TRANSATLANTIC - The Absolute Universe: Forevermore (Extended Version)
Auch im Soundcheck: Soundcheck 02/2021
Mehr über Transatlantic
- Genre:
- Progressive Rock
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- InsideOut / Sony
- Release:
- 05.02.2021
- Overture
- Heart Like A Whirlwind
- Higher Than The Morning
- The Darkness In The Light
- Swing High, Swing Low
- Bully
- Rainbow Sky
- Looking For The Light
- The World We Used To Know
- The Sun Comes Up Today
- Love Made A Way (Prelude)
- Owl Howl
- Solitude
- Belong
- Lonesome Rebel
- Looking For The Light (Reprise)
- The Greatest Story Never Ends
- Love Made A Way
Ein Glanzlicht in der ohnehin hochklassigen Band-Diskografie.
TRANSATLANTIC ist zurück. Das Prog-Luftschiff hat seine vier Besatzungsmitglieder endlich wieder gemeinsam ins Studio bringen können, um das fünfte Album der Bandgeschichte einzuspielen. Vorweg: Als Band dieses Kalibers hat man es nie leicht, es den besserwissenden Fans recht zu machen. Wird zu virtuos musiziert, stecke dahinter mehr der Selbstzweck denn gutes Songwriting; ist das Material hingegen songorientierter, habe man die Grenzen des Progs verlassen. Und dann gibt es da noch den extensiven Backkatalog aller beteiligten Musiker, wo garantiert früher alles besser war. Und jetzt kommt nicht einfach nur ein neues Album, sondern gleich zwei Versionen. Himmel hilf! "Ausverkauf", "Cash cow" ... was nicht im Vorfeld der Veröffentlichung alles im Internet zu lesen war. Um gleich meine Sichtweise klarzustellen: Ich finde es bemerkenswert, wenn verdiente Musiker sich im Herbst ihrer Karriere an so eine konzeptionelle Herausforderung wagen und die bandinternen Unstimmigkeiten, die ja zu diesem Doppel geführt haben, nicht mit einer halbgaren Version einfach glattgebügelt werden.
Ein letzter Disclaimer, ehe wir uns der Musik widmen: Diese Rezension befasst sich ausschließlich mit der "Forevermore"-Version des Albums, welche die initiale Fassung darstellt und auch in unserem Soundcheck bewertet wird. Im separaten Text zu "The Breath Of Life" gehen wir auf die Unterschiede beider Versionen ein. Natürlich inklusive einer Empfehlung, ob man denn nun beide Versionen braucht oder welche der beiden man sich vorrangig ins Regal stellen sollte.
Der Auftakt eines TRANSATLANTIC-Albums ist wie der Vorspann einer Filmreihe: Er lädt ein, sich zuhause zu fühlen, sich auf den Groove einzulassen und den ersten musikalischen Motiven zu begegnen, die sich in altbekannter Art und Weise durch das gesamte Album ziehen werden. Die 'Overture' zu "The Absolute Universe: Forevermore" braucht nicht lange, um mich in genau diese Komfortzone zu bringen. Der erste Eindruck, welcher sich im Laufe der Hörzeit (und natürlich durch den Song 'Heart Like A Whirlwind') immer mehr festigt, dass hier die konzeptionelle und musikalische Nähe zum dritten Album "The Whirlwind" deutlich größer ist als zum vorangegangenen "Kaleidoscope", lässt mein Herz für den fünften Streich der Band gleich höher schlagen, steht doch der Wirbelwind deutlich höher in meiner Gunst als das Kaleidoskop.
Die vorliegenden 90 Minuten Musik bieten genug Anhaltspunkte, um sich ausführlich mit jedem Song zu befassen. Soweit möchte ich eure Geduld aber nicht strapazieren, denn die Band hat sich und uns mit diesem Album einen großen Gefallen getan: Sie hat über das gesamte Album hinweg ihre Stärken gebündelt und die 18 Songs dazu genutzt, die Trademarks zu zeigen, aber es damit nicht zu übertreiben. Am deutlichsten wird das für mich beim Songwriting und den Selbstzitaten. Gerade die Herren Morse und Portnoy mögen ja wiederkehrende Motive, das ist kein Geheimnis. Wo dies dem einen oder anderen Fan beispielsweise auf "The Whirlwind" vielleicht zu viel war, sind es hier eher zarte rote Fädchen, die das Album zwar durchspannen, aber nicht einfach nur mit Druck zusammen halten. Ich fühle mich in dieser Hinsicht etwas an "Thick As A Brick" erinnert.
