VREID - Wild North West
Auch im Soundcheck: Soundcheck 04/2021
Mehr über Vreid
- Genre:
- Black Metal
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Season Of Mist
- Release:
- 30.04.2021
- Wild North West
- Wolves At Sea
- The Morning Red
- Shadows Of Aurora
- Spikes Of God
- Dazed And Reduced
- Into The Mountains
- Shadowland
Ein sehr ambitionietes und vielseitiges Werk für das Sogndal-Metal-Flaggschiff.
Neun Alben in gut sechzehn Jahren weisen VREID sicherlich als Sogndals fleißigste und wohl inzwischen auch längst als die führenden Metaller der Bergregion im Westen Norwegens aus, und wer das Artwork zu "Wild North West" zum ersten Mal betrachtet, den beschleicht unweigerlich das Gefühl, dass die Band mit diesem Werk ein echtes Ausrufezeichen setzen will, zu intensiv und wirkungsvoll sind Farbgebung und Formensprache, und wenn ihr das Album anwerft, dann begrüßt euch das eröffnende Titelstück auch direkt ziemlich eindrucksvoll. Keine kalte Nordlandraserei begegnet uns, sondern erst einmal ein dunkles, warmes Ambiente mit einer heißeren Drehorgel, einem stoischen Beat, bevor es in einen typischen, nackenbrechenden Vestland-Groove übergeht, der aber direkt wieder von psychedelischer Entrücktheit konterkariert wird. Sture Dingsøyrs Gesang ist großartig. Gut verständlich, mit viel Biss artikuliert, dunkel, dräuend, teils auch klar; und wenn Sture und Strom sodann in ein fast post-rockig anschwellendes, flirrendes Gitarrensolo versinken, dann steht fest: Ja, VREID hat sich für 2021 richtig was vorgenommen.
Im Vergleich zum Opener ist das folgende 'Wolves At Sea' dann ein relativ typischer, rasender, norwegischer Black-Metal-Song, der allerdings durch die immer wieder durch die Wogen schneidenden melodischen Leadgitarren Aufmerksamkeit errekt, ebenso durch Steingrimms starke Fills inmitten der Blastbeats, sowie durch das massige atmosphärische Break in doomig-pschedelische Welten im Mittelstück, die sich dann zu Anfang des letzten Drittels in melodischen Funeral-Doom-Welten ergehen, bevor das Stück wieder langsam Fahrt aufnimmt. Die Vielseitigkeit der Band unterstreicht dann 'The Morning Red', das sich in einem sehr langsamen Tempo entfaltet, ja, buchstäblich wie ein makabrer Sonnenaufgang, der mich ein wenig an TIAMAT zu "Wildhoney"-Zeiten denken lässt, obwohl VREID natürlich weitaus roher agiert und den Song natürlich nicht durchgängig in diesen getragenen Dimensionen verweilen lässt. Die Speed- und Thrash-lastigere Keule, die VREID zu Anfang der Karriere auszeichnete, findet sich beim eher traditionell ausgerichteten 'Shadows Of Aurora' und beim fiesen, marternden, leicht Industrial-lastigen 'Spikes Of God' wieder, während 'Dazed And Reduced' zum Titel passend sehr basisch, merklich alternativ verschoben und lässig rockt, und dabei weitgehend clean gesungen wird, was dann doch recht überraschend kommt, aber gleichwohl nicht wie ein Fremdkörper wirkt.
Bei 'Into The Mountains' hat Basser Hváll seinen großen Auftritt, denn seine Parts sind hier sehr auffällig, aber ebenso glänzt das Stück mit schönen melodischen Einschüben und gedoppelten Gitarrenleads und feinem Duettgesang zwischen klar und garstig. Ja, hier wird erkennbar das WINDIR-Erbe weiter getragen, auch wenn die zweite Hälfte des Stücks zunächst in den Trip Hop abdriftet, bevor sie mit einem doomigen Metal-Part zurück kehrt. Schräg, aber gut. Beim abschließenden Stück 'Shadowland', einem zehnminütigen Epos, geht es dann nochmals richtig ans Eingemachten, in Sachen WINDIR-Erbe, denn hier sind sogar ausladende Keyboardparts des verstorbenen WINDIR-Gründers Valfar zu hören, die ein finsteres Nordlandstück einleiten, das sowohl durch seine wirklich wuchtigen, unfassbar roh produzierten Gitarrenriffs fesseln kann als auch durch die verschleppte Rhythmik des Schlagzeugs und den martialischen Rezitativ des Frontmanns.
Am Ende ist "Wild North West" in der Tat ein sehr ambitioniertes und mutiges Werk für das Sogndal-Metal-Flaggschiff. Es ist klanglich perfekt in Szene gesetzt, klingt differenziert und roh, dabei ungewöhnlich warm für norwegischen Black Metal und es ist von ausgeprägter Dynamik. Das Songwriting ist vielseitig und kreativ, teils mit unerwarteten Wendungen versehen, die den Fan möglicherweise fordern könnten, aber nicht überfordern sollten, denn die überaschenden Momente sind durchaus stimmig in viel Vertrautes eingewoben.
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle