VAN HALEN - A Different Kind Of Truth
Mehr über Van Halen
- Genre:
- Hardrock
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Interscope
- Release:
- 03.02.2012
- Tattoo
- She´s The Woman
- You And Your Blues
- China Town
- Blood And Fire
- Bullethead
- As Is
- HoneyBabySweetieDoll
- The Trouble With Never
- Outta Space
- Stay Frosty
- Big River
- Beats Workin´
VAN HALEN machen dort weiter, wo sie 1984 als Original-Line Up aufgehört haben.<br />
Es ist ein durchweg lässiges Album geworden, wie sie damals VAN HALEN am laufenden Band zwischen 1978 und 1984 produziert haben. Nicht umsonst sind sie mit Bands wie QUIET RIOT und dann ab 1981 MÖTLEY CRÜE die Wegbereiter eines Genres namens Hair Metal, das seinen Siegeszug aus Hollywood, Los Angeles, Kalifornien startete, die Dekade der 80er Jahre abkoppelte vom 70er Jahre Hardrock und mit riesigen Bühnenproduktionen, der Affinität zu Make-up, sowie knallbunten Outfits das Rockbusiness in einen riesigen Zirkus verwandelten. Alles war auf einmal "larger-than-life", opulenter, das glitzernde Hardrock-Karussell drehte sich immer schneller, Musikvideos wurden immer aufwendiger, teurer, Tollhaus pur.
Irgendwann fraßen die Kosten die Bands und deren Geldgeber und nach rund zehn Jahren dürstete es den Musikjüngern nach einfach gekleideten Musikern, die in karierten Hemden zornigen Rock spielten, urplötzlich war die Stadt Seattle Initialzündung für das Genre Grunge und der Markt brach weg für die Rock Acts der Dekade der Dekadenz. VAN HALEN überlebten irgendwie immer, auch wenn sie ab 1984 getrennter Wege spazierten; David Lee Roth hatte ebenso erfolgreiche Jahre als Solokünstler wie VAN HALEN mit SAMMY HAGAR. Doch die Alben aus den Jahren 1978 bis 1984 waren und sind, meiner Meinung nach, die Zeitzeugen besserer VAN HALEN-Jahre, klingen hier doch Spielwitz, locker-flockige Songkonstruktionen, lässige (und limitierte im Umfang) Gesangsfähigkeiten und aberwitziges Gitarrengefidel aus den Rillen alter Langspielplatten.
Das Tapping Eddie Van Halens, die Sprünge und Sprüche David Lee Roths sowie die etwas dezenter agierende Bass/Drum-Sektion Michael Anthony und Alex Van Halen - VAN HALEN waren damals Anfang der Achtziger in Amerika die Hardrockband schlechthin. Es gab viele Bands, doch VAN HALEN wurden vergöttert, nicht umsonst stieg David Lee Roth zum Jack-Daniels-trinkenden Sexgott in den Olymp des Rock auf und Eddie van Halen sorgte mit seinem filigran-virtuosen Gitarrenspiel für Umsatzrekorde in der Gitarrenherstellerbranche. Firmen wie Kramer, Groover/Jackson, BC Rich werden diesen Zeiten ewig hinterhertrauern, wo Millionen männlicher Teenies Luftgitarre vor dem Spiegel zelebrierten und sich dann vom Taschengeld eine Six-String kauften (und erfolglos blieben). Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass Randy Rhoads (QUIET RIOT, OZZY OSBOURNE) mindestens so inspirierend für den Erfolg des Hair Metals kalifornischer Prägung zeichnete wie Eddie selbst.
Mit dem keyboardlastigen Song 'Jump' ist ihnen überdies ein Evergreen, ein Rocksong gelungen, der auch nach rund 30 Jahren immer noch der Gassenhauer auf jeder Rock-Party ist. Es leben halt immer noch genügend Zeitzeugen aus dieser Epoche und nach 14 Bier ist das der Rocksong (zusammen mit 'The Final Countdown') mit einfach gestricktem Refrain. Auch wenn einem diese Art Songs nach gefühlten 100 Jahren ziemlich auf den Sack respektive Eierstöcke gehen können, ich kann den Bands einfach nicht böse sein; schlussendlich waren eben diese Lieder Wegbegleiter in der oft schwierigen Jugendzeit.
Nun hat also diese Rocklegende ein neues Album in - fast - alter Formation (Bassist Anthony fehlt/spielt bei CHICKENFOOT) aufgenommen, eine große US-Tour gebucht und die Erwartungen sehr hoch geschraubt. Eigentlich fast unmöglich, doch für mich sind diese mehr als übertroffen worden. Wer hätte an ein solch legeres Rockalbum gedacht? Gleich 'Tattoo', die erste Single und der wohl kommerziellster Titel der Scheibe, schlägt alle Zweifel in den Wind und VAN HALEN starten kräftig durch, voran ein äußerst lockerer David Lee Roth, eben die alte Performer-Schule. Nicht von ungefähr der am meisten kopierte US-Rockstar unter den 80er Jahre-Möchtergern-Rockstars (Vince, Bret, Steve, und wie sie alle heißen, Roth war Vorbild für Generationen von blondierten Gesangsschnecken). Aber lieber Kopien als gar nichts. Nach dem ersten Song kommt der Motor so richtig in die Gänge, die Kupplung greift und 'She's The Woman' braust ebenso mondän in die Spur. Spätestens beim dritten Gang, nämlich 'You And Your Blues', ist es amtlich: VAN HALEN jagen ihren Formel 1-Wagen vorwärts in die Vergangenheit. Wie mit Warpdrive fliegen sie zurück in die Jahre 1978-1983 und spielen souverän wie einst in den Hollywoodclubs wie zum Beispiel dem Whiskey-A-Go-Go.
Der erste schnelle Nackenschüttler 'Chinatown' sorgt für freudig-errregte Haupthaar-Durchlüftung. Sicher, VAN HALEN plagiatieren sich hier und dort selbst, die Licks, Bassläufe, Drums klingen wohlbekannt. Doch es geht ums Feeling - und das bringen die Herren hier locker rüber. Nicht wenige werden diese CD als lauwarm deklassieren, doch auch die STONES zocken seit Millionen von Monaten die gleichen Rhythmen und jeder liebt sie. Vergeben und vergessen, 'Blood And Fire' nimmt geschmeidig alle Tempi-Kurven und Eddies Gitarrenspiel weiß zu verzücken, eben VAN HALEN-typische Kunststückchen. Die schnellen 'Bullethead' sowie 'As Is' hätten auch prima auf David Lee Roths 1986 Solo-LP "Eat ´Em And Smile" gepasst, das nächste Groove-Stück 'Honeybabysweetiedoll' eher auf "1984", das vielleicht poppigste Album in der VAN HALEN-Geschichte.
Roth klingt fast noch so agil und verraucht wie anno damals, Eddie flitzt wie eh und je über den Gitarrenhals, setzt mit allen zehn Fingern musikalisch Akzente, wo Heerscharen von Nachwuchsgitarristen kläglich versagen. Auch die folgenden 'The Trouble With Never' sowie 'Outer Space' können das Niveau halten, während der Kracher 'Stay Frosty' herrlich verspielt um die Ecke kommt und Erinnerungen ans 78er Debüt aus dem Unterbewusstsein ins Heute katapultiert. Völlig abgedreht hier das Gitarrensolo, das wie in einem nach unten ziehenden Strudel ums Überleben kämpft, um im letzten Augenblick sich der Fesselung zu entziehen und wieder nach oben zum 'Big River' jagt, dem vorletzten Song der CD.
Etwas gemächlicher, schunkeliger im Chorus groovt auch diese Nummer, nicht ganz so mächtig wie die Stücke davor, aber immer noch weit über Durchschnitt. Auch 'Beats Workin´' kommt nicht brachial, eher leicht chillig und die Platte neigt sich dem Ende und wir landen erholt am Ufer von Südkalifornien. Jetzt einen Longdrink, die Platte ist super.
"A Different Kind Of Truth" ist eine faustdicke Überraschung, erste Videos von Liveshows verheißen allerbeste Versprechungen - VAN HALEN sind vom Tropf ins Leben zurückgekehrt. Die schönste Reunion seit Langem!
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Dirk Ballerstädt