In einer Disziplin ist "The Absolute Universe" für mich sogar das beste TRANSATLANTIC-Album, nämlich im Umgang mit den musikalischen Einflüssen. Natürlich hat die Band das Neoprog-Gen nicht verloren, aber mit welcher Klasse hier QUEEN-Anleihen, BEATLES-Harmonien und Mitsing-Refrains des Kalibers CROSBY, STILLS AND NASH aufs Papier und dann in die Ohren gebracht werden, das ist schon ganz ganz großes Klangkino. Zu diesem bunten Stilmix können alle vier Musiker gleichermaßen beitragen: Mike Portnoy spielt absolut songdienlich und wirkt mit seinem opulenten Drumkit niemals aufdringlich im Mix. Pete Trewavas groovt herrlich kontrapunktisch und zeigt dabei, wie wichtig ein emanzipierter Bass in einer Rockband ist. Roine Stolt zockt geschmackvoll wie eh und je, wirft dabei mit die coolsten Licks seiner Karriere rein und ist auch mit seinen Soli ein echter Fixpunkt. Und Neal Morse? Als vermutlich anteilsmäßig prominentester Komponist bei TRANSATLANTIC sind seine Beiträge auf höchstem Niveau.
Manifestiert wird diese besondere Chemie dann in ganz unterschiedlichen Songs. Es gibt die typischen Progger wie eben 'Heart Like A Whirlwind', 'The Greatest Story Never Ends' oder 'Owl Howl'. Aber auch poppig-melodische Göttergaben wie 'Rainbow Sky' mit wunderbaren BEATLES-Vibes oder die ganz famose introvertierte Ballade 'Solitude', die am besten zur Stimme von Bassist Pete Trewavas passt. Gesanglich dürfen sich ja in bekannter Tradition alle Bandmitglieder austoben; hier hat die Band eine wirklich gute Balance gefunden. Natürlich fehlt auch der Singer/Songwriter-Sound, den Neal Morse ja perfektioniert hat, auf diesem Album nicht. 'Lonesome Rebel' gefällt mir etwas besser als 'Swing High, Swing Low', im Kontext des Albums funktionieren aber beide. Textlich ist diese Platte ebenso wie musikalisch eine hoffnungstragende und positive, wenn auch stellenweise nachdenkliche Angelegenheit. Einige Songtexte wurden während der Pandemie wohl noch bearbeitet, dennoch verziehen sich die Wolken letztlich immer.
Möchte man nun "The Absolute Universe" in das gesamte Schaffen TRANSATLANTICS einordnen, tendiere ich dazu, es gleich hinter "Bridge Across Forever" an die zweite Stelle zu setzen. "SMPT:E" besteht ja nun nicht nur aus 'All Of The Above' und 'We All Need Some Light', sondern auch aus 'Mystery Train' und 'My New World'. Und immer wenn in den letzten Tagen "The Whirlwind" lief, habe ich noch lieber die neue Scheibe aufgelegt.
Unter dem Strich bin ich nach meinem persönlichen TRANSATLANTIC-Durchhänger in Form von "Kaleidoscope" äußerst glücklich, dass die Band sehr viel Arbeit und Liebe fürs Detail in "The Absolute Universe" investiert hat. Gepaart mit einer ganz großartigen Produktion gehören jetzt auch einige kompakte Songs zum besten, was die Supergroup insgesamt zu bieten hat. Wer mehr Zeit als üblich für das Entdecken eines Albums mitbringt - was die Spieldauer bei aller Eingängigkeit eben bedingt - und nicht per se etwas am gewohnten transatlantischen Sound auszusetzen hat, sollte sich dringend mit diesem Werk beschäftigen.
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Nils Macher