VANGUARD - Succumbra
Mehr über Vanguard
- Genre:
- Dark Progressive Gothic Metal
- Label:
- Armageddon Music / Soulfood
- Release:
- 20.06.2005
- Asylum
- Forgive
- Amoricide
- Excarnation
- Ephemeral
- Bitheon
- Homecoming
- Nova
- Wurmtod
»VANGUARD aus Hellsinki - Dunkler, melodischer Metal, Genregrenzen durchbrechend und Elemente aus Gothic, Klassik und anderen Stilen kombinierend, was einen wirklich einzigartigen, nie zuvor dagewesenen Sound erzeugt.«
So preist die Promoagentur deren Scheibe "Succumbra" an. Scheinbar präzisierend ist ferner von einer »Kombination vom Schwung des Rock & Roll, der Schönheit des Gothic Metal sowie der rohen Kraft aus extremer Musik« die Rede.
So weit, so gut.
Tatsächlich sind die »Elemente aus Gothic« von der vorgeblichen »Naturgewalt« jedoch nicht wirklich »Genregrenzen durchbrechend« eingesetzt, sondern bieten eben das, was im gar nicht mehr so neuen Genre des Gothic Metal schon altbekannt ist, und ob sie wirklich dessen Schönheit auf den Punkt bringen, darüber lässt sich wahrlich streiten.
Fakt ist, dass hier auf den mittlerweile ausgelutschten Gegensatz 'Die Schöne & Das Biest' gesetzt wird, was ich bei THEATRE OF TRAGEDY schon weitaus besser zu hören bekam. Der direkte Vergleich wäre zugegebenermaßen allerdings unfair; denn wo T.O.T. auf epische Tragik setzen, bringen VANGUARD eben Elemente »extremer Musik« zusammen.
Das hört sich dann in etwa so an:
1. Versuch:
Extrem fies und langsam dahersägende Gitarren vs. extrem seicht daherplinkerndes Piano. Das ist in der Tat extrem - extrem unpassend.
2. Versuch:
Eine säuselnde Feenstimme Marke NIGHTWISH (nur etwas flachbrüstiger - wohlgemerkt nicht auf den Oberbau, sondern auf die darunter liegende Stimme bezogen) trällert romantisch Angehauchtes, wohingegen der böse Death-Sänger halb gurgelnd, halb krächzend seinen Text hervorpresst. In beiderlei Hinsicht habe ich schon Extremeres gehört.
3. Versuch:
Man packt beides übereinander, wohl in der Hoffnung, dass es dadurch dann so richtig extrem werde. Wird es auch: Extrem unzugänglich. Aber gut, investiert man eben ein bisschen mehr Zeit, lässt das Werk noch mehrere Male durchlaufen, in der Hoffnung, dass die Ecken und Kanten sich dann am geübteren Ohr glatt stoßen oder wenigstens zu einer geordneten Form verschieben. Ansatzweise gelingt das auch. Das Ergebnis: Langeweile.
Ich gebe ja gerne freiwillig zu, dass ich mit Growlgesang in den meisten Fällen nicht allzu viel anfangen kann, halte mich in dieser Hinsicht aber für durchaus tolerant. Wenn er jedoch im immer gleichen Tonfall präsentiert wird und einfach nicht zu den Songs passen mag, dann hat auch diese Toleranz ein Ende.
Nun gut, aber was ist aus den Klassik-Parts geworden - kann man hier vielleicht punkten?
Nun, da findet sich nicht wirklich Innovatives. Jeder Klassikschüler wird sich über die paar Fingerübungen vermutlich amüsieren. Wer so oldschool metal true ist, dass er alleine bei den Worten Piano und Cello unweigerlich an Klassik und dabei gleich an was ganz Schreckliches denkt, wäre damit vielleicht noch zu blenden; auch, wer METALLICAs "S/M" für besonders innovativ hielt. Aber der durchschnittliche METALLICA-Hörer wird sich wohl ohnehin an den eiskalten Growls stören, wohingegen den meisten Todesmetallern die weiblichen Gesangparts schlichtweg zu kitschig klingen dürften. Blieben noch die Leute, die den Metal gerade entdeckt haben, weil sie ihn für cool halten und hier auf einmal etwas scheinbar Neues zu Ohren bekommen. Und noch ein paar Geschmacksverirrte.
Eingängig popballadenhaft komponierte, dennoch gothisch-romantische Tragik mit metallischer Härte und klassischem Ergänzungsinstrumentarium zu verbinden, das habe ich von einer Schülerband namens SWEAR JAR in einem Song namens 'Desperate Child' schon weitaus besser gehört; zwar wurde da weder böse gefaucht noch mit uninspiriertem Pianogeplinker um sich geworfen, noch wurde da jeder Ton perfekt getroffen, aber dafür konnte man sich bestens vorstellen, wie das mit nur etwas besserer Produktion hätte klingen können, und zudem gab es den Song namens 'Desperate Child' zum kostenlosen Download auf deren Homepage.
So einen ähnlichen Sound scheinen VANGUARD beim symptomatischen 'Homecoming' aufzufahren. Doch dann fahren wieder der Todeshauch des Sängers, die recht banal schreddernden Gitarrenriffs und die völlig unpassend (vermutlich als Kitt für das, was dennoch einfach nicht zusammenpassen will,) daruntergemischten Pianoeinsprengsel dazwischen. Der »Schwung des Rock & Roll« aber geht dieser Band nun wirklich vollends ab.
Einzig der ganz und gar nicht repräsentative 'Wurmtod' kann mit seinem doomigen, freilich auch nicht sonderlich innovativen Sound noch für ein halbwegs beschwichtigtes Aufhorchen und Augenbrauenzucken meinerseits sorgen. Aber auch da bieten Bands wie SIRENIA weitaus angenehmer zu hörendes Material.
Besonders nervig wird es immer dann, wenn wie bei 'Nova' männlicher und weiblicher Gesang im Duett gegeneinander antreten und, sich gegenseitig erwürgend, im Treibsand des immer gleichen Instrumentalgedudels versinken. Ich bin geneigt, das jetzt ganz banausenhaft als Scheußlichkeit sondergleichen zu bezeichnen; aber vielleicht täte ich dem Machwerken damit sogar Unrecht und es verbirgt sich dahinter die akustische Anspielung auf eine Laokoongruppe - und damit tatsächlich auf ernst zu nehmende Klassik.
Aber wirklich glauben kann ich das nicht.
Ob »die Menschheit darauf vorbereitet« ist, weiß ich wirklich nicht, liebe Promoagentur.
Den versprochenen »Tobsuchtsanfall der Leidenschaft« kann ich jedenfalls nicht diagnostizieren, sondern bei diesen drögen und unausgewogenen Songstrukturen allenfalls einen Anflug von Selbstüberschätzung.
Fairerweise bleibt dennoch zu konstatieren, dass VANGUARD meiner Kritik zum Trotz die "Wacken Open Air Metal Battle" gewonnen haben, was ja durchaus nicht ganz ohne gewesen sein dürfte und immerhin auf ein gewisses Live-Potenzial schließen lässt.
Anspiel-und-Wegwerftipp: Homecoming
- Redakteur:
- Eike Schmitz