THOUGHTS FACTORY - Elements
Auch im Soundcheck: Soundcheck 01/2020
Mehr über Thoughts Factory
- Genre:
- Progressive Metal
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Melodic Revolution Records
- Release:
- 24.01.2020
- Mind Odyssey
- The Burden
- Frozen Planet
- Fire Away
- Nightfall
- The Shores Of Sand And Time
- Dawn Pt. 1
- Dawn Pt. 2
- Our Kingdom
- Elements
Das zweite Album der Frankfurter sollte deren Status als kommende Größe des Prog Metals festigen.<br />
Nach der Bandgründung im Jahre 2008 dauerte es ziemlich genau sechs Jahre, bis die hessischen Progmetaller THOUGHTS FACTORY ihr Debütalbum "Lost" veröffentlichten, und dieses Album war anno 2014 eines der ganz wenigen Prog-Metal-Debüts, die es aus dem Stand heraus schafften, mich zu begeistern und nachhaltig für die Band einzunehmen. Nun sind exakt sechs weitere Jahre ins Land gezogen, und endlich ist "Elements" vollendet. Die Band hatte zum einen ihren neuen Sänger Cornelius Wurth zu intergrieren, und zum anderen hat das Quintett eben doch gehobene Ansprüche an sich selbst und sein Schaffen. Ihr dürft mir daher glauben, dass ich der Veröffentlichung von "Elements" mit großer Vorfreude und Spannung entgegen gefiebert habe, und nun, da ich den Digipak mit seinem tollen Artwork in meinen Händen halte und das Album etliche Durchläufe in der heimischen Anlage, auf dem Rechner im Büro und auch im Auto hinter sich hatte, möchte ich es vorweg nehmen: THOUGHTS FACTORY erfüllt mit dem Werk um die Elemente die Erwartungen voll und ganz.
Zunächst möchte ich hierbei auf den Wechsel im Line-up eingehen, der natürlich riskant war, glänzte Marcus Becker auf dem Debüt doch mit einer tollen Gesangsleistung. Doch hier ist direkt Entwarnung zu geben, denn auch der neue Sänger Cornelius Wurth kann mit einer tollen Darbietung begeistern, was im Prinzip schon die ersten paar Takte des eröffnenden 'Mind Odyssey' klarstellen, in denen Cornelius - nur vom Piono begleitet - eine wunderbare Hookline in höchster Tonlage zum Besten gibt, die an sich jeden progophilen Hörer direkt gefangen nehmen sollte. Aus dem Intro entwickelt sich ein Prog-Metal-Werk mit an 80er-Neo-Prog erinnernden Keyboardelementen und vertrackter Rhythmik, die jedoch auch bei den Schlagzeugfills und der wuchtigen Rhythmusgitarre kein Selbstzweck mit Show-off-Effekt ist, sondern stets songdienlich eingesetzt wird und sich immer wieder auch entspannt und simpler wird, um flächigen Arrangements mit tollen Gesangshooks Raum zu geben. Auch wenn gegen Ende des Stück die Leadgitarre von Cornelius Wurth (der bei diesem Song neben dem Gesang auch die Gitarren übernommen hat) ein tolles Solo darbietet und die Rhythmusgruppe in den Hintergrund tritt, entsteht ein herrlich schwebendes Gefühl.
Dazu liefert das folgende 'The Burden', das bereits vorab als Videosingle ausgekoppelt wurde, direkt im Einstieg ein feines Kontrastprogramm, denn hier übernimmt die Rhythmusarbeit zunächst das Heft, und Bassist Bernd Schönegge und Drummer Chris Maldener zimmern eine frickelig-hackende Achterbahnfahrt zurecht, bevor mit der Bridge die Melodiearbeit übernimmt und mit begeisternden Hooks in einen herrlich klaren und erhabenen Refrain überleitet. Auch hier kann Sänger Cornelius Wurth mit allerlei stimmlichen Facetten glänzen und bringt überraschenderweise auch Phrasierungen und ein Timbre, welche mich ein klein wenig - und ausdrücklich im besten denkbaren Sinne - an Andi Deris erinnern. Zum Einstieg also zweimal großes und mitreißendes Kino, so dass ein Instrumental zum Durchatmen gerade recht kommt, oder? Nun, ich bin normalerweise kein großer Freund von Instrumentalstücken, gerade auch im Progkontext nicht, da hier gerne mal recht uneinprägsam vor sich hin gefrickelt wird. Dass dies hier nicht der Fall ist, belegt die Klasse der Band, denn auch 'Frozen Planet' funktioniert als Song und kann mit wiederkehrenden Motiven eine Leitlinie bieten ohne sich hierbei zu wiederholen. Hierbei spielt vor allem das Keyboard von Hauptsongwriter Sven Schornstein eine dominante Rolle, doch auch die tolle Leadgitarrenarbeit von Markus Wittmann soll besonders hervorgehoben werden, ebenso auch die Mitwirkung des Sängers, der hier nicht in seiner Stammrolle, sondern als weiterer Sologitarrist in Erscheinung tritt und das zweite Solo beisteuert.
Mit massiv bratendem Riffing und pumpendem Bass steigt sodann 'Fire Away' in den Ring, was auch programmatisch ganz gut passt, doch auch hier kommt schon bald mit den Keyboardläufen der Raum für die melodischen Gesangshooks. Hierbei handelt es sich aus meiner Sicht um ein Markenzeichen der Frankfurter, das die Musik zugänglicher gestaltet als etwa die aktuelleren Werke der Genrevorreiter DREAM THEATER. Anders als die Amerikaner überzieht man im Hause THOUGHTS FACTORY die Instrumentalabfahrten, die überbordenden Frickeleien und Rhythmusspielereien nicht, bevor der Hörer wieder mit einer einschmeichelnden Hookline an die Hand genommen und durch das Dickicht der Riffs und Breaks geführt wird. Es steht immer der Song, die Hookline, die Melodie im Mittelpunkt, die durch das technisch beeindruckende Instrumentalwerk nicht erdrückt sondern umgarnt und ausgeschmückt wird. So entsteht mit dem zarten, feinfühligen 'Nightfall' eine weitere kleine Perle, die zunächst wenig metallisch geraten scheint, sondern ganz klassisch progrockig, mit Siebzigernote, einem Hauch KANSAS, Americana und Singer/Songwriter-Vibe sowie einigen tollen Finessen im Bereich der Perkussion und des Rhythmusspiels, dann jedoch doch deutlich zunehmender Wucht der Riffs zum Ende hin.
Von der Brandung des Meeres und erneut Sven Schornsteins Piano wird sodann 'The Shores Of Sand And Time' eingeleitet, dem Sänger Cornelius ein dunkles, sonores Timbre verleiht, bevor sich Leadgitarrist Markus mit der Rhythmusgruppe um Chris und Bernd kurz ein kleines, flammendes Instrumentalscharmützel liefert. Gewisse 80er-Neo-Prog-Vibes kommen beim epischen Zweiteiler 'Dawn' direkt zu Beginn zum Tragen, wenn der prasselnde Regen von massigem orchestralem Bombast flankiert wird und sich dann in einer durchstoßenden, harmonischen Auflösung entlädt, als bräche das Licht durch die Regenwolken und zeichne einen Regenbogen. Dann setzt der Gesang ein, die orchestralen Arrangements werden wieder massiger, die Stimmung ist dramatisch durch immer wieder von vollendeten Harmonien und weichen Klängen durchbrochen, während im zweiten Teil die Sologitarre eine dominantere Rolle spielt und zum Ende hin ein paar überaus rockige RUSH-Einflüsse durchscheinen. Damit nähern wir uns dann auch langsam dem Ende einer sehr feinen Scheibe, die mit 'Our Kingdom' einige tolle Akustikgitarrenarrangements in eine dunkle Stimmung einbindet, die Cornelius gesanglich toll transportiert, bis hin zum eindringlichen Finale mit mächtigem Hörner-Synth-Einsatz. Schließlich endet das Album mit dem gefühlvollen, balladesken, von ruhigen Klängen, Piano und Gesang dominierten Titelstück so überzeugend wie sie begonnen hat, kulminierend in einem tollen Gitarrensolo.
So steht am Ende fest, dass THOUGHTS FACTORY erneut ein tolles Album gelungen ist und dass die Band für mich ohne Wenn und Aber mit zur Speerspitze des Prog Metals aus deutschen Landen zu zählen ist. Das sieht offenbar das US-Label Melodic Revolution Records aus Orlando/Florida ähnlich, denn immerhin hat es "Elements" für den dortigen Markt lizenziert. Jedenfalls steht das neue Album seinem Vorgänger in nichts nach und sollte direkt auf den Wunschzettel all jener wandern, die dem kommerziell etwas aus dem Fokus geratenen Prog-Metal-Genre nach wie vor die Treue halten. Doch auch über die Genregänger hinaus liegt bei THOUGHTS FACTORY sicherlich niemand falsch, der große Melodien gerne in technisch und klanglich anspruchsvollem Gewand präsentiert bekommt, ohne dabei vom frickelnden Beiwerk erschlagen zu werden.
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle