VANITAS - Der Schatten einer Existenz
Mehr über Vanitas
- Genre:
- Symphonic Gothic Metal
- Label:
- CCP Records / SPV
- Release:
- 25.03.2002
- Pendelschwung
- Heiliger Schein
- Atem Toene Fluestern Schreien
- Schliesze mir die Augen
- Vor den Worten
- Das Wort sieht Blicke
- Wenn Schritte veraendern
- Stillschweigen
Die Schamesröte steigt mir ins Antlitz, wenn ich daran denke, dass Sänger Andreas Schärfinger von VANITAS mir persönlich ein Exemplar ihres Meisterwerkes „Der Schatten einer Existenz“ zusandte, nachdem er über unsre Clan-Homepage über meinen Namen gestolpert war. Das ist jetzt nämlich ein halbes Jährchen her, aber da die von Labels geschickten Terminsachen mit Vorrang behandelt werden, muss ich mich damit rausreden, dass ich erst jetzt die Muße finde, mich diesem Glanzstück des Symphonic Gothic Metal zu widmen. Und ein Meisterwerk ist es in der Tat, was sich da seit geraumer Zeit als einer meiner Favoriten im CD-Player dreht, in diesem Punkt muss ich mich den durchweg ausgezeichneten Bewertungen der Kollegen andrer Magazine anschließen.
Anspruchsvoll poetische Texte werden von den sechs Österreichern in ein Klanggewand zwischen Gothic, Doom, Death und Klassik gebettet, wobei sie selbst in Gestalt von Maria Dorn den Soprangesang sowie das Flötenspiel beisteuern, während die wunderbaren Streicherparts von drei Musikern des Wiener Kammerorchesters – sofern meine Informationen richtig sind – übernommen werden, was man als Auszeichnung verstehen darf, da dies durchaus nicht üblich ist. Der dominierende Gesang von Andreas Schärfinger ist im Growling-Bereich angesiedelt, wechselt sich aber mit Flüstern und aggressivem Kreischgesang ab, je nach Passage der ausladend arrangierten und größtenteils sehr langen Stücke, die ebenso variationsreich sind, angefangen bei einer weiten Bandbreite an Tempi bis hin zur Instrumentierung und Intensität. Komplexe, aber durchgehend melodiöse Strukturen der oberen Exzellenzklasse und vielfältige Spannungspunkte – die sich nicht zuletzt in der Widersprüchlichkeit zwischen dunklen Strukturen und Texten und oftmals geradezu gut gelaunten, barock anmutenden Melodien äußern – laden eine gute Dreiviertelstunde zum Schwelgen und genussvoll lauten Zuhören ein, und die deutschen Lyriken tun ein Übriges, um sich der Aufmerksamkeit des Zuhörers zu versichern. Dies ist absolut kein seichtes Album für eine Hintergrundbeschallung.
Die Elemente für sich sind natürlich ebenso wenig eine echte Neuerung in diesem Genre – das mit seiner Stilvermischung inzwischen wohl die gesamte Breite möglicher Variation abgedeckt haben dürfte – wie es bei der zig-tausendsten Veröffentlichung in einem Bereich wie Power oder True Metal der Fall wäre, aber die hochwertige und begeisternde Ausführung lässt mich gelinde sagt mit den Ohren schlackern, dass es eine Freude ist. Hallelujah. Für beherzte Metaller ist ebenfalls ausreichend Genuss geboten, wofür sich wechselnde, zweistimmig geführte Gitarrenuntermalung, hartes Riffing und zur Freude der Düstermetaller besonders in den Finalen immer wieder verwendete Doublebass-Attacken verantwortlich zeichnen.
Und so gestaltet sich dieses Zweitwerk auch nach einem halben Jahr, während dem ich „Der Schatten einer Existenz“ immer wieder gern hervorgekramt habe, als stimmungs- und anspruchsvoller Hochgenuss jenseits jeden Langweilerfaktors; ein Album, das bei mir auch nach so langer Zeit noch keinen Ermüdungs- und Abnutzungsfaktor zeigt, immer wieder zu intensivem, aufmerksamem Hörgenuss einlädt und mich emotional zu bewegen weiß. Gerade für die beginnende Winterzeit hat man hier als klassisch versierter Gothic-Metaller die perfekte Untermalung eines nostalgisch-dämmrigen, musisch wie intellektuell sättigenden Abends am Ofen vor dem Feuer. Füße hoch, Augen zu und schwelgen.
Anspieltipps: Stillschweigen; Pendelschwung; Schließe mir die Augen; Das Wort sieht Blicke
- Redakteur:
- Andreas Jur