VITAL REMAINS - Dechristianize
Mehr über Vital Remains
- Genre:
- Death Metal
- Label:
- Century Media
- Release:
- 21.07.2003
- Let The Killing Begin
- Dechristianize
- Infidel
- Devoured Elysium
- Savior To None...Failure For All
- Unleash Hell
- Rush Of Deliverance
- At War With God
- Entwined By Vengeance
Mal ehrlich, wer hätte noch einen Pfifferling auf VITAL REMAINS gegeben? Die Kult-Truppe aus Rhode Island ließ das letzte Mal anno '99 mit "Dawn Of The Apocalypse" etwas von sich hören, und auch wenn das Album als gutklassiges Death Metal-Werk durchgeht, so zeigte sich doch schon ansatzweise, dass der mit dem '92er-Werk "Let Us Pray" begründete Kult-Status schnell aufgebraucht war.
Wie dem auch sei, VITAL REMAINS melden sich nach vier Jahren mit "Dechristianize" zurück - und dieses Stück Todesblei hat es verdammt noch mal in sich. Das Trio tritt dermaßen forsch, unbeeindruckt und vor allem unverbraucht an, als hätte es nie eine kreative Krise im Death Metal gegeben oder als ob man die neue "Konkurrenz" aus Osteuropa nicht ernst zu nehmen bräuchte.
"Dechristianize" ist ein Lehrstück in Sachen Brachialität, musikalischer Perfektion und abwechslungsreichem Songwriting, sprich: Eine Platte, wie man sie von den absoluten Größen im DM-Biz hätte erwarten können, aber nicht wirklich eine Anforderung, die man an eine kultige Band stellt, welche stets auf ihren Underground-Status bedacht war.
Insgesamt acht tödliche Geschosse (plus ein stimmiges Intro) haben VITAL REMAINS für die Hörerschaft parat, wobei der kürzeste Song nach knapp sechs Minuten über die Ziellinie hechelt. Klingt komplex? Ist es auch. Zumindest teilweise, denn der Dreier bringt es nicht nur fertig, bei einer durchschnittlichen Songlänge von gut sieben bis acht Minuten keinerlei Langeweile aufkommen zu lassen, sondern hält sich auch mit technischen Kabinettstückchen angenehm zurück. Die Klasse der einzelnen Musiker (an dieser Stelle sei nur mal Dave Suzuki genannt, der im Alleingang eben mal die Drums, den Bass und die Lead-Gitarren eingespielt hat und der dabei schon gefährlich am Geschwindigkeitsrekord von Pete Sandoval kratzt) ist unbestreitbar groß, jedoch steht auf "Dechristianize" stets der Brachialitäts-Gedanke im Vordergrund, am besten umgesetzt bei der Abrissbirne namens 'Infidel'.
Aber auch beim angesprochenen Abwechslungsreichtum machen VITAL REMAINS eine erstaunlich gute Figur: So sind die überlangen Kompositionen nicht nur mit einer noch überschaubaren Anzahl von Tempo- und Taktwechseln gespickt, viel mehr haben die drei Herren auch einen gewissen Hang zu hymnischen, majestätischen Melodien entwickelt, die man in dieser ausladenden und packenden Form höchstens ansatzweise von MORBID ANGEL gewohnt war. Alleine schon der eigentliche Opener 'Dechristianize' mit seinem fast schon epischen Mittelpart ist ein absolutes Meisterwerk.
Insgesamt ließe sich die akustische Dampfwalze am besten als äußerst gelungene Mischung aus traditionellem US-Geknüppel und der neueren, europäischen Gitarrenschule beschreiben. Technisch ohne abzuschrecken, brutal ohne dabei anzubiedern.
Die Morrisound-Produktion tut ihr übriges, um "Dechristianize" zu einem Hammer vorm (gehörnten) Herrn zu machen - auch wenn die Rhythmus-Klampfen meiner Meinung nach noch ein wenig mehr Druck machen könnten. Dafür kommen alle Nähmaschinen-Blast-Fetischisten voll auf ihre Kosten.
Auf der musikalischen Seite kommt man nicht umher Höchstnoten für VITAL REMAINS zu zücken.
Ganz anders sieht das beispielsweise bei den beteiligten Musikern aus - zumindest bei einer Person. Seit der Vorgänger-Scheibe ist niemand geringeres als DEICIDE-Mastermind Glen "Weichkeks" Benton für die Vocals zuständig - das trotzdem hohe musikalische Niveau verdanken die Jungs wahrscheinlich der Tatsache, dass man Herrn Benton kein Instrument in die Hand gedrückt hat.
Spaß beiseite, aber Benton ist vollkommen zu recht eine umstrittene Person im Bereich des extremen Metals. Mir persönlich ist zunächst gar nicht aufgefallen, dass es sich beim imposanten Gegrunze um Bentons Organ handelte, im Gegensatz zu den immer schwächer werdenden Leistungen bei DEICIDE liefert Glen bei VITAL REMAINS einen absoluten Klassejob in sämtlichen Kreischkrächzröchel-Disziplinen ab. Respekt.
Bliebe zum Schluss nur noch die eindeutig antichristliche Ausrichtung der Band. Geschmackssache, wie immer, meiner unmaßgeblichen Meinung nach ist diese Attitüde eher ein Schnitt ins eigene Fleisch denn etwas, worauf man stolz sein könnte. VITAL REMAINS zeigen mit diesem Album, dass sie zur absoluten Speerspitze in Sachen US-Death Metal gehören, haben Songs abgeliefert, die selbst NILE, MORBID ANGEL, HATE ETERNAL oder auch junge Truppen wie DECAPITATED erst einmal überbieten müssen. Ergo hätte es keiner PR-Maßnahmen wie den Titel der Scheibe, die Texte oder das Auftreten gebraucht - die Musik würde selbst mit einem rosa Blümchencover für sich sprechen.
Im Endeffekt hat dies jeder für sich zu entscheiden, meine Wenigkeit ist froh, über solche - wenn auch ärgerlichen - Kleinigkeiten hinwegsehen zu können und genießt weiterhin eines der besten Death Metal-Alben der letzten Jahre. Große Klasse!
Anspieltipps: Dechristianize, Infidel, Unleash Hell
- Redakteur:
- Rouven Dorn