TARJA - My Winter Storm (Deluxe Edition CD + DVD)
Mehr über Tarja
- Genre:
- Symphonic Metal / Klassik
- Label:
- Universal
- Release:
- 16.11.2007
- Ite Missa Est
- I Walk Alone
- Lost Northern Star
- Seeking For The Reign
- The Reign
- The Escape Of The Doll
- My Little Phoenix
- Die Alive
- Boy And The Ghost
- Sing For Me
- Oasis
- Poison
- Our Great Divide
- Sunset
- Damned And Divine
- Ciarán's Well
- Minor Heaven
- Calling Grace
- Damned Vampires & Gothic Divine (Bonus)
- I Walk Alone (Artist Version)
- I Walk Alone (In Extremo Remix)
Samstagnacht auf der A3 Richtung Köln: Das Innere meines Autos ist erfüllt mit den Klängen von Tarja Turunens soeben erschienenem Album "My Winter Storm". 'I Walk Alone' singt sie, und ich merke, wie mir süß-salzig die Tränen über die Wangen laufen. Dieses Album öffnet alle Schleusen. Und in manchen Lebenssituationen ist es gut so, wenn solche Katalysatoren wirken.
In einem Interview auf der Bonus-DVD des Deluxe-Digi-Packs betont Tarja, dass ihr die Emotionen bei der Gestaltung ihres ersten eigenständigen Albums nach Beendigung des NIGHTWISH-Kapitels - das sie nicht als Soloalbum verstanden wissen will - besonders wichtig waren. Und das scheint ihr gelungen zu sein. Hier werden in allererster Linie Gefühle angesprochen, ohne den Hörer jedoch in unerträglichem Schmalz zu ertränken.
Das Werk beginnt mit dem bereits als Single-Auskoppelung angekündigten Track 'I Walk Alone', dem unter dem Titel 'Ite Missa Est' geschickt die Anfangsklänge von Mozarts 'Introitus', dem ersten Satz seines Requiems, vorangestellt werden. Das folgende 'Last Northern Star' zeigt in der Tat noch Anleihen an den musikalischen Zauber von NIGHTWISH, das ist wohl nicht zu verhehlen. Der Bombast, mit dem hier auf dem Boden kräftiger Gitarrenklänge eine Melodie um TARJAs anrührende Stimme gewoben wird, scheint irgendwie vertraut. Vielleicht ist es aber auch einfach nur dies, was Tarja an anderer Stelle dazu veranlasst, ihr Album als "dark" zu bezeichnen. Eine schwermütig-melancholische Finsternis zieht sich durch das ganze Werk. In dieser Weise spricht auch 'The Reign', Track fünf an. Eine getragene Melodie, die sich vor Orchesterklängen dramatisch steigert und zum ersten Mal auch verdeutlicht, warum Tarjas Kunstwerk mit der Idee eines Filmsoundtracks in Verbindung gebracht wird.
Eine neue, mehr rockige Note bringt Track acht mit dem Titel 'Die Alive' ein. Die klassischen Streicher verschwinden nicht ganz, kommen auch hier im Zwischenspiel zum Vorschein, um dem Stück eine opernhafte Dramatik zu verleihen. Wieder etwas feinfühliger geht es sodann mit 'Boy And The Ghost' weiter, einem zunächst balladenhaften Stück, bei dem Tarjas Stimme in wesentlichen Teilen die zurückhaltende Instrumentierung dominiert, bevor der Song in der Mitte mit einer kraftvollen Wende in positiver Grundstimmung erblüht. Eine ähnliche Dramatik entfaltet auch das folgende 'Sing For Me', das sich ebenfalls zunächst mit einer gewissen melancholischen Färbung beginnend, im weiteren Verlauf dramatisch steigert, aber auch den Effekt des Aufblühens in Erleichterung in sich trägt. Ein solches Stück ist auch 'Oasis', das bei mir tatsächlich die Assoziation eines Fluges über eine kalte finnische Seelandschaft erweckt, finster, aber sternklar erleuchtet.
Aus dem Rahmen der bisherigen Stimmung fällt dann Tarjas Coverversion von ALICE COOPERs 'Poison'. Durchaus amüsant zu hören, was die finnische Sopranelfe aus der tausendmal gehörten Rocknummer gemacht hat – aber irgendwie scheint es mir nicht wirklich glaubwürdig. Schuster, bleib' bei deinem Leisten!
Viel authentischer kommt da doch wieder das sich anschließende 'Our Great Divide' rüber, das für mich eines der ausdrucksstärksten tragenden Stücke des Albums darstellt. Eine langsame, schwere Melodie, deren Instrumentierung Raum gibt für Tarjas große Stimme, die letztlich maßgeblich dazu beiträgt, das Gesamtwerk zu etwas Besonderem werden zu lassen. Beim letzten Drittel der Scheibe angekommen, fällt nun 'Ciarán's Well' wirklich noch einmal aus dem Rahmen. Hier steckt wohl am meisten Metal drin und die Grundstimmung der Nummer ist nicht mehr melancholisch, sondern spannungsgeladen.
Warum sich die Anordnung der Stücke auf der Deluxe-Edition von jener auf der Standardausgabe unterscheidet, erschließt sich nicht, der offizielle Teil endet jedenfalls mit 'Calling Grace' einer nochmals mit zarter Hand gewobenen Ballade. Dem Deluxe-Konsumenten werden dann noch drei Bonustracks geboten, die – wie so oft – nicht als unverzichtbar bewertet werden müssen. Lohnen tut sich hier eigentlich nur 'Damned Vampires & Gothic Divine', während die "Artist Version" von 'I Walk Alone' keine neuen Erkenntnisse im Verhältnis zum Beginn des Albums bringt. Der IN-EXTREMO-Remix des gleichnamigen Stückes kommt mir hingegen ebenso wenig glaubwürdig vor wie Tarjas 'Poison'-Version. Das mittelalterliche Dudelsackgeklimper passt einfach nicht zu der ausdrucksstarken Grundkomposition und wirkt fast ein bisschen lächerlich. Lassen wir es als Gag stehen ...
Noch ein Wort zur Bonus-DVD, die sich ausgiebig mit den unterschiedlichen Versionen von 'I Walk Alone' befasst und Einblicke in den zugehörigen Videodreh gewährt. In Interview-Beiträgen versucht TARJA hier die unterschiedlichen Charaktere, die in diesem Video eine Rolle spielen und die Geschichte an sich zu erläutern. Ob sich die Story letztlich erschließt, wird wohl jeder für sich entscheiden müssen – ich persönlich ziehe der Videokunst die eigene Phantasie vor und bin mir gewiss, dass "My Winter Storm" mit seinen großen Melodien auf jeden Fall genug Vorstellungskraft freisetzt, um eigene Bilder im Kopf entstehen zu lassen.
Anspieltipps: I Walk Alone, Oasis, Our Great Divide, Ciarán's Well
http://www.mywinterstorm.com
- Redakteur:
- Erika Becker