A Woman Called Abe Sada
- Regie:
- Noboru Tanaka
- Jahr:
- 1975
- Genre:
- Drama
- Land:
- Japan
- Originaltitel:
- Jitsuroku Abe Sada
1 Review(s)
16.03.2006 | 09:06Über diesen Film habe ich wochenlang gegrübelt und versucht, ihn vom künstlerischen Aspekt her zu betrachten - leider ohne Erfolg. Was vor drei Dekaden sicher arg provokativ über die Grenzen dessen, was im 'anständigen' Kino erlaubt war, deutlich hinaus ging, ist heute nicht mal mehr ansatzweise interessant. Ein paar dramatische Züge kann ich "A Woman Called Abe Sada" zwar noch abgewinnen, doch das ständige zur Schau stellen der sexuellen Obsession der beiden Hauptdarsteller ist auf die Dauer einfach nur plump, selbst wenn der Film eine sehr eigenwillige Entwicklung nimmt und zu meiner großen Überraschung auf einer wahren Begebenheit beruht. Die Geschichte ist dabei schnell erzählt:
Tokio 1936: Der Hotelbesitzer Kichizo wird in seiner eigenen Behausung tot und verstümmelt auf dem Bett gefunden. Dass er grausam ermordet wurde, steht außer Frage, und auch die Mörderin wird schnell gefasst, als einige Zeit später ein junges Mädchen mit einem Strick mit den blutigen Überresten eines männlichen Genitals um den Hals durch die Straßen Tokios läuft, deren Geschichte im Folgenden erzählt wird.
Abe Sada wuchs in einem wohlhabenden Elternhaus auf und genoss die Liebe und den Schutz ihrer Familie - bis zu ihrem 15.Lebensjahr. Dann nämlich ließ sie sich von einem bedeutungslosen jungen Mann entjungfern und wurde, weil sie Schande über die Familie gebracht hatte, verstoßen. Von da an rutschte Abe Sada immer tiefer in den Tokioter Untergrund ab, verdiente sich ihr Geld als Bardame und pries sich selber als Edelhure den reichsten Männern Japans an. Dabei stieß sie auch auf den verheirateten Kichizo, der sich sofort in Abe Sada verliebte und sogar seine Familie verließ, um seine Begierde für die Prostituierte auszuleben. Ohne jegliche Unterbrechung geben sich die beiden ihren erotischen Phantasien hin und lassen dabei die Außenwelt völlig außer Acht. Doch auch der Verstand wird letztendlich besiegt, als Kichizo seine neue Herzdame darum bittet, ihn beim Liebesspiel zu strangulieren, um so auch das letzte noch bestehende Tabu zu brechen. Der Hotelbesitzer verliert bei diesem Manöver sein Leben und liegt reglos neben der geschockten Abe Sada. Die jedoch raubt ihm auch noch den letzten Besitz, den er in seinem stetig anwachsenden Wahn noch realisierte – seinen Penis. Und mit diesem rennt sie ein paar Tage später durch Tokio…
Bevor ich auf den Punkt komme, möchte ich erst einmal ganz klar deutlich machen, dass “A Woman Called Abe Sada“ alles andere als ein billiger Schmuddelfilm ist. Der Aufbau und auch der tatsächliche Hintergrund lassen schon ganz klar die typischen Rahmenbedingungen für eine sehr dramatische Story erkennen, die aber spätestens nach der hundertsten exzessiven Orgie ihren Reiz verliert. Mehr als ein Drittel des Films zeigt Kichizo und Abe Sada beim ungezügelten Liebesakt, ganz ohne Hüllen und Tabus und für damalige Verhältnisse auch schon fast skandalös. Regisseur Noboru Tanaka legt in diesem Sinne auch nicht viel Wert auf Dialoge; die Bilder sollen die Geschichte erzählen, sie sollen für sich sprechen, wirken aber auf mich letzten Endes wie die pure Effektheischerei. Für meinen Geschmack gelingt es Tanaka nur sehr mäßig, die Dramaturgie, die sich hinter der wahren Story verbirgt, entsprechend in Szene zu setzen. Ekelhafte Begebenheiten wie das ewig lange, nahezu zelebrierte Ritual, bei dem Kichizo ihrem Freier den Penis abschneidet - ja eigentlich schon absägt-, scheinen dem Regisseur gerade recht zu kommen, um über eine weitestgehend belanglose, bisweilen gar unästhetische Darstellung der sexuellen Fantasien der beteiligten Personen hinwegzutäuschen. Wer’s braucht, nun denn, viel Spaß bei diesem altertümlichen S/M-Akt. Mit der angepriesenen Sinnlichkeit hat „A Woman Called Abe Sada“ - da kann man mir jetzt erzählen, was man will- nicht viel am Hut.
Die Aufarbeitung der DVD ist ebenfalls recht durchschnittlich. Das Alter der Originalspur hat deutlich Spuren hinterlassen; wirklich scharfe Kontraste kann der digitale Silberling nicht bieten, und auch der Ton wirkt eher dumpf als dynamisch. Der Mangel an Extramaterial (bis auf ein unnützes Poster gibt es keine zusätzlichen Bonus-Etappen) beschließt dann ein arg durchwachsenes Gesamtbild eines Streifens, der weit hinter den hohen Erwartungen, die im Infoblatt suggeriert wurden, zurückbleibt. Zur damaligen Veröffentlichung bezichtigte man Tanaka zunächst der Pornographie. Ganz so schlimm ist es zwar jetzt nicht, aber viel besser als die hierdurch eröffneten Befürchtungen kommt “A Woman Called Abe Sada“ auch nicht weg.
- Redakteur:
- Björn Backes