THE DEVIL WEARS PRADA - The Act
Mehr über The Devil Wears Prada
- Genre:
- Alternative Metal
- ∅-Note:
- 7.50
- Label:
- Solid State Records
- Release:
- 11.10.2019
- Switchblade
- Lines Of Your Hands
- Chemical
- Wave Of Youth
- Please Say No
- The Thread
- Numb
- Isn't It Strange?
- Diamond Lost
- As Kids
- Even Though
- Spiderhead
Kein Spaß: Das experimentellste Rock-/Metal-Album des Jahres.
Kaum eine andere Metalcore-Band hat sich mit jeder Veröffentlichung so deutlich und jedes Mal noch weiter von ihren Wurzeln entfernt wie THE DEVIL WEARS PRADA. Und nachdem vor drei Jahren "Transit Blues" den Höhepunkt einer anspruchsvollen Entwicklung weg von gängigen Genrestandards hin zu tiefgründigen, grenzüberschreitenden Kompositionen markierte, legt die einst als MySpace-Band belächelte Truppe anno 2019 noch eine Schippe drauf – oder vielleicht eher einige LKW-Ladungen! Denn "The Act", Studioalbum Nr. 8 der Amis, hat unterm Strich mit Metalcore und mit den bis zuletzt noch irgendwie vertrauten Restbestandteilen des TDWP-Sounds nichts mehr zu tun.
Wenn 'Switchblade' das Album mit dissonanten Riffs und chaotischem Schlagzeugspiel eröffnet und Mike Hranicas Sprech-Schreigesang einsetzt, werden sich Fans der ersten Stunde kurzzeitig noch eine rohe Rückkehr zu den früheren Veröffentlichungen des Fünfers vorstellen können – doch tatsächlich wütet die Truppe in noisiger Postcore-Manier à HELMET oder THE CHARIOT einfach nur ungestüm drauflos und hinterlässt spätestens durch den folgenden, Dubstep-artigen Bruch ratlose Gesichter. Die vorab bekannt gewordenen Stücke 'Lines Of Your Hand' und 'Chemical' zeigen THE DEVIL WEARS PRADA danach von ganz anderer Seite: Während der Pop-Rock-Anteil plötzlich erhöht wird, nimmt der Gesang Hranicas sowie Jeremy Depoysters eine absolut dominante Rolle ein. 'Lines Of Your Hand' wirkt dabei noch vergleichsweise konventionell, während 'Chemical' der Hörerschaft geradezu intim auf die Pelle rückt: reduzierte Gitarren, flächige Synthie-Sounds, und im Mittelpunkt die größtenteils aggressionsfreien Stimmen der beiden Sänger. Mit 'Wave Of Youth' folgt wiederum ein vertrackter Alternative-Rocker, dessen Intensität durch den Wechsel zwischen ruhigen Strophen und verschleppt-drückenden Kehrversen genial angezogen wird. 'Please Say No' ist hingegen introvertierter Pop pur; die synthetischen Sounds bilden aber nur das Hintergrundgerüst für den stark in den Mittelpunkt gerückten Gesang. Hranica und Depoyster sind stimmlich dermaßen präsent, dass hier von einer ganz neuen Herangehensweise gesprochen werden muss. Musikalisch ist das wirklich großes Kino!
Bei 'The Thread' zeigt sich die Truppe wiederum von ihrer bissigen Seite – das Teil ist ein verschlepptes Groove-Monster mit ultratiefen Gitarrensägen und einem Mike Hranica auf maximalem Wutlevel. Anschließend erneut ein Bruch: der völlig zurückgenommene Beginn von 'Numb', das in eine beinahe doomige Gangart übergeht und mit einer getriggerten Snare-Drum überrascht. 'Isn't It Strange?' watet danach in Zeitlupentempo durch elektronisch verzerrte Soundscapes, während 'Diamond Lost' zunächst beinahe als A-Cappella-Vokalkunst durchgeht. Auf klassische Strukturen wird weitgehend verzichtet, die Songs kommen generell eher wie vertonte Erzählungen daher. Es bleibt Geschmackssache, ob einem diese ausschweifende Experimentierfreude passt – mir fehlt auf "The Act" der rote Faden, der die sehr kontrastreichen Kompositionen zusammenhält. Zudem schwächelt das Album im Schlussviertel spürbar: 'As Kids' bietet im Gegensatz zu den vorangegangenen Nummern keine markanten Merkmale, und 'Even Though' enttäuscht mit einem eher lahmen Refrain. 'Spiderhead' versucht zumindest die chaotische Energie des Openers aufzugreifen, an dieser Stelle bin ich als Hörer allerdings schon übersättigt und lasse das letzte anarchische Aufbäumen der Herrschaften aus Dayton, Ohio an mir vorbeirauschen.
"The Act" ist vermutlich das innovativste und experimentierfreudigste Rock- bzw. Metal-Album des Jahres 2019: Scharfe Kontraste aus chaotischen und völlig zurückgenommenen Passagen, überraschende Elektro-Sounds, die sehr präsente und überzeugende Vokalperformance, der Verzicht auf eingängige Strukturen und schließlich die spielerischen Sprünge über Genregrenzen hinweg sind auf der Habenseite zu verbuchen. Nur leider kommt über die gesamte Spielzeit hinweg kaum ein durchgängiger Fluss auf; Homogenität ist auf "The Act" ein Fremdwort. Wer sich überraschen lassen will, wer auf Altbekanntes verzichten kann und auf ungewohnte Kontraste steht, oder wer einfach ein gesanglich dominiertes, experimentell entfesseltes Alternative-Metal-Album hören möchte, dem sei "The Act" ans Herz gelegt. Fans der ersten Stunde werden die Band kaum wiedererkennen – und der Spaß bleibt bei dieser unbequemen Gangart mitunter auch auf der Strecke. Meine Wertung dürfte nach Lust, Laune und Tagesgeschmack noch für geraume Zeit um plus-minus einen Punkt schwanken.
Anspieltipps: Please Say No, Chemical, Wave Of Youth
- Note:
- 7.50
- Redakteur:
- Timon Krause