WITHERFALL - Nocturnes And Requiems
Auch im Soundcheck: Soundcheck 10/2017
Mehr über Witherfall
- Genre:
- Heavy Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Century Media (EMI)
- Release:
- 06.10.2017
- Portrait
- What We Are Dying For
- Act II
- Sacrifice
- The Great Awakening
- End Of Time
- Finale
- Nobody Sleeps Here
THREE meets COMMUNIC!
Ein Newcomer mit einem Coverartwork von Kristian Wåhlin. Der gute Mann dürfte jedem Metalfan als Gestalter solch fast schon ikonischer Artworks wie denen von DISSECTION, AT THE GATES, EMPEROR, aber auch EVERGREY oder AMORPHIS bekannt sein. Sein Stil ist auch beim Debütalbum von WITHERFALL sofort zu erkennen und gibt dem Käufer gleich einen optischen Kaufanreiz. Feine Sache! Wichtiger als die Ummantelung einer Scheibe ist aber deren musikalischer Inhalt. Hier geht die in Los Angeles beheimatete Truppe allerdings ganz andere Wege als die meisten anderen Kunden des Zeichners. Verspielter Progressive Metal wird uns auf "Nocturnes And Requiems" serviert. Verspielter Progressiv-Metal, der gelegentlich an frühe COMMUNIC erinnert. Dies dürfte als Appetizer für die genannte Zielgruppe eigentlich als Kaufgrund schon ausreichen.
Im Detail bedeutet dies, dass uns größtenteils recht lange Songs vorgestellt werden, in denen ziemlich viel Abwechslung geboten wird. Immer von coolen Riffs nach vorne getrieben und niemals zu verschaltet, kann man allen Nummern schnell einen hohen Wiedererkennungswert attestieren, der in erster Linie durch die sehr gelungenen Hooks entsteht. Aber auch Sänger Joseph Michael, der wie Gitarrist Jake Dreyer zuvor unter anderem bei White Wizzard aktiv war, trägt an diesem Umstand eine Teilschuld. Sein kraftvoller Gesang sorgt während der aggressiven Passagen zum Mitshouten, während sein Stimme in den gekonnt eingebauten, ruhigen Phasen unglaublich einfühlsam klingt. Von diesen gibt es ausreichend viele auf dem Album, und in diesen Momenten erinnert mich die Band tatsächlich etwas an die Band 3 (THREE). Immer wieder gibt es Flamenco-Ausflüge auf der Gitarre und immer wieder überrascht die Band mit interessanten Rhythmuswechseln. Man höre nur mal das wundervolle 'Sacrifice' und schon weiß man, wie anspruchsvoller Metal heutzutage zu klingen hat.
Dass im direkten Anschluss an diesen Longtrack das melancholische 'The Great Awakening' als Verschnaufpause gesetzt wurde, ist ein kluger Schachzug der Band bei der Planung einer Spannungskurve innerhalb des Albums. Bei der Nummer zündet Joseph dann auf einmal den Kamin im Rachen an und klingt so richtig schön verräuchert. Sensationeller Gänsepullover. Das nahtlos daran anknüpfende 'End Of Time' ist dann eine Achterbahn durch alle Schattierungen des Klangkataloges der Band: Mehrstimmiger Gesang und akustische Untermalung werden von einem stürmischen Riffkommando abgelöst, über welchem ein herrlich aggressiver Gesang agiert. Der extrem einprägsame Chorus macht aber auch aus dieser Notenschleuder einen Ohrwurm. Sensationell!
Da wir einmal so schön im Rausch sind, drehen die Jungs – mit dem kurzen Intermezzo 'Finale' voran – schlussendlich noch einmal alle Regler auf die Zwölf. Der Titel sagt eigentlich schon alles: 'Nobody Sleeps Here". Programmatischer geht das auch kaum, denn der Song startet sofort mit rasantem Drive und durchgetretenem Gaspedal, nur um kurz darauf im Vers gleich komplett entspannt durch die Akustische zu atmen. So spannend setzt sich das Stück in seinen knapp neun Minuten Spielzeit auch fort und beschließt somit ein Album mit absoluter Langzeitwirkung. Woher ich das weiß? Nun, ich habe die Eigenpressung seit einigen Monaten im Regal stehen und sie dreht sich noch immer regelmäßig. Ein sehr gutes Zeichen, in Zeiten des musikalischen Überflusses.
Die beiden minimalen Mankos, die mich zu Beginn etwas irritiert haben, fallen mir heute nicht mehr auf, aber ich möchte sie auch nicht verschweigen: Der Drumsound klingt ziemlich künstlich, was unter Umständen an der betrüblichen Tatsache liegt, dass Drummer Adam Sagan während der Fertigstellung des Albums verstarb. Der zweite Aspekt wären die neoklassischen Soloeskapaden, die nach wenigen Umdrehungen für mich aber zum Fluss des Albums gehören. Insgesamt also ein tolles Album.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Holger Andrae