WINTERSUN - The Forest Season
Auch im Soundcheck: Soundcheck 07/2017
Mehr über Wintersun
- Genre:
- Melodic Death Metal / Symphonic Death Meta / Progressive
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Nuclear Blast
- Release:
- 21.07.2017
- Awaken From The Dark Slumber (Spring)
- The Forest That Wheeps (Summer)
- Eternal Darkness (Autumn)
- Loneliness (Winter)
Weniger ist wie immer mehr!
Es gibt Alben, da ist die Enstehungsgeschichte fast genauso interessant wie die Musik selbst. Einen genau solchen Fall stellt auch der neue WINTERSUN-Silbering "The Forest Seasons" dar, der nach knapp fünf Jahren Wartezeit nicht wie von vielen erwartet das mit "Time I" begonnene Konzept fortsetzt, sondern ein neues, in sich geschlossenes musikalisches Thema präsentiert. Der Grund dafür ist eigentlich recht simpel, denn Mastermind Jari Mäenpäa fehlen aktuell im heimischen Studio die Möglichkeiten, um an den komplexen Arrangements von "Time II" zu arbeiten. Was läge da also näher, als sich einfach ein eigenes Studio zu bauen, um endlich professionelle Bedingungen für die Produktionen der Finnen zu schaffen. Dem Zeitgeist entsprechend sollten die Mittel dafür über ein Crowdfunding zusammengetragen werden, das allerdings erst noch vom Label des Quartetts genehmigt werden musste.
In diesem Punkt eine Einigung zu erzielen, entpuppte sich jedoch als recht komplizierte Angelegenheit, deren Problematik Jari unglücklicherweise auch noch auf Facebook mit seinen Anhängern teilte. In diesem Jahr kam jedoch endlich der Durchbruch und der Vierer konnte mit seiner Kampagne starten, die in Rekordzeit knapp 464.330 Euro in die WINTERSUN-Kasse spülte und den Supporten gleichzeitig auch das hier vorliegende Album bescherte. Das größte Problem war für die Finnen dabei, den neuen Release nicht als minderwertiges Abfallprodukt hinzustellen, immerhin basierte die gesamte Kampagne ja auf der Tatsache, dass der Truppe aktuell nicht das nötige Equipment zur Verfügung steht, um ihre musikalische Vision in Gänze umzusetzen. Ist "The Forest Seasons" also nur schnödes Mittel zum Zweck, das in Sachen Produktion nicht die modernen Standards erfüllt?
Witzigerweise ist genau das Gegenteil der Fall, denn dank der begrenzten Möglichkeiten während der Aufnahmen war Jari ganz offenbar dazu gezwungen, sich wieder auf das zu fokussieren, was WINTERSUN mit dem selbstbetitelten Debüt im Jahr 2004 aus dem Stand heraus zu einer Sensation im melodischen Todesstahl gemacht hat. So stehen auch auf den insgesamt vier epischen Tracks vor allem wieder feinste Gitarren-Riffs und herrlich ausgetüftelte Melodien im Vordergrund, die nicht wie beim unsäglichen Vorgänger "Time I" unter meterdicken Keyboard- und Synthie-Teppichen begraben werden. Viel mehr klingt das Material trotz einer Songlänge von jeweils gut über zwölf Minuten pro Track überraschend geradlinig und wartet gleichzeitig mit einer ganzen Menge Hooklines auf, die sich schnell im Gehörgang festbeißen.
Trotzdem ist "The Forest Seasons" keine Scheibe geworden, die sich im ersten Hörduchlauf in ihrer Gänze erschließt, dafür ist das musikalische Konzept, das sich grob an Vivaldis "The Four Seasons" orientiert, deutlich zu vielschichtig geworden. Dementsprechend macht es auch wenig Sinn, einzelne Songs aus diesem Gesamtkunstwerk herauszugreifen, denn der Langspieler funktioniert am besten, wenn ihn der Hörer von Anfang an als musikalische Einheit versteht. Abgerundet wird der bärenstarke Gesamteindruck schließlich von der druckvollen Produktion, die zu keiner Zeit erahnen lässt, dass hier mit begrenzten Mitteln gearbeitet wurde. Natürlich sind hier und da einige Streicher-Samples nicht perfekt, doch genau das hat auch bereits den einzigartigen Reiz des Debütalbums ausgemacht und schadet dem Drittwerk der Finnen ebenso wenig.
Alles in allem ist "The Forest Seasons" damit der legitime Nachfolger von "Wintersun", den sich viele seit Jahren gewünscht haben. Erzwungenermaßen muss der Pomp und Kitsch von "Time I" wieder weichen und legt das unglaublich große musikalische Potential frei, das die vier Finnen, die zukünftig auf der Bühne als Quintett antreten werden, zu einer der interessantesten und innovativsten Bands des Genres gemacht hat. Angesichts dieser Tatsache darf man den Erfolg des Crowdfundings für das eigene Studio durchaus kritisch betrachten, denn nach dem Genuss dieser Scheibe bleibt festzuhalten, dass Herr Mäenpäa immer dann ganz besonders famose Musik komponiert, wenn er auf das allseits beliebte Prinzip "Weniger ist mehr" setzen muss.
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Tobias Dahs