TOOL - Lateralus
Mehr über Tool
- Genre:
- TOOL
- Label:
- Volcano / Rough Trade
- Release:
- 14.05.2001
- The Grudge
- Eon Blue Apocalypse
- The Patient
- Mantra
- Schism
- Parabol
- Parabola
- Ticks & Leeches
- Lateralus
- Disposition
- Reflection
- Triad
- Faaip De Oiad
"Lateralus" ist einfach überwältigend: Ein Strudel aus Musik, flüssiger Energie, Gefühl, Härte, Melodiosität, Zärtlichkeit, übermächtigen Rhythmen, unendlicher Tiefe, träger Zeitlosigkeit, wildem Brausen, natürlicher Schönheit und vertrackter Kunst.
Dieses Album der wohl interessantesten Rockband TOOL ist ein Meisterwerk. Die Musik fließt durch die Lautsprecher wie ein Urstrom und verbreitet eine dunkle, ruhige, starke Kraft. TOOL spielen die klassischen Rockinstrumente, aber sie spielen sie auf eine ganz unglaublich andere Art. Die Stücke scheinen zu wachsen, langsam die Form zu ändern; wie zähes Wachs einer zu kalten Lavalampe bauen sie sich langsam auf, wölben und strecken sich, bilden wulstige Auswüchse, neigen sich unter dem eigenen Gewicht, sinken in sich zusammen, erheben sich aufs Neue, ergießen sich in immer wieder andere Formen.
Die unterschiedlichsten Stimmungen finden in der Musik ihren Ausdruck; bestechend sind dabei besonders die genialen Übergänge. Auch das Zusammenspiel ist überragend, vielschichtig und verwoben. Der Bass ist der Motor: Er ist es, der die Musik trägt, sie warm und geschmeidig hält, mal saugt er Saft und Macht aus der Tiefe, mal kreist er ekstatisch, mal pumpt er wie ein Herzschlag um dann wieder in beruhigendes Zupfen zu verfallen. Das Schlagzeug ist der Knochen und der Zunder - äußerst dynamisch und trocken, mal stürmisch prasselnd, mal einfach nur den Takt haltend gibt es den Stücken Rückhalt, Energie und Richtung, wie eine sich wiegende, die eigene Achse schlangenartig verdrehende, urzeitliche Wirbelsäule sorgt es einerseits für Klangzusammenhalt, reißt andererseits urplötzlich das Steuer herum um die Seele der Musik aufzupeitschen und wilde Feuerstürme zu entflammen, dann wieder schwingt es hypnotisch aus und wiegt sich im Schein der eben noch angefachten Flammen. Die Gitarren durchziehen das Geflecht wie Nervenbahnen oder Sehnen, sie nehmen die Stimmung auf, kanalisieren sie, filtern oder steigern sie, geben ihr Ausdruck und Spannung. Die Seele der Musik ist aber eindeutig der Gesang: Keine losgelöste, esoterische Seele, keine unabhängige, abgehobene, über den Dingen schwebende Seele, nein, vielmehr eine in den gesamten Klangkörper eingewobene, verstrickte, beeinflußbare, prägbare Seele, die in ständigem Kontakt mit dem Rest steht, aber eben in ihrer Unsterblichkeit mehr ist als nur eine Faser des Ganzen. Sie fühlt, sie sucht, sie tanzt, sie nachvollzieht, sie empört sich, sie begehrt auf, sie bittet, sie flüstert, sie singt, sie schreit, sie pocht, sie wütet, sie tobt, sie zärtelt, sie tröstet, sie triumphiert, sie kämpft - kämpft um Verständnis, um Kontrolle, und um Lebenskraft.
Das ist die Musik von TOOL, Musik die einen überrollt, umspült, davonträgt, mitnimmt in die Tiefe und nie wieder loslässt, keine Musik, die frontal auf einen einstürzt. Das wäre zu einfach, dumpfes Plattwalzen ist hier nicht gefragt. "Lateralus" stiehlt sich von der Seite her in unser Blickfeld, wie ein scheues Tier. Erst nur aus den Augenwinkeln wahrnehmbar kommt es schließlich näher und näher. Es ist das Tier in uns allen, das unser Bewußtsein trägt und erst hervorgebracht hat, es drückt von unten nach oben, es will heraus. Es ist nicht unser Feind: Geben wir ihm eine Chance, hören wir auf das Tier in uns, was es uns zu sagen hat. Verstehen muss man das gar nicht immer. Es reicht es zu fühlen, zu versuchen es nachzuvollziehen, um es dann in etwas Positives zu lenken. So wie die Virtuosen von TOOL es getan haben, mit "Lateralus".
Anspieltipps: The Patient, Schism, Disposition, Triad
- Redakteur:
- Eike Schmitz