lassen.
Wenn ich von STRATOVARIUS spreche, kommen wohlige Erinnerungen hoch, sprechen wir hier doch von einer meiner Lieblingsbands in der Jugend. Die "Elements"-Alben waren hervorragend, die Double-Headliner-Tour mit HAMMERFALL zum gleichbetitelten Album war das erste Mal, dass ich Kotipelto und Co. live sah und auch danach habe ich die Finnen für eine gewisse Zeit gerne verfolgt. Doch nichts kam an diese Zeit zwischen "Episode" – als das Bandlogo noch Zacken hatte – und dem eher zwiespältig aufgenommenen "Stratovarius" heran. Es waren zehn Jahre, die sich ob ihrer majestätischen Herrschaft, dieser powermetallischen Erhabenheit, einer Ära voller wunderbarer Hymnen, Melodien in voller Pracht und Stücke für die Ewigkeit angefühlt haben wie 20 Jahre, was wohl auch ein Tolkki-Verdienst war.
Doch ob man es glaubt oder nicht, aber genau diese Zeit ist eben schon beinah 20 Jahre her und obwohl auch die vier Folgealben ihre hellen Höhepunkte hatten, so spurlos in der Nachbetrachtung gingen "Nemesis" oder mit "Eternal" sogar der unmittelbare Vorgänger an mir vorbei. Und nun, sieben lange Jahre später, sind sie also wieder da? Meine einstige, heimliche Jugendliebe, und stellt sich mit "Survive" und einer ordentlichen Portion melodischen Euro Power Metals der widerlichen Fratze der heutigen Zeit entgegen? Mutige Angelegenheit, doch bei näherer Betrachtung passt der Titel des nunmehr 17. Albums unheimlich gut.
Ob es an der langen Arbeit lag, den derzeitigen Katastrophen, die Mutter Erde zu bewältigen hat, sämtliche Missstände beinah überall auf der Welt und auch den kommenden, nicht ganz unkomplizierten Herausforderungen, aber "Survive" ist ein für STRATOVARIUS-Verhältnisse sehr düsteres Album geworden, was allein schon das Artwork zeigt. Die Band zeigt sich nachdenklich, besorgt ob des derzeitigen Zustands der Menschheit auch im Hinblick auf die Natur, wodurch zumindest optisch starke Tendenzen zum "Elysium"-Artwork bestehen. Doch im direkten Vergleich zum 2011er Album legt "Survive" noch stärker den Finger in die betrübte Wunde, es spricht gemeinsam mit Titeln wie 'Broken', 'We Are Not Alone', 'World On Fire' oder 'Before The Fall' Bände. Eine in künstlerischer Hinsicht sehr geschmackvolle Ausrichtung mit warnendem Appell, die Zukunft der Menschheit nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Allein das Artwork berührt mich schon.
Doch kommen wir zur Musik und die ist nicht minder düsterer geworden als das Album optisch vermuten lässt. Dass man bei einem Namen wie STRATOVARIUS ein zweites "Visions" und "Infinite" oder gar drittes "Elements"-Werk erwartet, dürfte zwei Dekaden nach diesen Großtaten klar sein, entwickelte sich die Band auch durch interne Umstrukturierungen und künstlerischen Evolutionen doch von Veröffentlichung zu Veröffentlichung weiter – bis sie nun bei "Survive" angekommen ist, ein Album, das musikalisch mit keinem anderen STRATOVARIUS-Album mühelos zu vergleichen ist, das seine eigene Kreise zieht und anders als besagte Alben vorwiegend Songs beinhaltet, die eben nicht locker flockig und mühelos ins Ohr gehen, deren Melodien man freudig unter der Dusche mitträllert und deren 'Eagleheart'-Refrains die innere Sonne aufgehen lassen. Nein, "Survive" ist tiefgründig und benötigt Zeit, bis sich das gesamte Gesicht dieses Albums offenbart.
Es ist noch immer ein STRATOVARIUS-Album. Daran hat sich in den vergangenen sieben Jahre nichts geändert. Noch immer thront Kotipeltos Stimme über dem Geschehen, Jens' sehr präsente Keyboard-Melodien und Matias' doch angenehm harte Gitarren spielen sich gekonnt die Bälle hin und her und Lauri, sowie Rolf an der Schießbude sorgen für Breaks, eine dynamische Rhythmik und Spielfreude durch und durch. Doch zeitgleich merkt man in jedem 'World In Fire'-Atemzug die Sorge ob der kritischen Weltsituation, obwohl der Song feinsten, offensiven Power Metal mit geschmackvollen Chören bereithält. Und schon früh fällt auf, dass die einzelnen Instrumente noch zielgerichteter aufeinander abgestimmt sind, in den Songs sehr viel Potential steckt und die Band per se selten so homogen klang. Dabei leitet das Titelstück den neuesten Streich recht bandtypisch ein, 'Firefly' hat eine eindringliche Rhythmik und wunderbare Melodie und wenn vereinzelt die Emotionen hochkochen und sich 'Frozen In Time' und 'Glory Days' mit der Zeit als Gassenhauer entpuppen, dann kann man STRATOVARIUS auch anno 2022 eine sehr hohe Qualität zusprechen. Abgerundet wird dieses also hochwertige Album durch 'Voice Of Thunder', einer monumentalen Elf-Minuten-Nummer, die sich selbst dramatisch und die Nachhaltigkeit von "Survive" emporhebt.
Wie angedeutet, haben die ersten Durchgänge dieser Scheibe partout nicht zünden wollen, hatte schweren Herzens schon die sechs Punkte vergeben wollen, doch einen Durchgang wollte ich "Survive" noch schenken. Ich las davor die Nachrichten, blickte von meinem Balkon aus nach draußen, die Gedanken bohrten sich durch meine Hirnwände. Und plötzlich machte fast alles auf "Survive" Sinn, weshalb es eben nicht von Beginn an Klick machte: Damit man sich mit diesem Album beschäftigt, ihm eine berechtigte Langzeitwirkung zusprechen kann, es immer und immer wieder aus dem Regal holt, auf das Artwork blickt, sich die Trackliste anschaut und dabei sein eigenes Tun und Handeln rekapituliert. Und legt man Vergleiche zu den anderen 16 Alben der Finnen ad acta, dann ist "Survive" zwar kein mit astreinen Hits vollgepacktes, aber auf musikalischer und konzeptioneller Hinsicht dennoch ungemein hochwertiges Album geworden. Puh.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Marcel Rapp