WYTCH HAZEL - Prelude
Mehr über Wytch Hazel
- Genre:
- Heavy Metal / Folk Rock
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Bad Omen Records
- Release:
- 22.04.2016
- Freedom Battle
- Fight
- Mighty King
- More Than Conquerors
- Psalm
- Prelude
- He Shall Reign
- Dark Ages
- Wytch Hazel
- We Will Be Strong
Balsam für Ohren und Seele
Gut Ding will Weile haben. Das ist eines jener Sprichworte, die im Heavy Metal nur selten wirklich zutreffen. Viel zu oft wartet man als Fan Jahre auf ein angekündigtes Album, nur um nach wenigen Minuten enttäuscht festzustellen, dass sich die ganze Warterei absolut nicht gelohnt hat. Umso schöner, wenn es einer Band gelingt, die Hoffnungen, die man in sie gesetzt hat, nicht nur zu erfüllen, sondern auch zu übertreffen.
Kommen wir also zu WYTCH HAZEL: Die Briten legten vor ein paar Jahren mit "The Truth" eine EP vor, die bereits viel Potential andeutete, hier und da jedoch noch etwas bieder und von der Produktion her verbesserungswürdig erschien. Seither hoffte nicht nur ich auf ein vollständiges Album der Band, das dann hoffentlich diese kleineren Schwächen ausbügeln würde. Nun ist "Prelude" endlich fertig und wenn es tatsächlich nur der Vorgeschmack dessen sein sollte, was uns WYTCH HAZEL in den nächsten Jahren so vorsetzen wird, dann stehen uns goldene Jahre klassischen englischen Stahls bevor. Denn die Band hat sich in allen Belangen direkt um mehrere Größenordnungen gesteigert und liefert mal locker eines der schönsten, folkigen Metal-Alben der letzten Jahre ab, das es direkt auf eine Ebene mit den Landsmännern DARK FOREST katapultiert.
Im warmen, natürlichen Sound, bei dem man jedes Instrument heraushört und auch hört, dass hier echte Musiker echte Instrumente bedienen, werden die zehn Lieder perfekt präsentiert. Und was für Lieder das sind! Mit großzügigem Einsatz unverzerrter Gitarren und tollen Melodien zu hauf, nie auf den schnellen Effekt zielend kommen sie daher, von einem gefühlvollen Sänger mit schlicht wunderschönen Gesangslinien intoniert, umspielt von folkigen Gitarrenleads, die mal an SOLSTICE, mal an DARK FOREST und mal an PAGAN ALTAR erinnern.
Zwei weitere Einflüsse sind nicht zu überhören und zeigen die außergewöhnliche Klasse und den exzellenten Geschmack der beteiligten Musiker: ASHBURY und deren große Helden JETHRO TULL, von denen man sich die folkigen Akustikpassagen abgeschaut hat. Jedes, ja wirklich jedes Lied auf diesem Album ist ein Hit, man kann sie immer und immer wieder hören, da sie nicht zu einfach strukturiert und zu vorhersehbar komponiert sind, mit Refrains, die diesen Namen verdienen und einer durchgängig verträumten, leicht melancholischen Atmosphäre.
Dennoch möchte ich einige Songs hervorheben: 'Not Just Conquerors' hätte auf jedem DARK-FOREST-Album ein Highlight abgegeben und tut dies auch hier. So und nicht anders schreibt man Hymnen, die unter die Haut gehen. Besonders ruhig und nachdenklich kommt 'Psalm' daher, das mit einer folkigen Bearbeitung des Psalms 23 ("Der Herr ist mein Hirte...") ganz nah an den Davis-Brüdern oder dem Werk Ian Andersons kratzt, auch wenn letzterer wohl nicht so freundlich mit religiösem Textmaterial umgehen würde. Was gerade 'Psalm' im Albumkontext jedoch zeigt, ist die Qualität der Texte, denn diese sind sprachlich hervorragend geraten. Im altertümlich anmutenden Englisch bewegt sich die Band sehr sicher und schafft es so, Texte über Ritter, Könige, Mut und Ehre zu schreiben, ohne in plumpe Klischees abzudriften.
Es ist nur ein kleines Detail, doch es fügt sich zu all den anderen, die dieses Album zu einem solch großartigen Stück Musik machen. Denn hier stimmen eben alle Aspekte, Sound, Musik, Texte, Atmosphäre und ergeben in der Gesamtbetrachtung mehr als die Summe der Einzelteile. "Prelude" mag das Versprechen von noch größerem sein, doch ich bin geneigt, an dieser Stelle bereits die Höchstnote zu ziehen.
In einer Welt, in der wir nach dem Tod Terry Jones' wohl nie das unvollendete letzte Album von PAGAN ALTAR hören werden, in der SOLSTICE neue Musik nur scheibchenweise veröffentlicht, in der das angekündigte neue Album ASHBURYs schon lange auf sich warten lässt, in einer solchen Welt braucht es mehr Bands wie DARK FOREST und WYTCH HAZEL und mehr Alben wie "Prelude", die ich mir sicher auch in vielen Jahren noch anhören werde, wenn es mir nach Balsam für Ohren und Seele dürstet.
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Raphael Päbst