XANDRIA - Sacrificium
Mehr über Xandria
- Genre:
- Symphonic Metal
- ∅-Note:
- 8.00
- Label:
- Napalm
- Release:
- 02.05.2014
- Sacrificium
- Nightfall
- Dreamkeeper
- Stardust
- The Undiscovered Land
- Betrayer
- Until The End
- Come With Me
- Little Red Relish
- Our Neverworld
Diese Qualität zwingt einen fast, die Musik gut zu finden.
Symphonic Rock und Metal mit Frauenstimme ist gerade das Ding der Stunde für mich. Das geht jetzt sogar so weit, dass ich tief in den Pool der unzähligen, vermeintlich generischen Bands greife, die sich erhoffen, auch ein Stück von dem von NIGHTWISH und WITHIN TEMPTATION gebackenen Kuchen abzubekommen.
XANDRIA also. Diese Bielefelder gibt es immerhin schon seit 1999 und seitdem sind fünf Full-Length-Scheiben erschienen. Zudem offenbart ein Blick auf die Biografie diverse Wechsel sowohl im Personal als auch im Musikstil. Von eher gothischen Klängen ausgehend ging das Klangbild immer mehr in Richtung Symphonic Metal im Stile früher NIGHTWISH und dabei gingen unter anderem drei Sängerinnen über Bord, letztens Manuela Kraller, die das hoch gelobte letzte Album "Neverworld's End" einsang.
Die vierte Dame an Bord hört nun auf den Namen Dianne van Giersbergen und ist nicht nur aufgrund des Namens eine hochinteressante Personalie. Sie ist weder verwandt noch verschwägert mit der von so vielen geliebten Anneke und sieht auch überhaupt nicht so aus wie die ex-THE GATHERING-Sängerin. Doch sie ist eine klassisch ausgebildete Sopransängerin, die die Musik zu ihrem Leben gemacht hat. Sie studierte Musik, u.a. in den Fächern Musiktheater und Kompositionslehre und fungiert auch als Stimmtrainerin. Es sollte also nicht der geringste Zweifel bestehen, dass diese Dame singen kann, und dass sie auch mit Metal zurecht kommt, konnte die Holländerin bereits mit ihrer anderen Band EX LIBRIS unter Beweis stellen.
Doch nun zur Musik von XANDRIA. Dazu kann man schon nach einem Durchlauf von "Sacrificium" feststellen: Das Erbe von NIGHTWISH ist an allen Ecken und Enden präsent: Wir hören melodischen, (manchmal) speedigen Metal als Basis, aufgepeppt (?) durch viel Bombast und Kitsch (nochmals für alle: ich mag Kitsch!) und eben Diannes filigranen Soprangesang, der sehr oft auch vielstimmig-choral arrangiert wurde. Manchmal mischt man auch etwas Drama und Epik oder auch Balladeskeres hinzu, versieht es mit meist leicht nachvollziehbaren Refrains und fertig geschnürt ist das XANDRIA-Paket. Jetzt könnte ich das Review eigentlich beenden, doch ich habe ja letztens ein paar herausragende Releases aus dem Genre in die Finger bekommen und möchte diese Gelegenheit nutzen, direkte Vergleiche zu bisherigen Highlights zu ziehen.
Ich höre also XANDRIA zunächst im Wechsel mit dem neuen Album "Argia" der Labelsmates DIABULUS IN MUSICA (zum Review). Bei "Argia" verursacht das Klangbild ein wohliges Grummeln in der Magengegend und paart dies mit einer Dauerputenpelle ob der fantastisch herausgearbeiteten Orchestralparts. Der Sound bei XANDRIA ist indes etwas verwaschener, hat damit weniger Druck und die orchestralen Arrangements verwässern die Musik bisweilen, anstatt ihr mehr Kraft zu geben. Das ist etwas, was nicht unmittelbar stört, jedoch anstrengend wird, wenn man das Album an einem Stück durchhört. Zudem büßt dadurch auch die Sängerin ein wenig an ihrer Klasse ein. Van Giersbergen deutet zwar an, dass sie eine sehr tolle Sopranistin ist, jedoch komme ich in diesem Mix zu keinem Ansatzpunkt, ein deutliches charakteristisches Merkmal in ihrer Stimme zu finden. Das geht mir bei Nachnamensvetterin Anneke zum Beispiel anders. Andererseits jedoch muss man der Dianne lassen, dass sie technisch makellos singt und allein das macht XANDRIAs Musik schon hörenswert.
Kommen wir aber zum nächsten direkten Vergleich mit einem meiner Lieblinge, diesmal "A War Of Our Own" von STREAM OF PASSION (zum Review). Klar ist diese Gegenüberstellung aus musikalischer Sicht nicht ganz gerecht, doch immerhin gehen die beiden Bands gemeinsam auf Tour. Und während es Marcela Bovio und Kollegen gelingt, mich mit pfiffigen Arrangements und maximaler Emotionalität über die volle Albumdistanz mitzureissen, schweift die Aufmerksamkeit bei XANDRIA selbst beim obligatorischen Kopfhörerdurchgang immer mal wieder ab. XANDRIA langweilig zu nennen, wäre indes viel zu hart, denn alles hat hier Hand und Fuß, aber eine kompositorische Sonderklasse deutet sich hier zwar bei einigen, aber nicht bei allen Stücken an.
So kann zwar beispielsweise das zehnminütige Opener-Epos 'Sacrificium' durchaus mitreissen, hebt sich jedoch auch zu wenig vom übrigen Material ab, so dass man nicht versteht, warum genau dieser Song jetzt so lang sein muss. Das folgende sehr eingängige 'Nightfall' erinnert dann augenblicklich an den 'Wishmaster' inclusive der herrlich leicht misszuverstehenden Textzeilen (Hamster - A dentist - Hard Porn - Steven Seagull; legendär!), was Spaß macht, aber eben auch nicht mehr ganz so originell ist. Auch danach bekommt man immer genau das, was man sich unter Musik mit dem Namen XANDRIA vorstellt, nämlich einen NIGHTWISH-Erben. Allerdings einen sehr guten und das bringt mich zum Fazit, dass mir das Gehörte trotz der geäusserten Kritik mit der Zeit immer besser gefällt. Gerade wenn es etwas komplexer und dramatischer wird wie bei 'Betrayer', frage ich mich, ob ich der Scheibe nicht noch viel mehr Spins gönnen sollte. Zudem kann man nicht von jeder Band erwarten, das Rad neu zu erfinden, und sofern sie ihr Geschäft mit einer solch unbestreitbaren Kompetenz wie XANDRIA macht, ist doch alles im Lot.
Und dennoch tut sich bei mir ein kleiner Zwiespalt auf: Denn wer darauf gesteigerten Wert legt, findet in diesem Mädelsmetal-Zoo durchaus auch eigenständigere Vertreter, mit DELAIN und DIABULUS IN MUSICA sogar beim selben Label Napalm Records. XANDRIA- und Genre-Fans dürften jedoch von "Sacrificium" keinesfalls enttäuscht werden, vielleicht sogar begeistert sein, insbesondere von Frau van Giersbergen Nummero zwei. Und ich? Nun ich weiss gerade nicht genau, wo ich stehe. Nur "Juwelensucher" oder doch schon richtiger Genrefan? Wie oben gesagt: Symphonic Rock und Metal mit Frauenstimme ist gerade das Ding der Stunde für mich. Und XANDRIA macht mit jedem Dreh mehr Spaß.
- Note:
- 8.00
- Redakteur:
- Thomas Becker