2 Girls vom Roten Stern
- Regie:
- Sammy Drechsel
- Jahr:
- 1966
- Genre:
- Komödie
- Land:
- BRD
1 Review(s)
21.07.2006 | 21:27Weltfrieden: Die rote Lilli trinkt Curd untern Tisch
Brisante Spionageverwicklungen um eine US-Wunderwaffe lassen Diplomaten und Agenten zu Höchstform auflaufen, um die andere Seite – nicht nur am grünen Tisch – aufs Kreuz zu legen. Oberst Olga und Major Anja von der russischen Delegation verlassen sich weniger auf militärische Mittel: Sie arbeiten mit den Waffen einer Frau und einem gehörigen Schuss Sex. Olga (Lilli Palmer) steht ihren Mann, wenn es gilt, den US-Delegationsleiter Dave O’Connor (Curd Jürgens) kalt lächelnd unter den Tisch zu trinken. (Verlagsinfo) Der Kalte Krieg konnte ganz schön heiß sein …
Filminfos
O-Titel: 2 Girls vom Roten Stern (D 1966)
Dt. Vertrieb: e-m-s (Verkauf: 22.06.2006)
FSK: ab 12
Länge: ca. 89 Min.
Regisseur: Sammy Drechsel
Drehbuch: Klaus-Peter Schreiner (Die Münchner Lach- & Schießgesellschaft), nach dem gleichnamigen Roman von Peter Norden
Musik: Claude Vasori
Darsteller: Lilli Palmer, Curd Jürgens, Hellmuth Lange, Anthony Steel, Pascale Petit, Kurt Meisel, Die Münchner Lach- & Schießgesellschaft (Dieter Hildebrandt, Jürgen Scheller, Klaus Havenstein, Ursula Noack, Hans J. Diedrich) u. a.
Handlung
Die Genfer Abrüstungsgespräche zwischen den zwei Supermächten USA und UdSSR nehmen eine unerwartete Wendung. Die Amis haben eine weitreichende Strahlenwaffe namens "Jonny" entwickelt und erprobt, und die Russen haben fast alle ihre Delegationsmitglieder verloren. Was tun?, spricht Sapparow, der Außenminister (Kurt Meisel). Da man über modernste Technik verfügt, lässt man geeigneten Ersatz von einem Computer suchen. Die Auswahl wird entscheidend durch das Kriterium "keine Weibergeschichten" eingeengt. Zwei Kandidaten bleiben übrig. Es sind – natürlich – Frauen. Oberst Olga Nikolajewna (Palmer) und Anja Petrowna (Petit) werden die russische Delegation stellen. Während Anja die junge Linientreue spielt, wird sie von Olgas weltweisen Zynismen erschüttert. (Die Palmer war 1965 bereits 51, Jürgens schon 50.)
Olga soll mit dem Zug von Wien nach Genf fahren, Anja nachkommen. Im Zug bekommt ein gewisser Dave O’Connor (Jürgens) aus Versehen das gleiche Schlafwagen-Abteil wie Olga zugewiesen. Er bemerkt den Irrtum erst, als er eine leere Wodkaflasche bemerkt und sich durch sein Rasieren eine Dame verschlafen meldet. Er bleibt ganz cool und Mann von Welt, sie ist Schlimmeres gewöhnt. Er nennt sie "Fräulein Oberst", gibt sich selbst aber nicht zu erkennen.
In einer etwas verspielten und verworrenen Nebenhandlung taucht ein Spion namens Ballard (Daniel Gelin) auf, der für beide Seiten Informationen beschafft. Die Russen wollen die Baupläne für die Wunderwaffe der Amis, und die Amis, vertreten durch Henry Miller (H. Lange) und Mike Astor (Steel), geben ihnen nur zu gerne gefälschte Dokumente, darunter das Rezept für Peking-Ente à la Miller.
Ballard arbeitet aber auch im Auftrag eines Mister X (Thiard Laforet), der sich der Dienste des Genfer Bridge Clubs (Die Münchner Lach- und Schießgesellschaft) bedient, um gewisse Dinge erledigt zu bekommen, z. B. die Beschattung Ballards. Die Klubmitglieder erweisen sich als ebenso einfallsreich wie geschäftstüchtig. Schließlich braucht jede Seite ihre Dienste, in welcher Form auch immer.
Als die Gesprächsrunde eröffnet wird, fällt Olga Nikolajewna aus allen Wolken: Ihr nächtlicher Schlafwagengenosse ist der Delegationsleiter der Gegenseite! Sie fühlt sich hintergangen und beschließt, es ihm heimzuzahlen. Sie fordert ihn zum Duell heraus. Die russische Form des Duells besteht im Wodka-Schnelltrinken …
Mein Eindruck
Der Drehbuchautor Klaus-Peter Schreiner war der Hausautor der Münchner Lach- & Schießgesellschaft. Auch wenn er einen Roman von Peter Norden zur Vorlage hatte, so war doch klar, dass er für sein eigenes Hausensemble – darunter Dieter Hildebrandt – entsprechende Rollen und Szenen austüfteln würde. Der andere Grund dafür bestand darin, dass der Regisseur Sammy Drechsel selbst der Gründer und Boss der Münchner Lach- & Schießgesellschaft war.
Dieser Film wurde denn auch der Premierenauftritt der Kabarettisten im Filmland. Mit dem Bridge Club z.b.V. (= zur besonderen Verwendung) wurde eine einfallsreiche Eingreiftruppe geschaffen, die sich für jeden agentenmäßigen Einsatz verwenden ließ – und Klub-Chefin Ursusla Noack kassierte die Kunden kräftig ab. Dass Abrüstung auch Geld einbringt, wird hier überdeutlich belegt. Auch der Schnüffler Ballard, gespielt vom Sartre-Mimen Daniel Gélin, ist ein lebender Beweis für diese These. Knöpft man ihm sein Geld ab, verlangt er die 5 Francs fürs Taxi zurück: ein Pfennigfuchser.
Während die Kabarettisten z.b.V. die Nebenhandlung bestreiten, entwickelt sich angeblich große Politik auf der Ebene der Stars Lili Palmer (ladies first) und Curd Jürgens. Sie sind beide schon über 50 Jahre alt, ihr Umgang miteinander zeugt von alter Schule und Formvollendung im Auftreten, besonders seitens Jürgens. Die Palmer hingegen hat ebenfalls schon eine internationale Karriere begonnen, war die Frau von Hollywoodstar Rex Harrison. Dass Olga Nikolajewna ein Oberst der Sowjetarmee ist, erscheint durchaus glaubhaft, wenn man die Palmer ihre coolen Sprüche loslassen hört – eine zynische Abgeklärtheit, deren Besitzer alles zuzutrauen ist.
So verwundert es nicht, dass sie als Siegerin aus dem Wodkaduell hervorgeht. Im Programmheft gibt es ein schönes Szenenfoto, das sie zeigt, wie sich auf den Tisch des Gelages stützt, wach, aber noch auf den Beinen, während unter ihr Jürgens alias Dave O’Connor bereits die Lichter ausgegangen sind. Diese Szene ist ein Wendepunkt in der Komödie. Hier entblößen sich nicht nur zwei normale Menschen, nein, es kommen sich zwei feindlich gesinnte Supermächte näher, und zwar auf einer recht persönlichen Ebene. Man muss bedenken, dass dieser Film erst zwei Jahre nach der Kubakrise entstand, die die Welt an den Rand des 3. Weltkrieges brachte. Abrüstung und Begegnung waren somit dringender notwendig denn je. Wenn man sich nach der Niederlage nur so leicht wie von einem Kater erholen könnte, wäre die Welt weniger gefährdet.
Da O’Connor seine Olga von nun an für einen "feinen Kerl" hält, will er sie a) für sich erobern und b) es ihr heimzahlen. Die Verwicklungen verlagern sich folgerichtig auf eine persönlichere Ebene. Da aber Olga immer noch ein Oberst ist und Anweisungen von Außenminister Sapparow (Kurt Meisel, auch ein Münchner) empfängt, muss sich O’Connor schon eine drastische Maßnahme einfallen lassen: Er entführt sie kurzerhand. (Bridge Club, bitte kommen!)
Eine Russin in New York City?! Es gibt Schlimmeres, wie Olga bald herausfindet. Und von hier aus lässt sich der Weltfrieden durchaus ebenfalls in die Wege leiten. Schließlich steht hier das Hauptquartier der Vereinten Nationen.
(Da macht es auch nichts, dass die vier Männer vom Bridge Club offensichtlich vor einer Münchner Neubausiedlung abgelichtet wurden, die als Ersatz für New York herhalten musste.)
Die Komödie hat nicht die Aufgabe, die Welt zu ermahnen. Sie braucht auch nicht "James Bond" zu spielen, um die Mitspieler auf der politischen Ebene der Supermächte vorzustellen. Der Zeitungsleser kennt sie sowieso, allerdings in einer wenig unterhaltsamen Weise. In dieser Komödie zeigen sich die Akteure von ihrer menschlich-allzumenschlichen Seite, und dabei darf in den Nebenhandlungen (Bridge Club, Miller-Astor-Popowitsch) schon mal die Grenze zum Klamauk überschritten werden.
Das einzige Element, das mich wirklich abgeschreckt hat, war die Titelmusik von Claude Vasori. Nach dem Prolog läuft sie rund drei Minuten lang während des Vorspanns, wenn die Credits gezeigt werden. Sie ist einfach nervtötend. Später erklingt sie noch einmal kurz, ebenso nervend. Ist dies der Grund, dass der Komponist nirgendwo im Programmheft und im Booklet namentlich erwähnt wird? Er taucht nur im Vorspann auf.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 1,78:1 (anamorph)
Tonformate: D in DD 2.0
Sprachen: D
Untertitel: keine
Extras:
- 12-seitiges Booklet
- 12 Seiten Reprint des verkleinerten Original-Filmprogramms
- Star-Interview mit Curd Jürgens
- Trailershow
- Nostalgie-Reklame
- "Musik-Box" (Film-Songs)
Mein Eindruck: die DVD
Bild und Ton sind in einwandfreiem Zustand. Den Ton kann man leider nur im DD-2.0-Standard genießen, aber das Bild präsentiert sich immerhin im Widescreen-Format. Untertitel gibt es keine, aber es sei darauf hingewiesen, dass unter der Leitung von Max Ophüls eine französischsprachige Fassung angefertigt wurde, die nach Angaben im Booklet den Titel "Duel la Vodka" trägt. Das ergibt wenig Sinn. Ich denke, es müsste "Duel à la Vodka" heißen.
Unter dem Menüpunkt "Extras" finden sich drei Angebote. Die "Nostalgie-Reklame" bringt uralte Werbefilme von Pfanni, Underberg und Sinalco Cola. Deren Charme entfaltet sich eher auf der Trash-Ebene, sie sind allenfalls kulturgeschichtlich interessant. Die "Musikbox" bietet acht verschiedene Filmschlager. Diese sind in die jeweiligen Filmausschnitte eingebettet. Es sind fast durchweg Heile-Welt-Schlager, aber wenigstens Paul Kuhn am Klavier spielt den Blues mit echtem Gefühl.
Das dritte Extra ist ein Rundfunk-Interview mit Curd Jürgens. Es dauert lediglich 13 Minuten und naturgemäß gibt es davon keine Filmbilder, sondern lediglich eine Fotomontage. Sie zeigt Jürgens und den Journalisten Dieter Bröer. Das Interview ist jedoch recht interessant durch den Umstand, dass mal nicht die üblichen Themen abgeklappert werden. Jürgens ist im Fernsehen als Sänger aufgetreten! Das Aufsehen muss erheblich gewesen sein, denn er wird sofort mit Hans Albers verglichen. Doch Jürgens winkt ab. Er könne genauso wenig singen wie Albers. Dagegen spricht die Tatsache, dass er gleich eine ganze LP aufgenommen hat, darunter einen Text von Walter Mehring.
Befragt zur aktuellen Popmusik aus deutschen Landen, meint er, dass die Texte besser geworden seien, vermutlich unter dem Einfluss der Beatles und der Franzosen. Zur Underground-Musik gibt er die höchst interessante Ansicht zu bedenken, dass man sie mit der Entwicklung der Malerei zu Anfang des 20. Jahrhunderts vergleichen könne. Kandinsky und ähnliche Tabubrecher hätten die restliche Malerei ja auch entscheidend beeinflusst.
Als Kino-Schauspieler zu seinem Verhältnis zu Fernsehen, Theater und Kino befragt, meint er, man solle sich beim Fernsehen rar machen. Nicht nur, um dem dortigen Verschleiß zu entgehen, sondern um nicht überrepräsentiert zu sein. Ab und zu mal eine Show sei aber in Ordnung. Es ziehe ihn aber immer wieder zum Theater wie zu einem "geistigen Bad" zurück, weil er dort an "integerster Kunst" beteiligt sein könne. Wohingegen man bei Film wohl eher eine bestimmte Industrie befriedige. Vor der Kamera bekundet er seinen Respekt: Sie sei unbestechlich, man könne sie nicht belügen.
Nach Auskünften über seine aktuellen und kommenden Arbeiten und über seine Aktivitäten im Urlaub kommt nichts mehr Neues. Alles in allem sind also doch ein paar unerwartete Statements darunter.
In der Trailershow finden sich Ausschnitte aus weiteren Filmpalast-DVDs.
~ Das Original-Filmprogramm ~
… ist informativ, indem es eine Reihe von Filmfotos und Darstellerbiografien bietet, doch die Abfolge der Seiten ist völlig durcheinander. Die Inhaltsangabe beginnt auf der vorletzten Seite, wird dann auf Seite 2 fortgesetzt. Die Präsentation der Münchner Lach- & Schießgesellschaft beginnt auf Seite 3 und wird auf der vorvorletzten Seite abgeschlossen (Zählung jeweils ohne Vorder- und Rückseite des Hefts). Lediglich die vier innersten Seiten sind folgerichtig angeordnet. Dennoch bleibt die Frage: Wie kam es dazu? Und zweitens: Kurt Meisels Foto ist zwar abgedruckt, aber seine Biografie fehlt.
~ Booklet ~
Das Booklet ist viel schöner aufgemacht als das Programm, mit Schwarzweiß-, aber auch zwei Farbfotos. Die Biografien von Lilli Palmer (eigentlich Lillie Marie Peiser, geb. 1914 in Posen, gest. 1986 in L.A.), Curd Jürgens (1915-1982) und – endlich auch! – Kurt Meisel (1912-1994) sind jeweils mit einer kurzen Filmografie versehen. Abgeschlossen wird mit der Doppelseite "Was erregte und bewegte die Welt im Jahre 1965" und einer Übersicht über die erhältlichen und kommenden DVDs im Programm "Filmpalast – Kinohits von gestern" (mehr Info unter www.filmpalast-dvd.de).
Unterm Strich
Eine Filmproduktion der Münchner Lach- und Schießgesellschaft, so ließe sich die Komödie abtun, wenn es da nicht mindestens zwei große Stars des deutschen und internationalen Kinos gäbe: Jürgens und Palmer. Nur sie tragen den roten Faden bis zum Schluss. Die diversen Nebenhandlungen haben darauf fast keinen Einfluss, so als wären sie komödiantische Schnörkel. Wäre der Film nicht der leichten Muse verpflichtet, hätte ein Mann wie Peter Sellers oder Blake Edwards hier noch ein paar scharfe Zwischentöne unterbringen können. So aber bleibt die Story im Belanglosen und Seichten, das sich in einem Happyend auflöst. So kann der Weltfriede endlich in der Unverbindlichkeit ausbrechen.
Die DVD ist schön mit Filmprogramm und Booklet sowie Jürgens-Interview ausgestattet. Dafür darf sich diese Ausgabe aber auch "Collector’s Edition" nennen und einen entsprechenden Preis verlangen.
- Redakteur:
- Michael Matzer