VOYAGER - Colours In The Sun
Auch im Soundcheck: Soundcheck 10/2019
Mehr über Voyager
- Genre:
- Progressive Metal
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Season Of Mist / Soulfood
- Release:
- 01.11.2019
- Colours
- Severomance
- Brightstar
- Saccharine Dream
- Entropy
- Reconnected
- Now Or Never
- Sign Of The Times
- Water Over The Bridge
- Runaway
Hochmelodische Vollbedienung für Anhänger unkonventioneller, spaciger Prog-Kunst.
Die Beziehung des Rezensenten zum Progressive Metal ist ja seit jeher eine eher komplizierte, denn wo sie stets vom großen Respekt vor dem Können der Musiker geprägt ist, da reicht es doch nur selten zur großen Liebe. Dass ausgerechnet Australiens hochmelodische Progster VOYAGER nun schon seit über fünfzehn Jahren einen Platz ganz nahe an meinem Herzen haben, mag ob der Zutatenliste des so einzigartigen wie eigenwilligen musikalischen Cocktails durchaus überraschen, denn Ausnahmesänger und Keyboarder Daniel Estrin verarbeitet in seiner Musik so viele Dinge, die ich normalerweise skeptisch sehe, wie etwa elektronische Loops und Beats, dominante Keyboards als melodietragendes Instrumente, poppige Melodien und ein modernes Tuning der Gitarren. Alles Dinge, die der in der Wolle gefärbte Stahltraditionalist gemeinhin meidet wie der sprichwörtliche Teufel das Weihwasser.
Trotzdem, oder ja, wahrscheinlich gerade deswegen, ist es mir immer weider eine Freude, den Australiern dabei zuhören zu dürfen, wie sie diese bunten, von allen Genregrenzen losgelösten Fäden zu ihrem ureigenen fliegenden Teppich verweben, der in erster Linie wunderbare Melodien in alle Winde zu tragen vermag. Ja, die Melodie ist - um im Bild zu bleiben - der Sultan in VOYAGERs Märchen, denn alles, was die Band anfasst, ist eingebettet in betörende, einschmeichelnde, entführende, zuckersüße Melodien. Dass dies manchem Hörer zu viel der Ohrenschmeichelei sein mag, das kann ich zwar durchaus verstehen, doch wenn VOYAGERs siebtes Studioalbum "Colours In The Sun" ein ums andere Mal seine Runden im heimischen Abspielgerät dreht, dann mag ich es nicht nachempfinden, denn mich nimmt es erneut mit auf einen dieser herrlichen spacigen Trips, die man so nur mit dem Quintett aus Down Under erleben kann.
Schon in der Einleitung zum Opener 'Colours' macht ein fast Vangelis-artiger massiver Synth-Einsatz unmissverständlich klar, dass für Danny Estrin und seine Crew Genregrenzen keinerlei Rolle spielen. Sein Keyboard führt die Melodie, während die tiefer gestimmten Gitarren von Simone Dow und Scott Kay hier eher modern, groovend, in Dropdown-Manier wuchtige Akzente setzen. So wuchtig das erste Stück war, so entrückt ist an nächster Stelle 'Severomance', das Danny Estrin empathischer, melancholischer singt und das insgesamt einen etwas alternativeren, britpoppigeren Touch abbekommen hätte, wären da nicht erneut die sehr heavy arrangierten Gitarrenmomente und zum Ende hin das flammende Solo und die heftige Geschwindigkeitssteigerung bis fast ins Blasten.
Melancholische und besonders einschmeichelnd gesungene Passagen mit voluminöser, kraftvoller, klarer und dunkler Stimme, die jedoch ansatzlos in die hohe, betörende Kopfstimme übergehen aber auch um den einen oder anderen Growlpart und auch - nicht zum ersten Male - um kurze Passagen in deutscher Sprache nicht verlegen sind, das ist die gesangliche Stärke des Frontmannes, die Danny in nahezu jedem Song voll und ganz ausspielt. Dafür ist das ätherische 'Brightstar' - mit toller Rhythmusarbeit von Bassist Alex Canion und Drummer Ashley Doodkorte - ein ebenso hervorragendes Beispiel wie später das sphärische und mit tollen Leadgitarren glänzende 'Saccharine Dream', das poppige 'Entropy' (mit LEPROUS-Frontman Einar Solberg als Gast), das weitaus härtere, wuchtige und teils gar shreddernde 'Reconnected' oder auch die mächtige, sich nach dem Bowie-lastigen Intro 'Now Or Never' entfaltende Hymne 'Sign Of The Times'. Groovende Dropdowns leiten sodann das abwechslungsreiche 'Water Over The Bridge' ein, bevor sich Herr Estrin beim abschließenden emotionalen Schmachtfetzen 'Runaway' nochmals in großartigen Hooklines mit perfekten 80er-Pop-Vibes ergeht.
Am Ende ist VOYAGER zum siebtem Male in Folge eine tolle Platte gelungen, mit welcher die Band ihren Status als eine meiner liebsten, weil eigenwilligsten Progbands eindrucksvoll zementiert. Kaum jemand gibt sich so spacig und gleichzeitig so melodieverliebt und dabei vor allem gesanglich so brillant, ohne dabei jedoch der Brachialität und Härte im rhythmischen Fundament ganz zu entsagen. Für Freunde anspruchsvoller melodischer Vollbedienungen führt an diesem Album kein Weg vorbei.
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle